Panamapapers: Mehr Lulu als Leak

Die renommierten Publizisten von ORF und Falter sowie weitere 398 internationale Journalisten haben in monatelanger Recherche herausgefunden, dass es Briefkastenfirmen in Panama gibt. Über diese lassen 12 Diktatoren & Staatsmänner, auf die US-Geheimdienste einen Gizzi haben, geheime Geschäfte abwickeln. Die restlichen Staatsmänner haben ihre Firmen eher auf den Caymans und in Nevada. Nachbemerkung, warum sich der isländische Briefkasten-Premier auf der Liste befinden könnte.

Nach dem, was bisher sichtbar geworden ist, handelt es sich weniger um das größte Datenleck der Welt- denn um die größte Selbstvermarktungsaktion der Mediengeschichte.

kleptocracyEs könnte sich freilich auch eine Werbeinitiative für dieses 2015 erschienene Buch sein: Karen Dawisha, Putins Kleptocracy: Who owns Russia?

Dessen Hauptthese ist, dass der russische Präsident Capo di tutti capi der dortigen Organisierten Kriminalität ist.

Putin steht an der Spitze einer Gruppe befreundeter Oligarchen, die deshalb auch mit staatlichem Sanktus und mehr oder minder legal in die eigene Tasche wirtschaften können.

Das primäre Problem könnte freilich auch darin bestehen, dass anderen, nicht genehmen Oligarchen ihr mit fragwürdigen Methoden errichtetes Firmenimperium abgejagt worden ist und diese außer Landes getrieben wurden – sowas kann unheimlich schlechte Presse machen  :mrgreen: .

Wie dem auch sei: Die Aufmachergeschichte der Süddeutschen, der die Panama-Papiere zuerst zugespielt wurden, liest sich wie eine gekürzte und aktualisierte Version von Dawishas Putin’s Kleptocracy.

Man erfährt in dieser Zeitung, dass nicht aus Russland vertriebene Oligarchen - z.B. Arkadij Rotenberg – Millionen über offshore companies fließen lassen und dass ein berühmter Cellist, der ein (legales) Jahreseinkommen von mehr als einer Million Schweizer Franken hat, gleich drei Briefkastenfirmen besitzt.

Bezeichnenderweise war besagter Sergej Roldugin im Jahr 1985 auch Taufpate von Putins erster Tochter.

Damit man aber nicht sagen kann, dass die Enthüllungen nur das Umfeld von Putin, Chinas Xi Jinping und Syriens Baschar al Assad treffen, findet sich in der Liste der Briefkasten-Diktatoren auch Petro Poroschenko, der Präsident der Ukraine, ein milliardenschwerer Schokoladeproduzent. Also einer von den Guten.

An dieser Stelle kommen auch der Österreich-Bezug und der lokale Teil des Investigativen Netzwerks ins Spiel, ORF und Falter.

RBI, die Osteuropabank von Raiffeisen, hat nämlich einer Poroschenko-Firma 100 Mille Kredit gegeben und als Sicherheit dafür Bankeinlagen einer in Panama gegründeten Briefkastenfirma genommen.

Das könnte zweifellos ein Fall von Geldwäsche sein, zum Beispiel dann, wenn der wirtschaftliche Eigentümer der Briefkastenfirma Poroschenko ist, wenn dessen ukrainische Firma den Raiffeisen-Kredit nicht mehr bedient und die RBI sich das Pfand für diesen holt; dann hätten sowohl Poro als auch RBI blütenweißes Geld von untadeliger Herkunft.

Das wissen wir aber nicht, weil die Recherchen des Investigativen Internationalen Journalistenteams (noch?) nicht so weit reichen.

Bis zur endgültigen Klärung des Sachverhalts nehmen wir also zur Kenntnis, dass die RBI-Bank erklärt, rechtskonform gehandelt zu haben (dass sie aber nicht die Wirtschaftspolizei ist) und dass die Unschuldsvermutung gilt, alles in allem.

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Um nicht missverstanden zu werden: Ich bin für Enthüllungen, gern auch massenweise. Ich bin pro leak – ohne Wenn und Aber.

Oder halt ! Doch mit Wenn und Aber: Sofern mir solche Leaks nicht nur kostbare Zeit stehlen. Zehntausende gescannte Pässe und Gründungsdokumente tun aber genau das.

Das Leak ist gigantisch, wie überall geschrieben wird und muss daher schon deswegen wahrgenommen werden, weil er ein Medienphänomen ist.

Der Laie kann sich nicht im Traum vorstellen, wie viele Briefkästen eine Anwaltsfirma wie Mossack Fonseca seit 1970 hat gründen können !

Mega-hyper, und alle ihre Kunden wollten so wenig Steuern zahlen wie möglich.

Wahn – sinn.

Mal sehen, ob aus 200.000 Dokumenten noch einmal so etwas wie eine echte Story wird – ich meine eine, die nicht unter Leute/Society abgedruckt werden muss (müsste).

Ich werde dann berichten. Die Öffentlichkeit lässt sich gern positiv überraschen.

Nachbemerkung, warum sich der isländische Briefkasten-Premier auf der Liste befinden könnte, 4.4. 2016, 11.30 Uhr: Vielleicht, weil Island Briten und Niederländer 2008 bei den Bankeinlagen diskriminiert hat, seine Banken pleite hat gehen lassen und Bankster & Politicos ins Gefängnis gesteckt hat?! Oder weil sie bemerkt haben, man könne Militärflughäfen nicht nur der NATO, sondern auch den Russen zur Verfügung stellen?

Ist natürlich nur so eine krude Verschwörungstheorie. Die Wahrheit ist wohl, dass sich Leute wie Sigmundur David Gunnlaugsson nicht nur mit den falschen Leuten anlegen, sondern auch naturblöd sind.

Unabhängiger Journalist

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