oil glut oder Ende des Petrodollar

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Faisal, Nixon, Mrs. Nixon, 1971

Hinter dem Überangebot von Erdöl, das den Preis des Schwarzen Golds immer stärker unter Druck bringt, verbirgt sich möglicherweise was ganz anderes: der Versuch, eine vierzig Jahre alte Finanzarchitektur so kontrolliert wie möglich abzureißen – das System eines mit Erdöl gedeckten Dollar. Ob ein Esperanto-Medium oder Gold (oder beides) nachfolgen wird, lässt sich ohne Script nicht sagen, in dem die Rollen der Spieler in Washington, Basel, Moskau und Peking stehen.

Beobachter, die Geschichte mit allzu breiten Pinseln malen, datieren den Beginn des bis heute herrschenden Währungssystems in das Jahr vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, auf die sogenannte Konferenz von Bretton Woods. Das ist aber nur oberflächlich richtig – nur insofern, als der US-Dollar 1944 die Nachfolge des Britischen Pfunds als internationale Leitwährung angetreten hat.

Das aber nur nominell – das Ding, das zwischen 1944 und 1971 mit dem Begriff US-Dollar bezeichnet wurde, ist ein ganz anderes als jenes, das seit 1974/75 darunter verstanden wird.

Zu diesem Zeitpunkt kam es zu einem sagenumworbenen Deal zwischen dem saudischen König Faisal und US-Außenminister Kissinger, in dem die Amerikaner der Königsfamilie Schutz gegen (äußere) Feinde zusicherten und im Gegenzug dazu ihren Dollar als Monopolwährung für den Kauf der Schlüsselressource Nummer Eins, des Erdöls, verankern ließen. Teil des Deals waren wohl auch die amerikanische Zustimmung zur Verstaatlichung der Erdölgesellschaften sowie die nukleare Bewaffnung des Landes.

In welchen Teilschritten das alignment erfolgte, ist im Detail nicht bekannt.

Rückblickend scheint’s, als wären die Anfänge des Deals nicht erst nach dem Yom Kippur Krieg bzw. dem Ende des Öl-Embargos im Frühjahr 1974 gemacht worden.

Die Anfänge reichen tief in die Nixon-Zeit zurück, womöglich bis 1971 – man wird es nie erfahren.

Der einzige bis heute überlebende Involvierte, Henry Kissinger, wird sich hüten, aus dem Nähkästchen zu plaudern. Zu viel von dem, was er dazu sagen müsste, würde der offiziös zusammengestoppelten (hi)story, dem bis heute gepflegten Geschichtsbild widersprechen.

Die Fragen, die dabei aufbrechen könnten, sind u.a.: War Kissinger selbst war broker bevor er die Rolle des peace brokers übernahm? Oder: War das Embargo Teil eines politischen Theaterstücks, das Nixon/Ford und König Faisal jeweils für ein heimisches Publikum spielen mussten, um zu erreichen, was sie beide anstrebten – wofür sie aber nicht offen als Verbündete auftreten konnten? Oder: Wie überrascht waren die Israelis von der Attacke wirklich?

Bilderberg in Saltsjöbaden

Mehrere Zeugenaussagen legen nahe, dass Kissinger eine starke Erhöhung der Ölpreise wollte, beispielsweise eine des damaligen arabischen Ölministers, Scheich Yamani, siehe hier (eigene Übersetzung):

An dieser Stelle macht Yamani eine außerordentliche Aussage: Ich bin 100 Prozent sicher, dass die Amerikaner hinter der Ölpreiserhöhung standen. Die Ölgesellschaften hatten echte Probleme. Sie hatten viel Geld geborgt und benötigten einen hohen Ölpreis um sich zu retten (…) Davon habe ihn der Schwenk des Schah überzeugt, der 1974 eines Tages (…) für höhere Preise argumentiert und die Befürchtung der Saudis nicht mehr geteilt habe, dass eine Ölpreiserhöhung die OPEC gefährden würde, weil sie die Amerikaner verprellen würde.”

Ein Autor, der von den Blauäugigen dieser Welt zu den Verschwörungstheoretikern gerechnet wird, berichtet hier, auf Seite 180 von einer Versammlung auf einer schwedischen Insel, an der 84 Personen des angelsächsisch-transatlantischen Establishments teilnahmen.

Gastgeber des Bilderberger-Treffens 1973 war die Bankiersfamilie Wallenberg. Bei der Versammlung ein halbes Jahr vor Beginn des Yom Kippur-Kriegs wurde die Verknappung der weltweiten Ölversorgung über ein Embargo diskutiert, was zu einer entsprechenden Preisexplosion führen musste. Engdahl beschreibt die absehbare Folge folgendermaßen:

Mit dem Ölpreis mußte also auch die Nachfrage nach US-Dollar ansteigen. Die steigende Nachfrage nach Dollar würde den Druck von ihm nehmen und seinen Wert stützen. Sie würde natürlich auch die Position derer stärken, die Dollar drucken und liefern konnten.”

