Auch die EZB ergeht sich in geldpolitischen Lockerungsübungen. Dieses Vorgehen nutzt nicht einmal dem europäischen Aktienmarkt – um von jenen Unternehmen und Privaten zu schweigen, die es satt haben, mit Kredit geschoppt zu werden. Nullzinsen und unkonventionelle Geldpolitik schaffen weder sinnvolle Investitionsprojekte, noch sind sie in der Lage, die Leute in nicht bedienbare Schulden zu treiben. Profitieren tun jene, die verbergen wollen, wie ihren Währungen der Boden unter den Füßen wegbricht.
Vor einem Jahr habe ich das Gruppenspringen der Zentralbanken des internationalen Dollarsystems beschrieben, und wie diese – eine nach der anderen – aus dem Flugzeug hüpfen um damit ihre jeweilige Währung entwerten. Damals hat es momenthaft so ausgesehen, als würde/könnte sich die EZB dem Spiel entziehen.
Monate bevor sich die Fed offiziell vom quantitative easing verabschiedet hat, war klar, dass ihre Teamkollegen, speziell aber der Chef in Washington, nun den Beitrag der Europäischen Zentralbank erwarteten, siehe hier:
Man konnte zu diesem Zeitpunkt aber bezweifeln, dass die EZB dem amerikanisch-britisch-japanischen trio infernale wirklich nachspringen und die Geldbasis ein weiteres Mal aufblähen würde.
Die wohl gewichtigsten Zweifel entstanden daraus, dass die Draghi-EZB mit der Euro-Rettung 2011/12 ihre Bilanzsumme zunächst zwar dramatisch ausgeweitet, danach aber – ziemlich überraschend - eine radikale Schlankheitskur durchgeführt hatte. Die in den LTROs der EZB geschaffenen zusätzlichen Geldmengen wurden binnen Monaten stillschweigend wieder eingesammelt.
Anfang 2014 war die vor 2007 herrschende Normalität (fast) wieder hergestellt und der bis zu diesem Zeitpunkt geltende Vektor wieder etabliert: der Vektor aus der kontinuierlichen Ausweitung der monetären Basis in Höhe von fünf und zehn Prozent jährlich – mit dem kleinen Unterschied, dass derlei 2012/13 diskontinuierlich erfolgte. Die Bilanzsumme der EZB nahm die Form einer Zipfelhaube an, ganz als wollte man die schlafenden Europäer karikieren.
Wie so etwas möglich war, ist mir – ehrlich gesagt – bis heute nicht klar. Es war ein unglaubliches Phänomen.
Es gab vor einem Jahr einen zweiten Grund, an der Entschlossenheit/dem Willen der EZB zu zweifeln, dem trio infernale nachzuspringen. Das war der Umstand, dass die EZB irgendwann im Sommer 2014 begonnen hatte, mit einer substanziellen Ausweitung ihrer Bilanzsumme zu kokettieren - aber gut ein halbes Jahr lang wenig unternahm, das auch in die Tat umzusetzen. Bellende Hunde beißen nicht, konnte man sich denken. Die reden nur.
Dann aber, im Frühjahr 2015, begann Frankfurt ernst zu machen. “Verkauft” wurde/wird das der Öffentlichkeit als Kampf gegen die drohende Deflation (das ist bis zu einem gewissen Grad auch nachvollziehbar – die Frage ist nur, ob man das bekämpfte Phänomen damit nicht noch anheizt ).
Seither erwirbt die EZB pro Monat mit 60 Milliarden frisch gedruckten Euros Wertpapiere und erzielt damit wahre Wunder – leider nur beim Wachstum der Geldbasis.
Davon hat niemand was, jedenfalls nicht in der realen Wirtschaft.
Folgend ein paar Tabellen, wie sich die Geldbasis der Eurozone seit 1999, dem Start der neuen Währung, entwickelt hat. Die Daten sind unrein und dienen nur dazu, eine grobe Vorstellung der Entwicklung der Euro-Geldbasis zu vermitteln.
Das heißt zum Beispiel: Ich verzichte auf diffizilere Konzepte und nehme als proxy für die Geldschöpfung schon einmal die Bilanzsumme des Eurosystems her (habe leider nicht die Möglicheit, per Tastendruck die Reserven der Geschäftsbanken bei der EZB 1999 abzurufen – und keine Lust, tagelang nach solchen Daten zu fahnden).
Die Daten kommen auch nicht immer von einem Stichtag zu Beginn/Ende eines Geschäftsjahres, sondern manchmal aus der Jahresmitte – was ich halt gerade gefunden hab’. Leute, die im Informationsüberfluss sitzen, mögen ihre Näschen rümpfen. Für das große Bild, das in der langfristigen Schau entsteht, macht es aber keinen Unterschied.
