Dieser Blogger, der eine Reihe von Anhaltspunkten für eine weltweite Versorgungskrise bei “Trägern dichter Energie” (Öl, Gas, Kohle) zu erkennen glaubt, hat sich die jüngsten Daten des europäischen Aggregated Gas Storage Inventory angesehen und ist sich nicht mehr so sicher, dass der aktuelle Verlauf so außergewöhnlich ist (wie bisher angenommen). Die Werte widersprechen (bisher) auch zahllosen alarmierenden Pressemeldungen, die Westeuropa für kommenden Winter das Schlimmste prophezeien. Die AGSI-Daten für Frühjahr/Sommer 2022 weichen zwar deutlich vom Jahr davor ab (“nach oben”), entsprechen aber weitgehend der Normalität der Jahre vor 2020. Daraus ergibt sich die Frage, welchen Zweck eine europaweite Kriseninszenierung – unter Mitwirkung Russlands – haben könnte. NB: Ist doch LNG des Pudels Kern?
Die in “MSM” und alternativen Medien vermittelten Narrative zur sich gerade in Europa anbahnenden Erdgaskrise weisen ein paar “Pferdefüße” auf, für die dieser Blogger bis heute keine befriedigende Erklärung hat:
- Beispielsweise ist da die fast durchgängige Unterstellung, dass Westeuropa immer schon durch kontinuierliche Gasflüsse versorgt werde. Das ist offenkundig falsch, wie ein einfacher Blick auf die Grafiken des AGSI zeigt. Die Versorgerländer des “alten Kontinents” – inklusive Russland – liefern weitaus überwiegend jeweils von etwa April bis November, während von November bis April die mehr oder weniger gefüllten europäischen Speicher abgebaut werden. Normalerweise fließen dem AGSI im Winterhalbjahr zwischen 200 und 500 Gigawattstunden pro Tag zu, während der Zufluss im Sommer auf 4.000 bis 10.000 GWh/d klettert. Trotzdem ist bisher weder “West” noch “Ost” den hartnäckig falschen medialen Darstellungen entgegen getreten – warum?
- Ähnlich die immer wieder vorgebrachte, mitunter mit “Zahlen untermauerte” Behauptung, dass die bei weitem größten Gasverbraucher Industriebetriebe seien, gefolgt von der E-Wirtschaft; und erst an dritter Stelle befände sich mit anteilsmäßig etwa einem Viertel die Raumwärme der Haushalte (inkl. Warmwasser). Auch das kann nicht stimmen. Industriebetriebe produzieren bekanntlich einigermaßen kontinuierlich. Wie kann es dann sein, dass an kalten Wintertagen wie etwa im Februar 2022 fast 10 TWh-Stunden entnommen werden, während in der Sommersaison “Withdrawals” von lediglich ein paar hundert Gigawattstunden die Regel sind? Auch die Gaskraftwerke, die ja die Last der intermittenten Erneuerbaren “ausbalançieren”, haben kein derart “einseitiges Bedarfsprofil”.
Auch das Sinken des beispielsweise in der Finanzmarktwelt geschilderten Gasverbrauchs in Deutschland trägt nicht weit genug.
Die AGSI-Zahlen bestätigen zwar den vom BDEW behaupteten Verbrauchsrückgang – was angesichts der Frühjahrswitterung 2021 und 2022 freilich nicht weiter verwunderlich ist, denn:
Der Winter 20/21 war lang und hart, weswegen Europa damals auch mehr Gas als im Winter 2021/22 verbraucht hat.
Den im AGSI ausgewiesenen (bisherigen) Auftrieb der “Storage-Zahlen” (siehe Tabelle “über dem Falz”) erklärt das freilich nur zum kleineren Teil.
Der Löwenanteil des Zuwachses kommt eindeutig von der Input-Seite.
Wie eine Analyse der deutschen Gasflüsse nach AGSI ergibt, hat der deutsche Minderverbrauch im ersten Halbjahr 2022 (gegenüber dem ersten HJ 2021) zwar gut 20 Prozent ausgemacht,
die Zuflüsse 2022 haben sich in den ersten sechs Monaten 2022 jedoch von ca. 61 auf etwa 122 TWh verdoppelt.
Die Erklärung dieses Bloggers lautete bisher, dass es sich bei den Zuflüssen um norwegisches Gas handle.
Da die im AGSI ausgewiesenen “Injections” aber nicht nur Deutschland, sondern (fast) ganz Europa betreffen, stellt sich die Frage, ob Norwegen als Erklärung für eine solche frühe “Bonanza 2022″ ausreicht.
Die Steigerung der Speichervolumina ist vor allem gegenüber der Vorsaison 2021 Atem beraubend, scheint im Vergleich zu den Mustern von vor 2020 aber nicht besonders bemerkenswert.
- Entweder stellt die Rallye der vergangenen Monate eine Rückkehr zum “Business as Usual” der Jahre vor 2020 dar,
- oder es läuft auf einen politisch inszenierten, akkordierten Knackpunkt hinaus, der dazu dient, die “Austrockung Westeuropas” als rein (geo)politisches Ereignis zu erklären (obwohl Russland immer weniger lieferfähig ist und das der ausschlaggebende tiefere Grund der “Disruption” ist).
NB, 17.8.2022, 9.45 Uhr: Nach den letzten mir bekannten Zahlen importiert Europa seit heurigem Frühjahr um (“brutto”) ca. 3 Mrd Kubikfuß/d mehr LNG als vor einem Jahr. Das sind pro Tag etwa 85 Mio. m3 LNG. Im Gegensatz zu früheren Einschätzungen ist das keine “triviale Menge” (muss man mit +600 multiplizieren). Freilich scheint ein nennenswerter Teil des Importzuwachses auf das Konto von UK und Spanien zu gehen. Es ist auch fraglich, inwieweit das nachhaltig aufrecht erhalten werden kann – zumindest nicht mit Lieferungen aus den USA (Freeport bis auf weiteres offline, Rückgang Sabine Pass im Juni).
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