In zwei österreichischen Bundesländern ist am Sonntag der Landtag gewählt worden und wie üblich haben die zwei ehemaligen Großparteien kräftig Stimmen verloren. Das ist nichts besonders Newswürdiges – halt die jüngste Teilabrechnung, die SPÖVP für ihren historischen Verrat an der Republik sowie ihre laufende Reformgaukelei präsentiert bekommen. Zu befürchten steht nur, dass die Volksparteien ihr Zerstörungswerk bis ans bittere Ende fortsetzen.
Dieses wird erst dann erreicht sein, wenn z.B. nur mehr 30 Prozent zur Wahl gehen und Sozen und Schwarze auf die parlamentarische Unterstützung durch kleine, seriöse Satellitenparteien angewiesen sind, um regierungsfähige Mehrheiten zu bilden. So mag auch das Szenario aussehen, das zynische Strategen in Löwelstraße und Lichtenfelsgasse fernplanen. Ob das Parteigesocks mitsamt seinen Planern dann noch gebraucht wird, steht auf einem anderen Blatt.
Dann könnte nämlich der Zeitpunkt gekommen sein, an dem es heißt: Dankeschön und auf (Nimmer)Wiedersehen ! Danke für das kompetente Runieren der republikanischen Staatsform – den Rest erledigen wir selbst !
Die fromme Selbsttäuschung beispielsweise der steirischen Verlierer-Politiker besteht darin, dass das Ergebnis als Folge eines harten, aber ehrlichen Reformkurses interpretiert wird, mit dem der größten, angeblich einzigen populistischen Partei Stimmen zugetrieben wurde: Sorry, Volk, aber das war jetzt einfach notwendig. Die Medien bekräftigen sie in dieser Analyse pflichtschuldigst.
Das ist es aber nicht. Die Analyse wird spätestens dann fragwürdig, wenn man einen Vergleichsblick auf das Wahlergebnis aus dem Burgenland wirft. Dieser zeigt: der Trend im reformpartnerlosen Burgenland ist der gleiche (dort geht die Entwicklung eben etwas schaumgebremst vor sich).
Man kann natürlich auch einen Blick in die Tiefe der Zeit tun; sich also zum Beispiel fragen, wie eigentlich die historische Normalität ausgesehen hat.
Dabei zeigt sich Folgendes: Bis in die 1980er, bis zum Beginn des hier geschilderten Salamischeiben-Staatsstreichs haben ÖVP und SPÖ in Graz immer +/-90 Prozent bekommen (natürlich zusammen). Die Wahlbeteiligung lag ebenfalls bei 90 Prozent und höher.
Seit Beginn der 1990er-Jahre lag die Normalität zunächst bei 80 Prozent – und das hielt bis 2005 an, 2010 setzte es eine erste Schlappe . Das bis dahin einzige ungewöhnliche Element war der Positionswechsel im Jahr 2005, als die von Schwarz-Blau ermüdeten Steirer erstmalig einen sozialdemokratischen Häuptling wählten.Davon abgesehen änderte sich praktisch nichts. Steirer-ÖVP und steirische SPÖ bekamen im Jahr 2000 zusammen 79,61 Prozent der Stimmen, 2005 kamen sie auf 80,33 Prozent (Wahlbeteiligung knapp 75 Prozent).
Heute liegen dieselben Parteien bei (vorläufig) 57.73 Prozent (62 Prozent Wahlbeteiligung). Die FPÖ hat sich mehr als verdoppelt und die beiden kleinen Satellitenparteien haben von sieben (2000) auf heute neun Prozent zugelegt.
Die Grazer Volksparteien haben sich nur der bundespolitischen Normalität angenähert, die durch einen abrupten Bruch in der Identitätspolitik geprägt wird. Siehe dazu dieses Kapitel meines Haupttexts und diese beiden Tabellen:
In der einen Hinsicht ist es in der grünen Mark heute noch nicht ganz so problematisch wie im Bund, in einer anderen ist es sogar noch schlimmer.