Der Autor von A Century of War behauptet, er sei im Besitz einer Art Gesprächsprotokoll des besagten Treffens (Seite 165 in der Originalausgabe). Wir wissen nicht, was diese Archivalie wirklich “kann”, aber es ist klar, dass die Preisexplosion von 1973/74 nicht nur Big Oil und den Produzentenländern selbst nutzte (also auch dem Iran). Sie war auch die Voraussetzung, den nun ungedeckten Dollar als Weltreservewährung am Leben zu erhalten.

Es ist ganz einfach: Ja höher der Preis für die Schlüsselressource Erdöl, desto höher die Nachfrage nach der Monopolwährung, mit der man diese erwerben muss. Das Konstrukt erlaubte den Amerikanern nicht nur die Finanzierung ihrer weltweiten militärischen Hegemonie, es ermöglichte auch scheinbar ewige Kapitalzuflüsse, “ewige” Leistungsbilanzdefizite, “kostenlose” Importe und “unbeschränkte” Ausgabe neuer Dollars.

Es war, als hätten die Amis für sich das perpetuum mobile erfunden. So lange dieses System steht, können sie – volkswirtschaftlich gesehen – permanent über ihre Verhältnisse leben, ohne über Konsumentenpreisinflation oder mit abfließendem Währungsgold zahlen zu müssen; Parasitismus für Dummies, könnte man formulieren.

Gewählter ausgedrückt, stellt das Dollar-System ein außerordentliches Privileg dar, das heute selbst für intellektuell Gehandicapte durchschaubar geworden ist; ein System, das inzwischen an allen Ecken und Enden der Welt auf Opposition und organisierten Widerstand durch nachrückende Mächte wie Russland und China stößt (wie lange sich die Volksrepublik, die am alten Modell partizipiert und eine Menge zu verlieren hat, neutral-abwartend verhält – verhalten kann -, wird sich zeigen).

***

Es ist ein kleines Wunder, dass – von periodisch produzierten Krisen abgesehen – noch nichts Katastrophales im Weltmaßstab passiert ist. Das ist möglicherweise auf “solidarisches”, kollektives Agieren auch durch die Kritiker des Petrodollar zurückzuführen. Ich weiß es nicht und kann es auch nicht wissen. Ich nehme nicht an Treffen teil, in denen öffentlich nicht erhältliche Information zu diesem Thema ausgereicht wird. Gott sei Dank.

Es scheint aber klar,

  • dass die Leitwährung US-Dollar in absehbarer Zeit ausgewechselt werden muss und dass die Vorbereitungen dafür seit wenigstens 15 Jahren im Laufen sind.
  • Ebenso klar ist, dass sich ein Teil der US-Elite mit Zähnen und Klauen dagegen wehrt – auch um den Preis eines weltweiten Kriegs -, während ein anderer Teil  das nationale Überleben/eine schnelle Erholung auch nach dem Verlust des exorbitanten Vorrechts vorbereitet.
  • Man sieht, dass sich Europa unter Führung des Lügenbarons und Graf Draghulas den US-Hardlinern angeschlossen und darauf verzichtet hat, mit dem Euro einen Thronanspruch auf eine Dollar-Nachfolge zu erheben.
  • Es ist erkennbar, dass das im Rampenlicht stehende, sichtbare Finanzestablishment von Christine Lagarde bis Zhou Xiaochuan eine synthetische Weltleitwährung auf Basis von Sonderziehungsrechten bevorzugt, wobei ein globalisiertes, entamerikanisiertes Federal Reserve Board die bisherige Rolle der US-Zentralbank übernehmen würde. Es wäre eine Weltwährung ohne als solche ausgeschildert zu sein, eine wohlmeinende Diktatur besser wissender IWF-Gouverneure. Es wäre eine Mixtur aus einem Funktionärssozialismus westlicher und einem chinesischer Prägung. Auch wenn unsere Ökonomen auf die dadurch entstehenden Posten und Pöstchen schon ganz geil sind – derlei kann unmöglich über längere Zeit funktionieren (und kurz- und mittelfristig nur auf dem Rücken der Realwirtschaft- und gesellschaft).
  • Das Problem ist, dass solch missratene Modelle üblicherweise viel länger leben als die von ihnen in Mitleidenschaft gezogenen Individuen. Nicht jedes Tausendjährige Reich segnet nach 12 Jahren das Zeitliche, aber fast jedes hinterlässt ein rauchendes Trümmerfeld.

Um ein solches für den unvermeidlichen Niedergang des Dollar zu vermeiden, kooperieren heute weltweit monetäre Behörden und Regierungen – beispielsweise mit kollektivem Management von Währungskursen, Medienlenkung oder über das Organisieren friedlich verlaufender militärischer power shifts.

Das ist eine optimistische Sichtweise der Dinge, aber es gibt einige Phänomene, die man mithilfe dieses Rasters so interpretieren kann -  von der langährigen taktischen Pflege des Dollarkurses bis zur selbstschädlichen Mitarbeit an Entstehung und Aufrechterhaltung der aktuellen realen Erdölschwemme.

Foto: Knudsen, Robert L. (Robert LeRoy), [Public domain], Wikimedia Commons

Unabhängiger Journalist

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