Woher die angelsächsische Allianz mit den Islamo-Terroristen kommt

Das Bündnis des liberalen Westens mit einer speziellen, terroristischen Spielart des politischen Islam hat eine lange Tradition. Es ist um einiges älter als die Bewaffnung der Mudschaheddin nach der Invasion der Sowjets in Afghanistan 1979. Unter dem Banner des Islamismus ließen die Engländer gegen die Türken und die USA gegen säkuläre Diktatoren kämpfen.

Die Rolle, die die Türkei als “Komplize des Terrors” (Wladimir Putin) in Syrien spielt, liegt in dieser Hinsicht außerhalb der historischen Normalität des Zeitraums vor dem Ersten Weltkrieg. Der Islamismus, könnte man sagen, spielte damals die Rolle einer gegen das Osmanische Reich gerichteten kontrollierten Befreiungsideologie.

Im 18. Jahrhundert entstand eine traditionalistische Reformbewegung, die eine korrupte Religion zurück zu ihren Wurzeln, in die Zeit Mohammeds und dessen unmittelbaren Nachfolgern zurückführen wollte. Der Prediger Muhammad ibn Abd al-Wahhab ging eine Allianz mit der mächtigen Al Saud-Familie ein – woraus auf der Halbinsel der erste Saudi-Staat entstand. Es war ein Herrschaftsgebiet, das gewissenhaft von allen unislamischen Elementen gereinigt wurde. Die Vorgangsweise, mit der dabei vorgergangen wurde, unterschied sich kaum von den Methoden der heutigen islamistischen Terroristen.

200 Jahre später, nach dem ersten Weltkrieg, etablierte sich der zweite Saudi-Staat.

Dazwischen wurde die Halbinsel vom Osmanischen Reich bzw. aus dem dazu gehörenden Ägypten dominiert – und die Reaktion darauf ist eine Wurzel der heutigen west-östlichen Allianz. Die arabischen Stämme der Halbinsel bekämpften die Türken und suchten dabei die Unterstützung des Empires – der Engländer, die (fast) alles, was weiter südlich und östlich lag, kontrollierten.

1917 erhoben sich die Araber gegen die Türken und diese Rebellion wurde von einem Engländer dirigiert, Lawrence von Arabien.

Nach dem Ende des Osmanischen Reichs war der Weg für einen zweiten Saudi-Staat frei. Das Verhältnis zur alt-neuen Schutzmacht war in diesen Jahren zwar schwierig, denn die Haschemiten hatten die bessere Lobby in Kairo/London. Aber die Saudis und Engländer fanden eine Art gentlemen’s agreement, das auf gegenseitiger Nichteinmischung beruhte.

Zu diesem Zeitpunkt war Saudiarabien für das Empire aber auch nicht interessant. Es war eine riesige, menschenleere Sandwüste.

Der Blick auf die Halbinsel änderte sich nach 10, 15 Jahren, als das erste Erdöl entdeckt wurde. Damals übernahmen die Amerikaner von den Briten die Rolle des Welthegemons. Schnell begriffen sie ihre Chance und waren gleich zur Stelle.

Schon 1945 schloss Roosevelt auf der USS Quincy ein Abkommen mit Ibn Saud, das den Amerikanern Zugang zum erst zu entwickelnden saudiarabischen Erdöl verschaffte und die Saudis zu Verbündeten in der Region machte.

Diese Spezialbeziehung, der spätere Petrodollar sowie die Milliarden aus dem Ölgeschäft erlaubten es den Saudis, ihre fundamentalistische Version des Islam über Arabien und Asien zu verbreiten. Die privilegierte Partnerschaft mit den Amis schloss zwar eine direkte Beteiligung an Terrorismus aus, aber die Grenzen waren fließend.

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Die Allianz zwischen liberaler Demokratie und islamistischem Terror hat eine zweite Wurzel. Diese kommt aus der Zeit des Kalten Kriegs.

Der Islamismus wurde damals als Verbündeter gegen den gottlosen Kommunismus gesehen und als Waffe gegen den säkulären, manchmal sozialistischen Panarabismus eingesetzt. Das ist eine ziemlich blutige Geschichte, weil keine Seite der anderen etwas schenkte. Es war ein Wettbewerb in Sachen Brutalität.