Beginnen wir mit dem Vergleich der total reserves/liabilities aus 1999 und 2007 (Jahresanfang). Das sieht so aus:
1999 | 2007 | |
685 Mrd. | 1151 Mrd. |
In den unproblematischen ersten acht Jahren des Eurosystems sind dessen Bilanzsumme um 68 Prozent und der Banknotenumlauf um 86 Prozent gestiegen Die Einlagen der Banken stiegen um ebenfalls 68 Prozent. Das war alles relativ normal und passierte – siehe oben – in Trippelschrittchen. Bis auf Griechenland (und Slowenien ?) gab es in diesem Zeitraum keinen Neuzugang.
Die Ausweitung der monetären Basis erfolgte zwar deutlich schneller als das reale Wirtschaftswachstum, befand sich aber irgendwie in einer Balance. Die ausstehenden Kredite der Banken an Unternehmen und Private wuchsen von 5600 auf 10700 Mrd. Euro (siehe Monatsberichte der EZB, Konsolidierte Bilanz der Monetären Finanzinstitute, Aktiva). Das sind plus 91 Prozent, ein Wachstum, das jenes des Basisgelds deutlich übertrifft.
Es war ein zentral geplantes, kreditgetriebenes und inflationistisches System, gegen das alles einzuwenden ist, was die Austrians vorgebracht haben.
Aber es funktionierte und verursachte keine allzu großen Schmerzen. Das BIP-Wachstum war anämisch, aber (immer noch) vorhanden, die Unternehmen brauchten und bekamen Kredite und die Arbeitslosigkeit hielt sich in Grenzen, ebenso wie (offenbar) die Reallöhne und Verbraucherpreise. Die realen Zinsen befanden sich im positiven Bereich.
Es folgten die Krisenzeit, in der sich die Geldbasis binnen vier Jahren fast verdoppelte (2007 – 2011) sowie der oben beschriebene surge und die mysteriöse Normalisierung in den Jahren 2012/13. Als die EZB vor gut einem Jahr über QE zu plaudern begann, hatte ihre Bilanzsumme bereits wieder das Niveau von Anfang 2011 erreicht.
Erst im März/April 2015 ging es aber so richtig los und seither hat sich die Bilanzsumme des Eurosystems von 2200 auf heute knapp 2700 Milliarden aufgeplustert. In diesem Zeitraum ist das echte high powered money, das als Basis für produktive Kredite verwendet werden könnte, um 167 Prozent gestiegen. Folgende Tabelle zeigt die Depositen der Banken auf EZB-Girokonten und in der Einlagefazilität zwischen 10.3.2015 und 10.11.2015. Quelle siehe hier.
März ’15 | November ’15 |
254 | 679 |
Wenn der money multiplier noch funktionieren würde, müsste das ein nettes Kreditwachstum und eine ebenso nette Inflation ergeben. Leider ist das nicht der Fall und die EZB versucht eine Gans zu schoppen, die in Investitionsstreik getreten ist (die wahren Motive der EZB liegen wahrscheinlich ganz woanders und haben eher mit dem Dollarsystem und den Wünschen der Fed bzw. der Kollegen des Teams US-Dollar zu tun).
Wie haben sich in der fraglichen Periode nun die Kreditbestände der Euro-Banken in der Realwirtschaft entwickelt (Quelle: Monatsberichte)?
Leider sind derzeit nur die Daten bis inklusive August vorhanden – siehe hier. Allem Brustgetrommel über anziehende Neuvergaben zum Trotz, sieht es gar nicht so aus, als würde das europäische QE in Sachen Investitionen was bewirken (und deshalb – so die Logik – müssen die Zinsen weiter runter und/oder das QE größer und länger werden.) Die Daten kommen aus dem Oktober-Bericht der BuBa bzw. eigentlich von der EZB.
Die Kreditbestände in der Realwirtschaft lassen jendefalls kein Anzeichen erkennen, dass sich das high powered money im fraglichen Zeitraum mehr als verdoppelt hat.
Die Medizin wirkt nicht – was liegt da näher, als die Dosis zu erhöhen ?
Nicht einmal an den europäischen Börsen hat QE a la Draghi was bewirkt. Und die bond bubble wird weiter größer – aber die stammt schon aus einer Zeit, als es noch kein nennenswertes europäisches QE gab.
Der einzige sichtbare Effekt, den das Draghi-QE gehabt hat, scheint in der Euro-Schwäche gegenüber dem Dollar zu liegen.
Vielleicht ist das auch des Pudels Kern.
Der alte König liegt im Sterben und vielleicht besteht in der Euro-Schwäche die glaubwürdigste Möglichkeit, diesen aussehen zu lassen als befände er sich noch in seinen besten Jahren.
Das muss nichts mit Währungsmärkten zu tun haben. Es kann ein Illusionisten-Trick sein. Auch Teenager wissen, dass es dem eigenen Aussehen unheimlich schmeicheln kann, sich mit wenig attraktiver Entourage zu umgeben.
Foto: L214 – Éthique & animaux [CC BY 3.0], Wikimedia Commons
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