Wenn sich die Steirer Voves und Schützenhöfer mit Faymann und Mitterlehner vergleichen, dürfen sie sich auch heute noch, im Juni 2015, auf die Schultern klopfen – denn die Bundesparteien kamen zuletzt auf zusammen nicht einmal 51 Prozent. Der zweite Unterschied ist grün-pink gestreift. Auf Bundesebene haben Grüne und NEOS zusammen gut 17 Prozent erreicht.
Damit haben SPÖVP überregional noch Bündnisgenossen im Ärmel, die Steirer aber nicht. Dafür können die Grazer Reformpartner noch acht bis 10 Prozentpunkte verjuxen ehe sie sich einen weiteren Reformpartner zulegen müssen.
Der eigentliche Grund für die Misere liegt aber nicht in irgendwelchen unpopulären Maßnahmen - weder regional noch überregional. Der fall out konkreter Reformen und auch der allgemeine politische Verschleiß könnte sich in überschaubaren, zu managenden Grenzen halten.
Der Grund für den Niedergang der regionalen Volksparteien liegt woanders. Er wurzelt in der Komplizenschaft der Landesparteien mit dem bundespolitischen Konsensus der vier nicht-populistischen Kartellparteien.
Leute, die gerne im Ungefähr denken, pflegen das in eine aus dem 19. Jahrhundert stammende Links-/Rechtsmatrix einzuordnen (ich halte das für nicht erkenntnisfördernd – aber jede/r soll mit den Schubladen leben, die für ihn/sie am bequemsten sind).
Im Zentrum des erwähnten Wiener Konsensus stehen wortreich beschworene Notwendigkeiten und außer Streit stehende moralische Imperative, die in Wirklichkeit weder das eine noch das andere sind.
Zum Beispiel der Komplex “Euro/politische EU-Integration”, wo sich sogenannten Volksparteien ein Schurkenstück geleistet haben, das noch nicht einmal ansatzweise aufgearbeitet ist. Liberale und Grüne waren großteils nicht dabei, sind aber glühende Europäer und als solche gamsig drauf auszuhelfen. Vieles liegt hier weit zurück, scheint paradoxerweise aber immer stärker an Bedeutung zu gewinnen.
Zum Beispiel die Aufnahme von Asylanten, wo radikalmoralische Satellitenparteien und ebensolche Immigranten-Lobbys Bundes-SPÖ und Bundes-ÖVP vor sich hertreiben. Nach Jahrzehnten einer penetranten Mitleidsmasche und sowie einer gründlich gescheiterten Integrationspolitik haben breite Schichten ein Nulltoleranz-Stadium erreicht, verständlicher-, aber bedauerlicherweise. Die Absetzbewegungen der Regionalparteien wurden als taktische Manöver durchschaut.
Und schließlich – man glaubt es kaum – haben die Leute genug davon, ausgeplündert zu werden -. auch die Steirer und auch die Burgenländer. Die Rede ist nicht nur und nicht einmal primär von den Steuersätzen. Die Rede ist von einem ganz speziellen Themencocktail, das sich seit ein paar Monaten zusammengebraut hat. Es reicht von den Negativzinsen (auf Haben) bis zur Konteneinschau ohne Gerichtsbeschluss und vom Ende der Sparbuchanonymität bis zur Bargeldabschaffung.
Es sind Diskurse, die teilweise Jahre in die Zukunft weisen – das Publikum ist aber nicht mehr naiv genug, die scheinbar zufällig und zusammenhanglos aufpoppenden Debatten für isolierte Wahnvorstellungen aus dem Elfenbeinturm zu halten. Halb intuitiv haben die Leute verstanden, dass man sie schrittweise enteignen will, um ein auf die Dauer nicht haltbares Finanzsystems abzustützen.
“Aus dem Bauch heraus” verstehen sie, dass das von der eigenen politischen Klasse betrieben wird. Und zu dieser gehören nun einmal auch die Genossen und Freunde aus Graz und Eisenstadt.
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