Der amerikanische Enthüllungs-Veteran Seymour Hersh (My Lai, Abu Ghraib) hat eine Version des “Giftgasangriffs” auf die syrische Ortschaft Khan Shayhoun vorgelegt, die mit den beobachtbaren Fakten harmoniert. Demnach soll die syrische Luftwaffe mit einer russischen Präzisionsrakete Dschihadi-Kommandeure angegriffen und dabei im attackierten Gebäude gelagerte Giftstoffe freigesetzt haben. US-Präsident Trump habe danach zur Vergeltung Raketen auf eine Luftwaffenbasis feuern lassen, was wegen einer Art Sabotage durch US-Militärs aber weitgehend unwirksam geblieben sei. NB zur Verantwortung für den “Vergeltungsschlag”.
Hershs Version findet sich hier und hier in einer redaktionell bearbeiteten Version der deutschen Tageszeitung Die Welt. Hier findet sich die “Nacherzählung” im Washington-Blog.
Nach Hersh waren die USA und “Verbündete” über deren regionales Kommandozentrum in Katar detailliert über den geplanten Luftangriff informiert und hatten die Gelegenheit, eingeschleuste Vertrauensleute vom Treffen fernzuhalten.
Dann kam am 4.April der Angriff um 6:55 Uhr, der gut 80 zivile “Giftgastote” verursacht hat.
Obwohl der US-Präsident über die wirklichen Vorgänge informiert gewesen sei, hätten dessen Außenminister und seine UNO-Botschafterin sofort den syrischen Präsidenten beschuldigt.
Trump selbst habe befohlen, zur Vergeltung die syrische Luftwaffenbasis Schairat mit Tomahawks anzugreifen.
Die “Vorteile” der Hersh-Version, die – wie üblich – ohne offene Quellen auskommt, sind:
- Der geschilderte Verlauf des Angriffs und die verwendete Munition sind um einiges plausibler als das Narrativ von der syrischen Giftgasrakete, das bereits vom pensionierten MIT-Physiker Postol schwer erschüttert wurde.
- Es passt auch besser zum Umstand, dass Kameramänner ohne Schutzkleidung frische Todesopfer filmen konnten – was bei Vergiftungen durch militärisches Sarin praktisch ausgeschlossen wäre. Damaskus durfte damals gar keine militärischen Kampfstoffe mehr haben, theoretisch. Und schließlich
- zeichnet der Enthüllungsreporter ein realistisches Bild vom amerikanischen Vergeltungsschlag, der schon damals nach einem reinen Show-Effekt aussah. Hersh zufolge hat Trump selbst das freilich nicht intendiert. Er soll Warnungen seiner Militärs ignoriert und sich über die von diesen mitgeteilten Fakten hinweggesetzt haben.
Die Unterschiede zu den Vermutungen über den Vorfall, die damals in diesem Blog angestellt wurden, sind wie folgt:
Nach der Hersh-Version handelt es sich weder um einen
- false flag-Angriff, der von den Islamisten selbst inszeniert worden war, noch um einen
- hoax, also einen groben Scherz, der seinerseits durch den hoax eines Raketenangriffs beantwortet worden sei.
In der Erzählung des US-Journalisten haben also die Islamisten den Angriff in Idlib propagandamäßig professionell ausgeschlachtet und Trump hat wider besseres Wissen einen Angriffsbefehl auf eine militärische Einrichtung Assads gegeben.
Nachbemerkung, 30.6., 05.00 Uhr: Hier glaubt man der von Hersh geschilderten Rollenverteilung beim “US-Vergeltungsschlag” nicht: “Beteiligung Trumps an Raketenschlag in Syrien ist ein Täuschungsmanöver: Es war der Tiefe Staat”.
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