Griechenland: Herr Knecht haut auf den Tisch & zerteilt die Eurozone

Das Team Schäuble-Deutschland hat die Pokerpartie gegen Griechenland & den Club Med gewonnen – so viel  war seit der Vorlage der griechischen “Reformvorschläge” und dem gleichzeitigen Entschlafen des Geredes vom großen Schuldenschnitt klar. Was aber danach folgte, kam ziemlich unerwartet: Statt sich mit einem Lorbeerkranz zufriedenzugeben, haute Schäuble dermaßen auf den Tisch, dass man meinen konnte, er sei Repräsentant eines souveränen Staats. Mit einem grundsätzlich sehr guten Argument, das da lautet: Wenn ich schon Kredit vergeben muss, will ich Sicherheiten dafür.

Derlei ist ein einmaliger Fall in der ihrem Selbstverständnis nach solidarischen Eurozone (wenn man vom kaum publizierten Fall Finnlands beim EFSF absieht), ein unerhörter Vorfall, der als Demütigung der griechischen Regierung interpretiert worden ist. Die falsche Einigung am Montagvormittag ist wenig mehr als ein Versuch, die Zahlungsfähigkeit Athens doch noch wiederherzustellen und einen Grexit aktuell abzuwenden.

Der viel bequatschte Treuhandfonds muss eigentlich jedem, der sich einmal bei einer Bank um einen Kredit bemühen musste, ziemlich normal vorkommen. Die normalen Kreditnehmer sind ihren Gläubigern i.d.R. auch nicht böse, dass diese eine Hypothek für ein bisschen elektronischen Kredit in einer nicht gedeckten Währung haben möchten.

Die Wahl der Sicherheit, die Schäuble/die Eurogruppe im Fall Griechenland getroffen hat, ist freilich keine besonders gute. Ihre Wahl ist auf Dinge gefallen, die zu einem guten Teil sichtbare, feste  Infrastruktur des griechischen Staats sind, auf die man nicht “zugreifen (kann) ohne einen Krieg vom Zaun zu brechen und dabei – quasi nebenher – die Souveränität der borgenden Nation zu verletzen.”

Siehe hier. Krieg beim versuchten Zugriff auf das angeblich 50 Milliarden Euro teure griechische Staatseigentum in Griechenland lässt sich unschwer voraussagen. Entweder Krieg oder der inflationäre Gebrauch der Phrase von der Nicht-Exekutierbarkeit der Forderungen.

Triumphator Schäuble 

Die Sicherheiten für das verborgte Geld und den versprochenen Reformprozess, nicht irgendwelche neuen Forderungen, waren das zentrale Thema seit dem Beginn dessen, was ich zuletzt Schäuble-Bluff genannt habe.Die Gläubiger haben tatsächlich inhaltlich nicht mehr verlangt als bis 26. Juni mit Brüssel vereinbart worden war, jedenfalls nicht nennenswert.

Trotzdem räume ich (un)gern ein, dass ich mit meinen Vorhersagen und Erwartungen für den Verlauf des Pokerspiels beträchtlich danebengelegen bin: Zuerst glaubte ich, dass der Varoufakis-Gamble von griechischen Linken und europäischen Zentristen Erfolg haben würde. Kaum unter Druck, zerbröselte diese Mannschaft aber.

Danach ging ich zwar von einem Triumph Schäubles aus, dachte aber, dass dieser zugunsten von Risikominimierung und Integrität der Eurozone darauf verzichten würde, Tsipras eine so krachende Verhandlungsniederlage zuzufügen.

Ich möchte derzeit nicht in der Haut von Tsakalotos und vor allem Tsipras stecken, die ihrem Volk dieses Verhandlungsergebnis erklären müssen. Es sieht zwar so aus, als wäre informell auch eine weitere Erstreckung der Rückzahlungen vereinbart worden, was einem Schuldenschnitt auf present value-Basis gleichkommt. Noch ist aber nicht heraußen, wie hoch die faktische Restrukturierung ausfallen wird. Selbst wenn sie saftig ausgefallen wäre, muss man derlei noch den Parlamentariern und Wählern erklären.

Und auch wenn jetzt für einen kurzen Moment wieder einmal alles gerettet scheint, hat sich meine Erwartung eines happy end nach dem Muster so vieler vorangegangener Gipfel nicht erfüllt.

Es ist ein happy end in dem Sinn, dass eine formelle Einigung erzielt wurde, eine Einigung für die Zuseher, eine der normalen Übertünchungseinigungen. Die Situation, aus der das hervorging, war diesmal aber definitiv anders. Zum ersten Mal wurde ein, wenn auch noch nicht fest umrissener deutscher Block sichtbar und zum ersten Mal bestand die” Lösung” darin, diesen deutschen Block bis nach dem Abschlussfoto ruhig und euro-solidarisch zu halten.

Das gelang nur mit Müh’ und Not und wohl nur mit Hilfe des Onkels aus Amerika, der ja noch immer de facto-Besatzungsmacht ist. Das noch immer besetzte Deutschland hat also gegen den Willen der einzigen verbliebenen Besatzungsmacht und gegen den Willen von deren Außenstelle in Brüssel die Eurozone zerteilt – in eine Südschiene und einen Deutschland-Block.

Es stellt eine sogenannte Ironie der Geschichte dar, dass das durch Wolfgang Schäuble passierte, jenen Minister, der vor vier Jahren offen erklärte, dass Deutschland seit 1945 niemals voll souverän gewesen sei und der das für einen heilsamen Zustand auch für andere Nationen hält.

Er und seine Chefin sind in der transatlantischen Welt bisher immer Muster an Angepasstheit gewesen und das könnte ab jetzt der Vergangenheit angehören. Das gilt vor allem für deren Nachfolger.

Unabhängiger Journalist

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