In der konservativen Regierung Großbritanniens bereitet man sich vor, die Abstimmungsentscheidung des britischen Elektorats vom 23. Juni zu vollziehen. Während ein Teil des Kabinetts einen eher symbolischen Schritt bevorzugt, setzen die Brexit-Falken auf einen klaren Schnitt. Verteidigungsminister Michael Fallon wolle beispielsweise alle Bindungen zu Brüssel abbrechen, heißt es im aktuellen Sunday Express. NB zur Schelling’schen Prophezeiung baldiger Brexiteer-Reue.
Das ist natürlich auch Brustgetrommle, wie es vor allen richtigen Verhandlungen stattfindet, getreu dem Motto: Seht her, ihr könnt uns nichts. Eine spiegelbildliche Rollenverteilung ist in Brüssel und im Rest des zentralistisch orientierten Kontinents entstanden.
It is not hard or soft, it is full Brexit. We are leaving the European Union”,
zitiert der Express den Politiker.
Sir Michael deutet dabei an, dass ein Abtausch des Offenhaltens der britischen Grenzen für EU-Bürger gegen die Beibehaltung einer Freihandelszone für London keine Option sei.
Die derzeitige Regierung mache bezüglich der Brexit-Vorbereitungen einen langsamen Eindruck, weil ihre Vorgängerin unter David Cameron für den Verbleib gewesen sei und daher keine Brexit-Pläne geschmiedet habe, sagte er. Man sei erst dabei, die Verhandlungsstrategie auszuarbeiten.
Er, Fallon, sei optimistisch, was die wirtschaftliche Zukunft des Landes außerhalb der EU betreffe. “Es werden sich große Gelegenheiten bieten, aber wir müssen auf eine Art abgehen, die den heute bestehenden Handel mit dem Rest der EU nicht gefährdet.”
Befeuert wurden diese Bemerkungen offenbar auch durch die Pläne zur Bildung einer gemeinsamen (kontinentalen) EU-Armee. Die EU wolle eine eigene Armee, sei großteils aber nicht einmal willens ihre Rüstungsverpflichtungen in der NATO zu erfüllen, ätzte Fallon (zwei Prozent des BIP).
Ein Ausscheiden aus der Freihandelszone mit der Union würde die britische Finanz- und Exportwirtschaft tatsächlich hart treffen – 44 Prozent aller Waren und Dienstleistungsexporte gehen in die EU.
Aber erstens schrumpft die Wichtigkeit des EU-Handels rapid und zweitens liefert die EU deutlich mehr an Großbritannien als umgekehrt.
Das macht sie verwundbarer. Würden wieder Zollmauern errichtet, würden die Exportbranchen am Festland stärker getroffen – allen voran die deutsche Autoindustrie.
Im vergangenen Jahr hat das Handelsdefizit der Insel gegenüber der EU etwa 70 Mrd. Pfund betragen. Im ersten Quartal des heurigen Jahres waren es allein schon fast 24 Milliarden.
Bild: Government of UK, Wikimedia Commons
Nachbemerkung, 2.10.2016, 13.00 Uhr: Hab erst jetzt bemerkt, dass sich auch der österreichische Finanzminister in die Debatte eingeschaltet und in London prophezeit hat, UK werde jetzt zwar aussteigen, diesen Schritt aber bereuen und in 10 oder 20 Jahren wieder beitreten.
So etwas sagen die EU-Fans immer, wenn etwas zurückgewiesen wird, was für sie selbst heilig ist.
Dieses Gerede dient offenbar der Bewältigung der erlittenen narzisstischen Kränkung.
Mir ist noch gut in Erinnerung, wie man 1992, beim EWR-Nein, der Schweiz vorausgesagt hat, dass sie in vier oder fünf Jahren auf Knien wieder angerutscht käme….
Naja, unsere EU-Fanboys haben halt ein besonderes Faible für Geschichte à la Holzschnitt sowie seltsame historische Analogien.
Hans Jörg Schelling erwähnte zum Beispiel, dass die Briten 1973, als sie beitraten, als der kranke Mann Europas gegolten hätten, heute aber eine prosperierende Volkswirtschaft unterhielten.
Der gute Mann scheint daraus abzuleiten, dass das geschehen sei, weil England dem ökonomischen power house EU beigetreten ist.
Kommentar überflüssig.
Das mit dem Wachstumsmotor EU hat jedenfalls nicht einmal mehr zu dem Zeitpunkt gestimmt, als UK die EFTA mit der EG-Mitgliedschaft vertauscht hat.
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