CO2-Explosion 2016: Das Beispiel einer Lüge guter Gesinnung

Groß ist der Jammer über das postfaktische Zeitalter, in das die Welt seit der Wahl Donald Trumps eingetreten sein soll – wobei sich am meisten jene zu echauffieren scheinen, die ihnen genehme, “gute Lügen” am eifrigsten nutzen. Hier das Beispiel einer solch noblen Unwahrheit und wie sich diese sukzessive entfaltete – aus einem unspektakulären wahren Kern zur (empfundenen) Schreckensnachricht “Im vergangenen Jahr ist die Menge des Kohlendioxids in der Luft geradezu explodiert!” NB zur hauseigenen “Klimaposition”.

Die fragliche Meldung trat dem österreichischen Zeitungsleser z.B. im Standard folgendermaßen entgegen:

UN: Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre stieg 2016 im Rekordtempo (…) Knapp vor der Klimakonferenz in Bonn drängen neue Zahlen zu rascher Umsetzung des Klimavertrags (…) Die Konzentration von Kohlendioxid (CO2) in der Erdatmosphäre ist 2016 auf ein Rekordniveau gestiegen. Darüber informierte die UN-Weltorganisation für Meteorologie (WMO) am Montag. Der Anstieg im vergangenen Jahr war um 50 Prozent höher als der Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre.”

Die News beruhte “in letzter Instanz” auf einer Aussendung der Weltorganisation für Meteorologie , die den Standard über zwei Agenturmeldungen erreichte, die von einem Mitarbeiter der Zeitung zusammengefasst wurden – “technisch korrekt”.

Praktisch wortident fiel die am gleichen Tag erscheinende Meldung der BBC aus, deren Autor (vorgeblich) deren Umweltkorrespondent Matt McGrath war.

In dieser Erscheinungsform stach sie dem schottischen Energie- und Klima-Blogger Euan Mearns ins Auge, der sie – über die Jahre skeptisch geworden – zunächst für blanken Unsinn hielt, der nur publiziert worden sei um Angst und Schrecken zu verbreiten (“scare story”).

Eine normale Anomalie

Er begann, die in der BBC gemachten Angaben zurückzuverfolgen und stieß auf Unerwartetes. Der “dürre Nachrichtenkern” war richtig.

To my surprise the ’50% higher than the average of the past 10 years’ appears to be correct (Figure 1). The mean dCO2 2006-2015 was 2.1 ppm. The 2016 figure of 3.4 ppm is indeed 62% higher than the prior 10 year mean.”

Seine weiteren Nachforschungen (die geschätzte zwei bis drei Arbeitstage beanspruchten) erbrachten das Ergebnis, dass es in den vergangenen fünf Dekaden (fast) immer einen besonders starken Zuwachs von CO2 gegeben hatte, nachdem ein starker El Niño – ein natürliches Phänomen – stattgefunden hatte.

So wie 2016.

In der Folge meint Mearns (eigene Hervorhebung),

we can conclude that the CO2 spike is entirely down to the 2016 El Niño and that set against a rising baseline there was nothing unusual about it.”

In der darauf folgenden Diskussion seines Postings bzw. von dessen Anlass nimmt Mearns die BBC mehrfach in Schutz:

Once again I think we need to fault the science community, in this case the WMO, for presenting stats in an alarmist way. The BBC are simply reporting what should be an impecable source. When I first read this 50% stat I thought it was BS.”

Er wird dabei von einigen Foristen unterstützt.

Sitzt der Nachrichtenmanipulator in diesem Fall also nur in der UNO? Sind die Medien unschuldig?

Dieser Blogger erlaubt sich da Zweifel, denn es ist schon so, wie Mearns selbst feststellt:

Reporting record high CO2 is about as news worthy as reporting record high population.”

Die Zeitungen und Agenturen wissen im Regelfall, dass “die neuen Bevölkerungsrekorde” (per se) keinen Nachrichtenwert aufweisen und auch, dass Aussendungen wie die der WMO in engem Zusammenhang mit bevorstehenden politischen Ereignissen stehen.

Im speziellen Fall war der “Zweck der Übung” unmöglich zu übersehen.

Trotzdem veröffentlichten die Medien einen Text, der bei durchschnittlich informierten Laien apokalyptische Assoziationen hervorrufen musste.

