Krisenstrategie d. Polit-Gesindels?

1024px-Parliament_marks_30th_anniversary_of_the_fall_of_the_Berlin_Wall_-_49068894327Der deutsche Bundestagspräsident hat in einem Interview seine Hoffnung auf die transformative Kraft der “Corona-Krise” gezeigt, was ein sg. patriotisches Medium als “abgefeimt” bezeichnete. Schäuble sehe Corona als “große Chance für den Systemumbau”.Abgefeimt – wohl wahr, aber absolut nichts Neues. Das sich demokratisch nennende Gesocks setzte vor knapp zehn Jahren dieselben Hoffnungen in die sg. Euro-Krise. Die Frage ist, ob und ggf. wie unsere Machthaber an der Fabrikation von vermeintlich transformativen Krisen beteiligt sind.

Der Jouwatch-Kritiker bezieht sich auf ein Interview, das der Bundes-Rolli der Neuen Westfälischen gegeben hat (hinter einer paywall):

Die Corona-Krise ist eine große Chance”

Wer mit dem after hours-Gerede unserer Funktionseliten vertraut ist, mag die Gedankenfigur erkennen – die (handlungsbestimmende) Überzeugung, dass echte Veränderung nur über eine Krisensituation entstehen kann.

Es ist dies ein u.a.in der marxistisch-leninistischen Tradition tief verwurzeltes “dialektisches Mem”, das Wladimir Iljitsch Uljanow meisterhaft in die politische Praxis umzusetzen verstand.

Die Ziele des heutigen Polit-Gesindels mögen sich von jenen Lenins unterscheiden (oder auch nicht) – die jeweiligen Machtstrategien sind einander aber sehr ähnlich.

Auch anno 2012, während und nach der “Euro-Krise”, war es v.a. der damalige deutsche Finanzminister, der wiederholt betonte, dass der Weg in einen europäischen Bundesstaat nur über eine Krise führe, beispielsweise mit der Einführung einer europäischen Finanzpolitik

(die zuerst erwähnte Passage aus einem Schäuble-Interview mit einer US-amerikanischen Zeitung konnte dieser Blogger nicht mehr finden, er kann sich aber gut an den Wortlaut und die Begleitumstände erinnern).

Es steht im Übrigen völlig außer Zweifel, dass Integrations-Booster wie die Rettungsvehikel EFSF/ESM oder die Bankenunion aus der damaligen Euro-Krise entstanden sind.

Nicht durchgesetzt wurden in diesen Jahren gemeinsame Anleihen (Euro-Bonds), Schuldenunion und europäische Finanztransfers.

Das wurde und wird nun in der “Corona-Krise” angegangen.

Wie (nicht nur) Hans-Werner Sinn bemerkt hat, sind die zur Finanzierung des riesigen Corona-Fonds notwendig werdenden Anleihen eigentlich verdeckte Euro-Bonds – siehe z.B. hier.

2011/12 und 2020

Bleibt die Frage, ob europäistisch gesinnte heutige Politiker bona fide eine sich unverhofft bietende Chance nutz(t)en,

oder ob das sichtbare politische Verhalten auf für die Öffentlichkeit unsichtbare sinistre Wirkmechanismen zurück geht.

Heute, im Sommer 2020, ist jedenfalls ziemlich klar, dass die (bisherige) “Pandämie” ein statistisch-administratives Artefakt darstellt.

Die “glühenden Europäer” des Jahres 2011 dagegen haben (hätten) der Mitwirkung der “Politikmacher” der EZB oder anderer Notenbanken bedurft,

um der Euro-Krise den gewünschten Verlauf zu geben – zum Beispiel über eine Modellierung des Renditeauftriebs ausgewählter Staatsanleihen.

Der scheinbar urwüchsige Anstieg kam genau zu jenem Zeitpunkt zum Stillstand, als der Widerstand gegen Bail Outs in den Geber-(Garantie-)Nationen gebrochen und/oder unliebsame Politiker in potenziellen Empfängerländern entfernt waren (Papandreou, Berlusconi).

Das Kapitel Die sinkende Zinsjungfrau im für diesen Blog Namen gebenden Text “Staatsstreich in Zeitlupe” beschäftigt sich mit einigen dieser Vorgänge.

Bild: European Parliament / CC BY (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0), via Wikimedia Commons

Unabhängiger Journalist

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