Die Internationale Energieagentur, eine Organisation von 31 OECD-Staaten, hat am Dienstag eine suspekte Behauptung Moskaus wiederholt und ihr damit eine Art “westliches Gütesiegel” verpasst – siehe FT und Moscow Times – obwohl sie eigentlich über ausreichend “Expertise” verfügen müsste um zu wissen, dass derlei praktisch kaum möglich ist. Nicht genug damit, fordert der Russland angeblich feindlich gesonnene “EU-Außenminister” Maßnahmen gegen Indien, weil dieses “Sanktionen” umgehen helfe. Die Frage ist: Was geht hier vor? Auch die EU kann das nicht für bare Münze nehmen, weil einer ihrer Think Tanks erst vor zwei Monaten genügend Daten aufbereitet hat, um aktuelle russische Behauptungen ins Reich der Fabel zu verweisen.
Die Rede ist von Bruegels “Russian Crude Oil Tracker”, der am 13. März 2023 veröffentlicht wurde.
Dieser zeigt, dass die RF vor den Sanktionen, 2021, monatlich 6,3 Mio. Tonnen russisches Rohöl auf dem Seeweg (“seaborne”) sowie 3 bis 3,5 Mio. Tonnen per Druschba in die Union geliefert hat (Figures 1 und 4).
Davon blieben bis heute nur mehr marginale Größen übrig – ein bisschen was im Schwarzen Meer, was leicht über Novorossyisk bewerkstelligt werden kann sowie noch immer beträchtliche 1,7 Mio. Tonnen über die Druschba (Stand Jänner 2023, Figure 4 in der interaktiven Grafik): also etwa 1,3 Mio.Tonnen auf dem Seeweg und 1,7 Mio. Tonnen monatlich über die Druschba.
Das sind seit 5. Februar etwa 750.000 Barrel pro Tag gegenüber 2,4 Mio. vor den “Sanktionen”.
Einschub: Die Konversion von metrischen Tonnen (monatlich) zu Millionen Barrel (am Tag) ist in Ermangelung schnell greifbarer “primärer” Statistiken errechnet. Dabei werden folgende Ansätze verwendet: 1 metrische Tonne entspricht etwa 7,5 Barrel (Umrechnung IPAA) und ein Monat hat 30 Kalendertage.
Indien hat laut Bruegel-Daten 2021 monatlich 400.000 Tonnen russisches Crude importiert (Figure 1), was ca. 100.000 Barrel pro Tag entsprach. Im April 2023 waren es laut IEA bzw. Russland 2 Millionen Barrel am Tag (was pikanterweise von der FT berichtet wird).
Die Differenz (2 mbd im vergangenen April minus 0,1 mbd im Schnitt 2021) ist größer als die aktuelle Minderlieferung Russlands in die EU aufgrund des Ukraine-Kriegs bzw. der Saktionen (etwa 1.5 mbd).
Weil es aber keine direkte Pipeline zwischen Russland und Indien gibt, müssten täglich zwei ziemlich voll beladene Suezmax-Tanker mit russischem Rohöl den Kanal passieren.
Das ginge kaum von Leningrad/St. Petersburg aus, aber vielleicht aus dem Schwarzen Meer.
Wenn eine Tanker-Reise zwischen Rossyisk und Mumbai aber etwa einen Monat dauert (was ein günstiger Ansatz ist), erforderten zusätzliche – sagen wir der Einfachheit halber – 2 Millionen Barrel pro Tag 2 x 30 x 2 (hin und zurück) = 120 Suezmax-Tankschiffe (oder entsprechend mehr kleinere)
- alles unter der Voraussetzung, dass
- so viel Öl via Pipeline überhaupt nach Rossyisk geliefert werden kann (mit kasachischem Öl wahrscheinlich möglich) sowie
- dass bei Transport und Be-/Entladung alles wie am Schnürchen klappt.
Und wer das alles noch immer glaubt, dem hätte dieser Blogger eine Brücke zu verkaufen.
Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.