Eine Meldung, die nach dem hier beschriebenen Muster gestrickt ist:

“Irreführen statt buchstäblich lügen”.

Die Lügen der “Rechten”

Nun besteht in den USA wohl seit der Präsidentschaft von George W.. Bush auf  “progressiver Seite” eine weit verbreitete Klage;

ein Lamento, dass die von links ausgemachten Feinde: Republikaner, Industrie sowie Homo-und Xenophobe sich der Lüge und Täuschung bedienten, um z.B. gemeinschädliche Wirtschaftspraktiken fortzuführen, ungerechtfertigte Privilegien zu behalten oder politische Vorteile zu ergattern.

Eine Standardsammlung solcher Beschwerden findet sich im 2016, ein halbes Jahr vor der Wahl Trumps, erschienenen Buch Lies Incorporated. The World of Post-Truth Politics.

Es ist eine Art Kompendium der in den vergangenen Jahrzehnten von der “Linken” proklamierten Fakten und Anti-Fakten. Ein Kanon von Behauptungen, denen auch in Europa in fast jeder Redaktion und bei 80 bis 90 Prozent aller politischen Parteien zugestimmt würde.

Die Hauptthese besagt, dass es eine wachsende Industrie gebe,

that exists to create and disseminate fictitious public policy ‘facts’ on behalf of business and ideological interests willing to pay for them. These lies are part of a coordinated, strategic assault designed to hide the truth, confuse the public, and create controversy where none previously existed, with the goal of halting progress.”

Es ist dies ein Buch aus dem Umfeld des – von George Soros finanzierten und den Demokraten nahestehenden – “liberalen Thnk Tanks” Media Matters.

In einzelnen Kapiteln wird u.a. nahegelegt, dass

  • das, was manchmal als “Klimaleugnung” bezeichnet wird, nur eine Art Fortsetzung des Kampfes von Big Tobacco sei, das die Schlacht gegen drohende Anti-Raucher-Gesetze von unehrlichen Wissenschaftern habe führen lassen; dass
  • die Idee, dass ein Übermaß von Staatsschulden die Entwicklung der Wirtschaft behindere, eine  Lüge sei, mit der die ökonomische Erholung behindert würde – u.a. mit dem Argument, dass Korrelation keine Kausalität darstelle (Rabin-Havt, S. 92). Bemerkenswert ist das deswegen, weil derselbe Einwand, wenn er von “Klimaskeptikern” zum Konnex CO2-Erdtemperatur vorgebracht wird, einfach vom Tisch gewischt wird; oder dass
  • es in den USA keinen nachweisbaren voter fraud durch nicht wahlberechtigte Personen gebe und dass es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht angehe, eine einwandfreie Identifizierung der Wähler über ein bundesweites Gesetz sicherzustellen – ein Thema, das auch nach dem 8. November 2016 angeklungen ist.

Nun kann man davon ausgehen, dass in einer solchen Sammlung von Memen, Wahrheiten, Halbwahrheiten und kaum verhülltern parteipolitischen Interessenspositionen auch echte Lügen finden – ebenso wie unbekümmert-freches Für-sich-Reklamieren von Antworten auf noch ungeklärte Streitfragen.

Einfacher ausgedrückt: Die Politik der Lüge, die Rabin-Havt und Media Matters exklusiv “der Rechten” zuordnen, findet sich auch im Arsenal “der Linken” sowie der mit dieser verbündeten Medien.

Die Lügen der “Linken”

Das lässt sich u.a.anhand der US-Wahlkampfberichterstattung bis zum 8. November 2016 zeigen, als der Medien-Mainstream höchst selektiv zugunsten der späteren Verliererin berichtete – siehe dazu u.a. hier;

aber auch in der Coverage über den neuen Präsidenten, die weniger von (wünschenswerter) kritischer Distanz als vom Bestreben dominiert war/ist, den Amerikanern zu demonstrieren, dass sie die falsche Person ins Amt gewählt hätten.

Ein ähnlich gelagertes Phänomen ließ sich übrigens vor der deutschen Bundestagswahl 2017 bei der Dämonisierung der nationalliberal-konservativen Alternative für Deutschland beobachten.

Machten sich die US-Medien 2016 zur inoffiziellen Verbündeten der Hillary Clinton, kämpfte der deutsche Mainstream ein Jahr später gegen einen Newcomer und zugunsten von dessen etablierter Konkurrenz.

