Eineinhalb Jahre nach den Panama Papers sorgt ein neues angebliches Datenleck für inszenierte Aufregung: Die Paradise Papers, an denen sich internationale Journalisten Monate abgearbeitet haben, enthüllen was alle schon immer gewusst haben: dass Firmen “steuerlichen Gestaltungsspielraum” haben, Normalos aber nicht. Unseren Journos scheint man eine Einordnung der in den Oasen entstehenden Einnahmenentgänge nicht zumuten zu können - dass diese nämlich gerade 1% der Steuern und Beiträge ausmachen.
Das ist so lächerlich, dass sogar dieser “eher wirtschaftsliberale” Blogger sich nicht vorstellen kann, dass es sich um alles handelt.
Und doch wird diese Gößenordnung von einem von den Journos zu Rate gezogenen “Experten” genannt.
Genauer:Es handelt sich nicht um einen, sondern den Experten in Sachen Steuerflucht:
Gabriel Zucman, einen in Berkely lehrenden Ökonomen und Autor des Buches The Hidden Wealth of Nations. The Scourge of Tax Havens.
Zucman erläutert der Süddeutschen Zeitung, dass den EU-Staaten durch Karibik, Kanalinseln & Co. Ausfälle bei Unternehmenssteuern in Höhe von jährlich 60 Milliarden Euro entstünden, wovon 17 Milliarden auf Deutschland entfielen.
Die Journos diese Blattes, ahnungslos und/oder hinterlistig wie sie zu sein scheinen, verballhornen gleich im Untertitel den Rechenwert – und zwar folgendermaßen (eigene Hervorhebung):
Die Einnahmen der Bundesrepublik könnten ohne Steueroasen 32 Prozent höher liegen als bislang.”
Weiter unten steht’s dann richtig(er):
Die Einnahmen aus Körperschaftsteuer könnten 32 Prozent höher liegen als bislang. In Frankreich liegt der Wert bei 25 Prozent, in Großbritannien bei 20 Prozent.”
Offensichtlich haben die SZ-Journos keinen blassen Tau vom Thema, über das sie schreiben;
offensichtlich ist ihnen nicht klar, dass in Deutschland von den 1.212 Mrd. Euro, die jährlich an Steuern und Beiträgen kassiert werden, nur 71,7 Milliarden, also etwa 6 Prozent aus Unternehmenssteuern stammen (Zahlen 2015).
In der EU sind es nach Angaben von Eurostat 5.878 Mrd. Euro insgesamt und 364 Mrd. Euro an Unternehmenssteuern. Also etwa 6,2 Prozent der Staatseinnahmen oder 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Anscheinend gibt Zucman mit seinen 60 Milliarden Euro also nur jene Summe an, die den Steuerbehörden bei den Unternehmenssteuern entgeht.
Dieser Wert entspricht übrigens auch der Größenordnung, die Zucman auf Seite 53 seines Buchs gibt.
Es stellt sich also die Frage, ob der Entgang bei der Unternehmensbesteuerung wirklich alles ist und ob die tax havens nicht z.B. auch in der individuellen Einkommensbesteuerung fiskalische Löcher reißen (was möglicherweise nur schwer zu berechnen ist).
Dieser Blogger, der eine Laie ist, kann diese Frage nicht beantworten.
Fazit
1.) Manche Journos – auch welche von sogenannten Qualitätszeitungen – reden über wirtschaftliche Sachverhalte wie der Blinde von der Farbe. Der kürzlich verstorbene Debitist und Forenbetreiber Jürgen Küssner pflegte derlei ironisch zu kommentieren: “Es blamiert sich halt jeder, so gut er kann.” (damit ist übrigens Zucman nicht mitgemeint, nicht notgedrungen)
2.) Mit dem Schließen von “Schlupflöchern” oder gar einer substanziellen Erhöhung der Unternehmensssteuern ist für den zeitgenössischen Steuerstaat offensichtlich kein Blumentopf zu gewinnen.
Unsere demokratisch gewählten Steuerherren können höchstens versuchen, durch Einengung von “Gestaltungsmöglichkeiten” und/oder mit hohen Vermögensssteuern “das Melken” von Großverdienern erfolgreicher zu machen (was uneingestanden wohl sowieso angestrebt wird).
Das würde aber bedeuten, dass ein paar zehntausend “Reiche”, die schon jetzt den Großteil der Einkommensteuern zahlen, noch stärker belastet werden. Dass so etwas noch als “fair share” an der Steuerleistung durchgehen kann, darf bezweifelt werden.
3.) Dass die angeblichen Leaks primär oder gar ausschließlich der Initiative uninformierter Journos zu “verdanken” sind, erscheint extrem unwahrscheinlich.
Hinter den “Papers” sind andere, politische Kräfte am Werk – Akteure, die man ohne nachzudenken als “linkspopulistisch” bezeichnen müsste – drängten sich dabei nicht sofort zwei Fragen auf:
- “Wieso links”?
- “Wieso populistisch”?
Sagen wir es so: Die Akteure, von denen die Rede ist, wollen den Eindruck erwecken,
- dass man “bei den Reichen” nur an der Steuerschraube zu drehen bräuchte, um den Finanzierungsschwierigkeiten überladener europäischer Wohlfahrtsstaaten zu begegnen und
- dass nur die “Armen und Dummen Steuern zahlen”, die Reichen hingegen nicht.
Das ist – wenn man diesen Begriff “pragmatisch” definiert – Populismus pur: nämlich das Propagieren einfacher Rezepte zur Lösung komplexer Probleme.
Literatur: Gabriel Zucman, The Hidden Wealth of Nations. The Scourge of Tax Havens. 2015
Bild: Eigene Grafik
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