“Wollt ihr den totalen Krieg ?” fragte Propagandminister Goebbels vor 71 Jahren und die versammelten Nazi-Funktionäre antworteten ihm mit Ja. Heute geht es um einen totalen Finanzkrieg zwischen Anhängern und Gegnern der Weltreservewährung US-Dollar. Er wird mit dem Zusammenbruch Moskaus oder jenem des westlichen Finanzsystems enden. Ob sich daran ein heißer Konflikt anschließt, hängt von der Fähigkeit des Verlierers ab, noch militärisch agieren zu können.
Die Sportpalastrede sollte die Deutschen 1943 überzeugen, dass auch nach der Vernichtung der 6. Armee in Stalingrad ein deutscher Sieg noch im Bereich des Möglichen lag – wenn der Kampf nur radikal genug geführt würde.
Der heute stattfindende Finanzkrieg bleibt den Augen der Öffentlichkeit dagegen verborgen. Vorerst. Die paar Medien und Politiker, die ihn erkennen, hüten sich Alarm zu schlagen. Sie hoffen auf einen Endsieg des Westens, der es – wie sie glauben – ermöglichen wird, die Kriegskosten von der gegnerischen Seite tragen zu lassen.
Was heute stattfindet, hat mit dem, was Juan Zarate in seinem Treasury’s War beschreibt, nur mehr entfernte Ähnlichkeit.
Zarate war nach 9/11 der stellvertretende US-Finanzminister, der die finanzielle Kriegsführung auf neue Beine gestellt hat. Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung sammelte das Treasury ein Arsenal finanzieller Waffen an, deren Hauptzweck es war (ist), der Außen- und Militärpolitik Washingtons zum Durchbruch zu verhelfen.
Die Waffenkammer des treasury departments beinhaltete alte Instrumente wie das Einfrieren von gegnerischen Konten, das unter bestimmten Umständen nach wie vor verheerende Wirkung erzeugen kann – wie der Sturz Gaddafis zeigte.
In vielen Fällen war und ist das Einfrieren von Vermögenswerten nach executive order 13224 aber nicht durchführbar, weil die Beweisgrundlagen fehlten (weil sie nicht vorhanden waren oder aus geheimdienstlichen Gründen nicht auf den Tisch gelegt werden konnten). In diesem Fall griff das Finanzministerium auf den im Oktober 2001 durchgewinkten Patriot Act zurück, genauer: auf dessen Abschnitt 311.
Dieser ermöglicht es, Banken zu Geldwäschern zu erklären – ohne umständliche rechtliche Prozeduren. Das Schöne dabei ist, dass die anderen Banken aus Rücksicht auf ihre Reputation den Job der kriegführenden Partei erledigen.
Zarate schildert das Vorgehen anhand des Beispielfalls einer Bank, die mit Nordkorea Geschäfte machte.
Natürlich wurde und wird diese Technik auch gegen die Banken anderer rogue states angewendet. Auch diese Anklagen mussten plausibel gemacht werden – wenn auch nicht vor Gericht, nicht einmal vor einem US-Gericht.
Um an Informationen über die Zielobjekte zu kommen, bedient man sich üblicherweise des SWIFT-Systems, einer angeblich neutralen Firma, über die internationale Zahlungen abgewickelt werden. Zarate schildert, wie es der US-Administration mit einer Mischung aus Drohungen und Versprechungen gelungen ist, sich – auch offfiziell – Zugang zu den SWIFT-Daten zu verschaffen (“I want your data” – “What took you so long?).
Der rechtliche Hebel war auch hier die Gesetzgebung nach 9/11, die es ermöglichte, SWIFT nach US-Recht zu einer Auskunft zu zwingen (“subpoena”). SWIFT hätte im Einzelfall zwar US-Gerichte anrufen können, aber dem Unternehmen wurde klar gemacht, dass es a.) kein Interesse an Öffentlichkeit haben könne und dass es b.) die Verfahren ohnedies verlieren würde.
Angefangen wurde sozusagen “klein”, mit echten Fällen von Terrorfinanzierung, wobei die Dosis langsam gesteigert und die Qualität der Sachverhalte verändert wurde. Heute dürfte der Zugriff der Finanzkrieger im Treasury Department auf SWIFT umfassend sein (wobei die anderen US-Geheimdienste die Daten ohnedies haben, diese nicht offen verwenden können).
Die Kommission und das EU-Parlament haben wiederholt versucht, den Anschein zu erwecken, dass ihnen daran gelegen sei die SWIFT-Daten zu schützen (schließlich hat die Firma ihren rechtlichen Sitz in Belgien und unterliegt EU-Recht). Faktisch haben sich die Euro-Pudel aber auf den Rücken gelegt und in einer Unterwerfungsgeste die Kehle angeboten. Die EU hat ihr Schicksal auf Gedeih und Verderb mit dem Dollarsystem verbunden.
All diese Dinge haben gegen die Banken kleinerer angeblicher oder wirklicher Schurkenstaaten funktioniert, sind gegen die russischen Institute aber wenig erfolgversprechend. Auch das Einfrieren von Assets ist wenig aussichtsreich, weil der Gegner a.) Zeit hatte, seinen Teil seiner Vermögenswerte in Sicherheit zu bringen und b.) über Vergeltungsmöglichkeiten verfügt.
Das ist auch der Grund, warum (nach dem heutigen Stand) den Yukos-Anwälten versagt bleiben wird, auf russisches Staatseigentum im Ausland zurückzugreifen – sollte sich Moskau weigern, den früheren Yukos-Eignern 50 Mrd. Dollar zu zahlen. Chodorkowski & Co. versuchen sich nun, an British Petrol, BP, schadlos zu halten, die Großaktionärin des übernehmenden russischen Staatskonzerns ist.
Das trifft Rosneft und die Moskowiter aber nur beschränkt.
Was die Russen – neben dem Ölpreis – wirklich trifft, sind die “unilateralen” Sanktionen des Westens gegen russische Banken und Staatsfirmen (sie sind nicht wirklich unilateral. aber auch keine nach internationalem Recht). Die Rede ist vom Verbot an die Westler und ihre Geschäftspartner, russischen Staatsfirmen Kredit zu geben.
Das ist – zusammen mit dem Vorgehen in Sachen öl – nicht das Bestreben, “schrittweise den Druck zu erhöhen” um eine Verhaltensänderung zu bewirken, sondern der Versuch, einen Vernichtungsschlag zu führen.
Moskau weiß das und die EU weiß, dass Moskau es weiß. Anders als die Amerikaner sind die Westeuropäer aber die Nachbarn und größten Handelspartner der Russen. Die einzige Möglichkeit der europäischen “Partner” den Konsequenzen ihres Handelns zu entgehen, besteht darin, Putin tatsächlich aus dem Amt entfernen zu lassen und eine Art Marionettenregime zu installieren .
Anders als den Amerikanern würde den Europäern nicht einmal die Etablierung einer großrussisch-nationalistischen Regierng in Moskau viel nutzen. Deren Überlebenschancen wären auf längere Sicht zwar kleiner als die des aktuellen Silowiki-Regimes – bis es so weit ist, wird es aber noch eine Weile dauern. Bis dahin können dem Nachbarn im Osten eine Menge Dinge einfallen.
Eines ist jedenfalls klar: Wenn der Konflikt sich nicht von Anfang an um das dollarbasierte internationale Finanzsystem gedreht hat, tut er es zumindest heute.
Wer immer den Krieg für sich entscheiden kann, wird keine Gefangenen machen.
Foto: Wikimedia Commons
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