Auch in Deutschland wurde auf äußerst fragwürdige Weise vorgegangen, wie u.a. die Berichterstattung zur AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel zeigte.

Vorwürfe, wie sie auf Basis eines offenkundig gefälschten Emails gegen die Weidel vorgebracht wurden, würden “unter normalen Umständen” und auf einer vergleichbar schmalen Faktenbasis niemals publiziert – schon gar nicht, wenn das Ziel, für alle sichtbar, juristisch gut bewehrt ist.

Auch hier befleißigte sich die Anti-AfD-Koalition einer Politik der Lüge – indem man die neue Konkurrenz, die in  EU-Integration, bei Immigration/”Flüchtlingen”, Klimapolitik und Energiewende tatsächlich alternative Ansätze verfocht, “nazifizierte” – zum Nutzen ihrer politischen Konkurrenten.

***

Nun ist der Vorwurf der Lüge hier wie da problematisch und oft unpräzise.

Er bedürfte eigentlich eines nur selten zu erbringenden Nachweises: dass sich die lügende Person/Partei zum Zeitpunkt ihrer Aussage der wahren Tatsachen bewusst war – und dass es somit eine “subjektive Tatseite” gegeben hat.

Weiters stellt sich die Frage: Ist eine Aussage erst dann eine Lüge, wenn sie im buchstäblichen Sinn falsch ist;

wenn sich beim oben geschilderten fact checking also z.B. herausgestellt hätte, dass das neu in die Atmosphäre entlassene Kohlendioxid 2016 nur um 15 und nicht um 62 Prozent größer war?

Oder ist die Aussage auch dann lügenhaft, wenn sie bemüht ist, einen falschen Eindruck zu erwecken – indem sie beispielsweise “aus dem Zusammenhang gerissen” wird, oder “wesentliche Fakten unterschlagen” werden.

Die Aussage, die Blogger Mearns gecheckt und im engeren Sinn für richtig befunden hat, würde sich nach der zweiten, nicht aber nach der ersten Definition als Lüge qualifizieren.

Sie war buchstäblich richtig, aber erkennbar dazu angetan, einen falschen Eindruck zu erwecken.

Es ist zu vermuten, dass Rabin-Havts “konservative Lügen” nach demselben Muster gestrickt sind.

Was für den kritischen Zeitungsleser dies- und jenseits des großen Teichs bedeutet: Trau, schau, wem!

Literatur:

Ari Rabin-Havt, Media Matters, Lies incorporated. The World of Post-Truth Politics. 2016

Frederick K, Lutgens, Edward J. Tarbuck, The Atmosphere. An Introduction to Meteorology, 12th Edition, 2013

Nachbemerkung, 13.11.2017, 12.45 Uhr: Also, ich würde nicht allzuviel drauf geben, was dieser Blogger, ein interessierter Laie ohne große naturwissenschaftliche Bildung “positiv” zum Thema “Ursachen des Klimawandels” meint.

“Negativ” traue ich mich höchstens festzustellen, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre unzweifelhaft steigt, dass das aber noch lange kein Indiz oder gar ein Beweis dafür ist, dass

  • das die (offenbar höchst ungleichmäßig verteilte) “Erderwärmung” verursacht und
  • nicht einmal, dass die höhere CO2-Konzentration wirklich Folge von “menschengemachten Verbrennungsvorgängen” ist.

Muss gestehen, dass in diesen Punkten meine Meinung flotiert, je nachdem, welchen (wirklichen) “Auskenner” ich gerade gelesen habe.

Mein Lieblingsargument bleibt davon unberührt:

dass diese Fragen für die Europäer egal sind, wenn alle andern frisch drauflosverbrennen und dass die Europäer dieses Verhalten in Form von – freilich gewaltiger – Energiearmut “bezahlen werden”.

UN: Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre stieg 2016 im Rekordtempo – derstandard.at/2000066885878/UN-Kohlendioxdid-Gehalt-in-der-Atmosphaere-stieg-2016-im-Rekordtempo

UN: Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre stieg 2016 im Rekordtempo – derstandard.at/2000066885878/UN-Kohlendioxdid-Gehalt-in-der-Atmosphaere-stieg-2016-im-Rekordtempo

Unabhängiger Journalist