Ist die aktuelle Erdgaskrise nur ein sehr kostspieliges Simulacrum?

Dieser Blogger, der bisher fest im Lager der Pessimisten für den kommenden Winter gestanden ist, hat sich öffentlich zugängliche AGSI-Daten der vergangenen fünf Jahre angeschaut und ist dabei auf wenig (beunruhigend) Auffälliges gestoßen. Nach diesen Werten haben sich die Speicher in den vergangenen fünf Monaten besonders schnell gefüllt, was angesichts der prononçierten Tiefstände im Frühjahr 2022 freilich nicht überraschend ist (wäre). Ohne russisches Gas wäre so ein “Spurt” praktisch unmöglich.

Zunächst eine Tabelle mit dem AGSI-Speicherstand am 25. September in den Jahren 2018 – 2022 (letztverfügbare Daten).  In ihr zeigt sich, dass der aktuelle Storage-Wert im Vergleich zum Ausnahmejahr 2021 zwar hoch ist, nicht aber im Vergleich zu den Jahren davor (2019, 2020).

Storage am 25.9. (TWh)
 2018  2019  2020  2021  2022
 AGSI-EU  896  1067  1069  814  977
 D  195  234  230  160  223
 A  63  92  86  49  74

Es folgt eine kleine Tabelle mit den Lows der aktuellen Saison. Eigentlich müsste man die auch mit den vergangenen 5 Jahren vergleichen, aber das war mir zu viel Arbeit. 

Eine “schnelle und schmutzige” Durchsicht legt nahe, dass die Lows 2022 besonders tief sind, speziell in Österreich. 12 Terawattstunden im März war (wäre) wohl am Rand des technisch Machbaren ohne dass das Netz gefährlich instabil wird.

Tiefstände Saison 2021/22
Low ’22 (TWh) Datum
AGSI-EU  283  19.3.
D  59  18.3.
A  12  24.3.

Schließlich der Aufbau der von AGSI erfassten Speicherbestände in TWh im Vergleich der vergangenen fünf Jahre.

Auch hier zeigt sich, dass der bisher stattgefundene Speicheraufbau 2022 im Vergleich zum VJ besonders deutlich war, allerdings waren die historischen Werte 2020 & 2019 auch sehr gering

(was wohl auf die hohen Ausgangs-Stände am Beginn der jeweiligen  historischen Wintersaison zurückzuführen ist – siehe erste Tabelle).

Speicheraufbau 1.5.  bis 25.9. (TWh)
2018 2019 2020 2021 2022
AGSI-EU  614  521  358  476  604
D  142  83  42  98  137
A  41  37  13  28  55

Fazit

Sofern die aktuellen AGSI-Daten stimmen (die wenigstens historisch über jeden Zweifel erhaben sind),

  • fließt mit großer Wahrscheinlichkeit weiterhin russisches Gas nach Europa (anders sind die Speicherzuwächse mittlerweile nicht mehr erklärbar, siehe übrigens auch Haisenko: “(Das Gas) fließt nach wie vor durch diverse andere Pipelines nach Europa und Deutschland. Zum Beispiel durch die Ukraine. Nur nicht durch Nord-Stream 1″ – und wohl auch nicht durch Jamal-Nord und Transgas, Anm. Andreas)
  • und zweitens droht im kommenden Winter ceteris paribus KEINE Erdgaskrise (u.a. weil im Winter seit Beginn der AGSI-Aufzeichnungen sowieso nicht  geliefert wird).

An diesem Befund wäre vor allem irritierend, dass

West und Ost kommunikativ am gleichen Strang ziehen (obzwar mit konträren Bewertungen und “Narrativen” einer scheinbar zweifelsfrei, von beiden Seiten festgestellten oder auch nur “geduldeten” Sachlage,

dass nämlich derzeit kein russisches Gas mehr in den Westen fließt).

Was wäre(n) das Motiv (die Motive) in diesem Fall? Das Motiv, hinter einem deutlich erkennbaren Informationskrieg zwischen West  und Ost eine gemeinsame “perzipierte Wirklichkeit” zu pushen?  Eine “falsche Wirklichkeit”, die (derzeit noch) nicht den Fakten entspricht?

Dieser Blogger behauptet nicht, dass das, was die AGSI-Daten nahe legen, zweifelsfrei der Fall ist. Die jüngsten AGSI-Daten könnten auch glatt gefälscht sein.

Aber er meint, dass nach all den Psyops der Corona-Jahre extreme Vorsicht angebracht ist.

Unabhängiger Journalist

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