Die ideologischen Ursprünge des ägyptisch-levantinischen Islamismus liegen nicht im Wahhabismus. Erst in den 1950ern, als überall säkuläre Regime an die Macht kamen und in Saudiarabien die Öl-Dollars zu sprudeln begannen, wurden die Saudis zur Zuflucht und Schutzmacht des Salafismus. Beide Bewegungen haben wenig für Neuerungen übrig, die nach dem achten Jahrhundert unserer Zeitrechnung stattfanden und keine anerkennt die traditionellen Schulen der Sunna.

Theologisch unterschieden sich die beiden Strömungen kaum – ebensowenig, wie es zwischen dem saudischen Wahhabismus und der Ideologie des Islamischen Staats Unterschiede gibt. Die Träger dieser beiden Religionen mögen Todfeinde sein – ihre Glaubenssysteme gleichen einander aber wie ein Ei dem anderen.

Während der Wahhabismus auf einen anaphabetischen Beduinen des 18. Jahrhunderts zurückgeht, ist der Salafismus eine Schöpfung Intellektueller, die in engem Kontakt mit dem Empire standen. Das gilt für Jamal ud Din Al Afghani, den Begründer des Salafismus, aber ebenso für seine Nachfolger Mohammed Abduh und Mohammed Rashid Rida.

Nicht jeder dieser Männer lebte wie frommer Anhänger seines Glaubens und viele von ihnen waren Freimaurer.

Der Salafismus des 19. Jahrhunderts tauchte in der 1928 gegründeten Moslembruderschaft wieder auf. Diese ist – sagen Kritiker – von Anfang an eine Kreatur des dār al-harb gewesen – trotz der demonstrativ zur Schau getragenen aniwestlichen Haltung.

Dem früheren CIA-Agenten Robert Baer ist die dogmatisch-religiöse Seite der Brüder ziemlich egal. Woran sein ehemaliger Brötchengeber interessiert war, schildert er auf Seite 144 seines 2004 erschienenen Buchs Sleeping with the Devil (eigene Hervorhebung):

The White House looked on the Brothers as a silent ally, a secret weapon against (what else?) communism.”

Und (p. 152):

The press kept calling the attackers al Qaeda, thanks to Osama bin Laden’s relentless publicity machine, but it was the Muslim Brothers through and through – the same crew we had used to do our dirty work in Yemen, Afghanistan, and plenty of other places. Only now we had become their dirty work, and Saudi Arabia their home.”

Seit den 1950ern unterstützten die Amis und ihre saudischen Bündnispartner die Moslembrüder und deren Abspaltungen gegen alles, was die arabische Welt an nationalistischen Diktatoren aufzubieten hatte – von Gamal Abdel Nasser bis zu Hafez al Assad. Eine Ausnahme scheint Saddam Hussein gewesen zu sein – aber der zählte bis Ende der 1980er ja zu den Guten. Er hatte in Washington einen besonderen Stein im Brett. Hielt die Iraner beschäftigt, der gute Mann.

Ob auch die libyschen Islamisten gegen Gadaffi unterstützt wurden, ist mir nicht bekannt. Betrachtet man das Ende Gadaffis, können freilich kaum Zweifel bestehen. 2011 gab es zwar keine Sowjets mehr, aber wenn der Westen nicht eingeschritten wäre, hätte der libysche Revolutionsführer die Aufständischen wohl auch diesmal besiegt.

Baschar al Assad war und ist der nächste auf der Abschussliste.

Aber das Modell regime change scheint heute nicht mehr so gut zu klappen – vielleicht wegen der Russen oder weil der Trick mit den sunnitisch-islamistischen Freiheitskämpfern nicht mehr so richtig funktioniert. Sowohl die westliche Öffentlichkeit als auch die Massen arabischer junger Männer haben den Braten gerochen.

Dabei war die neue Spiel-Variante mit dem schönen Namen ISIS raffiniert ausgeklügelt. Sie hätte idealerweise zwei Fliegen mit einem Schlag erledigen sollen: Man hätte, erstens, die aus Teheran gesteuerten Iraker eines Gutteils ihrer künftigen Öl-Hoffnungsgebiete berauben und zweitens den Russenfreund aus Damaskus verjagt.

Beide Ziele scheinen durch die Intervention Moskaus bedroht und das ist der Grund, warum in der NATO derzeit höchste Alarmstufe herrscht. Man würde gern eskalieren – ohne als aggressiv zu erscheinen, weiß aber nicht, wie man das anstellen soll.

Literatur:

Robert Baer, Sleeping with the Devil, 2004

David Livingstone, Terrorism & the Illuminati, 2011

Sonoko Sunayama, Syria and Saudiarabia, 2007

John McHugo, Syria. A History of the last 100 years. 2014

Unabhängiger Journalist

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