In Wien hat Freitagabend eine Kundgebung selbst ernannter Humanisten stattgefunden. Geschätzte 4.000 bis 6.000 Menschen demonstrierten “gegen Ausländerfeindlichkeit” und gedachten dabei der kürzlich verstorbenen Philanthropin Ute Bock. Der Ausdruck Gutmensch sei “kein Schimpfwort, sondern eine Auszeichnung”, hieß es in einer der Reden. NB zum Unterschied zwischen 1993 und 2018.
Die Kundgebungsteilnehmer bestanden typischerweise aus studentischen Paaren mit Wollmützen, “mittelalterlichen” Männern und Frauen vom Typus engagierte Lehrer und vereinzelten “Personen südländischen Aussehens” (von denen zumindest die Männer zu leicht bekleidet waren).
Die Kundgebung fand am Heldenplatz statt. Ihr Zentrum lag ungefähr beim Reiterdenkmal Erzherzog Karls, wo eine Bühne aufgebaut war, und wo für später auch der in unmittelbarer Nachbarschaft amtierende Bundespräsident erwartet wurde.
Die zweite, vor der Nationalbibliothek gelegene Hälfte des Heldenplatzes war noch um etwa 17.30 Uhr, eine halbe Stunde nach Beginn, beinahe völlig leer.
Ein Redner auf der Bühne forderte die Kundgebungsteilnehmer auf, die öffentliche Diskussion über Flüchtlinge nicht zu scheuen.
Eine solche könne man nur gewinnen, “weil jeda liaba a guada Mensch wie-r-a Oaschloch is” (was nach Ansicht dieses Bloggers den Stand des Problembewusstseins gut zusammenfasst).
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Es gibt im Deutschen keinen wirklich treffgenauen Ausdruck für die Vorgänge, die hier stattgefunden haben.
Auf Englisch könnte man sie gut als
bezeichnen – das Zurschaustellen von Tugendsamkeit (V.S. ist der “conspicuous expression of moral values done primarily with the intent of enhancing standing within a social group.”)
Kundgebungen wie diese haben in Wien eine fast auf den Tag genau 25 Jahre zurück reichende Vergangenheit:
Am 23. Jänner 1993 fand auf der Wiener Ringstraße das erste Lichtermeer statt, zu dem “bis zu” 300.000 Teilnehmer gekommen sind, wie Wikipedia schreibt.
Es war eine Reaktion auf das sogenannte Antiausländer-Volksbegehren, mit dem die damalige “Haider-FPÖ” gegen den Zustrom von (echten) Flüchtlingen aus dem gerade zerbrechenden Jugoslawien mobilisieren wollte.
Es soll die größte Demonstration in Österreich gewesen sein, noch größer als die bei Hitlers Einmarsch im März 1938.
Wenn 300.000 Teilnehmer auch ein bisschen hoch gegriffen sind – eine sechsstellige Zahl von Demonstranten ist beim Lichtermeer 1993 wahrscheinlich schon zusammengekommen.
Die heutige Veranstaltung war dagegen höchstens ein Lichter-Teich.
Edit, 2.2., 23.30 Uhr: Ausländerfeindlichkeit statt Menschenfeindlichkeit (Lead).
Nachbemerkung, 3.2.2017, 08.00 Uhr: Ich denke, der Unterschied zwischen 1993 und 2018 ist nicht zu übersehen – und nein, die Hunderttausenden, die damals auf die Straße gegangen sind, waren nicht (alle) “Tugend-Signalisierer”.
Sicher hat schon damals das hiesige Polit-Kartell, das primär interessiert ist, die FPÖ von der Regierung fernzuhalten, einen wesentlichen (Organisations-)Beitrag geleistet.
Der entscheidende Faktor für die Mobilisierung war aber das Gefühl, dass “Nachbarn” bei einem Bürgerkrieg in unmitttelbarer Nähe nicht einfach ihre Haustüre zumachen konnten.
Das wissen Politiker wie Alexander van der Bellen und Heinz Fischer, die am Freitag am Heldenplatz gesprochen haben, sehr wohl. Sie kennen den Unterschied zu heute viel besser als dieser Blogger.
Sie wissen, dass spätestens seit 2015 wahllose Immigration aus dem Nahen Osten und Afrika über den Umweg veralteter, eigentlich nicht anwendbarer internationaler Rechtsakte ermöglicht werden soll.
Und sie wissen, dass “der hiesige Souverän” das mit großer Mehrheit ablehnt.
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