Dürfen selbsternannte Demokraten alles, wenn sie sich im Kampf gegen Faschisten befinden? Dürfen Minister Richtern anschaffen, Oppositionspolitiker zu verhaften? Genau das ist in Griechenland geschehen, gab der Generalsekretär der Regierung Samaras in einem heimlich aufgezeichneten Gespräch an. Jetzt verlangt auch die “Konkurrenz” von Golden Dawn, die linke Syriza, eine Parlamentsdebatte über den Vorgang. Die Regierung will diese bis nach der EU-Wahl vertagen.
Die deutschsprachigen Zeitungen finden den Vorgang nicht besonders bemerkenswert. Sie haben, wenn überhaupt, höchstens mit der illegalen Herkunft der Filmaufnahme ein Problem. Berichtet wird kaum oder gar nicht.
Das Video, das (noch) auf Youtube zu sehen ist, zeigt den Anfang April zurückgetretenen Panagiotis Baltakos, wie er ein Gespräch mit einer Person führt, die mit großer Sicherheit der stellvertretende Parteichef der rechtsradikalen “Goldenen Morgenröte”, Ilias Kasidiaris ist.
In der wahrscheinlich mit dem Handy gemachten Aufnahme deutet Baltakos an, dass der in den USA befindliche griechische Premier die Verhaftung von sechs Parlamentariern der Morgenröte veranlasst habe. (Baltakos berichtet nur vom Hörensagen, der erste Mann im Stab eines Regierungschefs kann aber durchaus Zugang zu derlei Informationen haben.)
Es geht dabei um zwei Verhaftungswellen nach dem Mord an einem aus Pakistan stammenden antifaschistischen Rapper, der Golden Dawn zur Last gelegt wird. Die ersten drei Verhafteten waren von der Justiz schnell freigelassen worden, denn es hatte keine Haftgründe gegeben. Dies soll Samaras, der soeben vor einer zionistischen Organisation in den USA ein Referat gehalten hatte, aber “desavouiert” haben. Bei den danach erfolgenden Verhaftungen hat es laut Baltakos zwar auch keine Haftgründe gegeben, aber da hätten die Minister für Justiz und Öffentliche Sicherheit zugunsten der Verhaftungen telefonisch interveniert.
Am Anfang sei sich Samaras der wahren Vorgänge nicht bewusst gewesen, aber dann habe er die Wirkung der Verhaftungen auf die Umfragewerte gesehen. “Er dachte, dass ihr (Goldene Morgenröte=) nach all diesen schrecklichen Dingen auf zwei Prozent absinken werdet.” Samaras mache sich Hoffnungen, durch die Aktionen der Justiz die Linkspartei stimmenmäßig überholen zu können.
Das dürfte heute kaum mehr realistisch zu sein. Die links der PASOK stehende Syriza sah schon bisher in den Umfragen wie die sichere Siegerin der EU-Wahlen aus. Die Neue Demokratie, die sich ursprünglich Hoffnungen auf den zweiten Platz gemacht hatte, wird sich das abschminken können. Ein Meinungsforscher ( Zougla) sah (noch vor der Baltakos-Affäre) Golden Dawn mit 27,1 Prozent sogar an erster Stelle (PASOK wurden 1,5 Prozent zugebilligt).
Die Goldene Morgenröte gilt im europäischen Parteienspektrum als eine radikalsten Gruppen am rechten Rand, der zahlreiche Gewalttaten gegen Immigranten zur Last gelegt werden. Sie hatte bis vor kurzem 18 Abgeordnete im griechischen Parlament. Seitdem ihr die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen wird, werden die Abgeordneten aber Schritt für Schritt aus dem Parlament entfernt. Erst wird ihre Immunität aufgehoben, dann werden sie verhaftet.
Erst die parlamentarische Eliminierung dieser Abgeordneten hat es der nur mit knapper Mehrheit regierenden Koalition zuletzt ermöglicht, ein weiteres Reformgesetz durch das Parlament zu bringen. Es handelte sich um ein Gesetz, das die Voraussetzung für die Auszahlung einer Kredittranche im Umfang von 9 Mrd. Euro war. Zuvor hätten “Neue Demokratie” und Pasok 153 Stimmen benötigt, um das Gesetz durchzubringen – seit der Verhaftung von (bis dahin) 6 Abgeordneten waren nur mehr 148 Stimmen notwendig, berichtet eine Syriza nahestehende Website. Das Reformgesetz von Ende März wurde mit 152 Stimmen angenommen. Das heißt: Ohne die Verhaftungen hätte es keine Mehrheit gegeben.
Aber es war schon ein wenig knapp. Doch seit Anfang April ist wieder Nachschub unterwegs, der die regierende demokratische Koalition “entlasten” kann. Anfang April wurde die Immunität weiterer fünf Morgenröte-Abgeordneter aufgehoben.
Baltakos führte nach Publikwerden der Aufnahme an, dass Samaras nichts von seinen Kontakten zu Golden Dawn gewusst habe, dass er selbst die Goldene Morgenröte ausspionieren habe wollen und er sich deswegen zum Schein auf das Gespräch eingelassen habe – eine Verantwortung, die Östereicher frappant an die Affäre rund um den ehemaligen Innenminister Ernst Strasser erinnern muss.
Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.