Syrien: Wer bombte Aleppo-Spitäler

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Zerstörungen in Aleppo, 2012

Um die Zerstörung zweier Spitäler, die vor kurzem im syrischen Aleppo stattgefunden haben soll, ist eine bezeichnende Kontroverse ausgebrochen. Die Amerikaner sagen, es waren die Russen. Diese antworten, es seien möglicherweise die USA gewesen. Die West-Medien schweigen. Man sieht einen Informationskrieg b.m.F, mit nur beschränkt möglichem Faktencheck.

Auslöser des Informationskriegs waren am Mittwoch getätigte Aussagen eines Pentagon-Sprechers, der erklärt hatte, dass russische Flugzeuge zwei Spitäler zerstört hätten, mit denen 50.000 in Aleppo ausharrende Syrer versorgt worden seien.

Am nächsten Tag antwortete das russische Verteidigungsministerium, man habe nichts dergleichen getan, “weil wir keine zivilen Ziele bombardieren”.

Stattdessen bot der Moskauer Militärsprecher die Nachricht an, dass zwei aus der Türkei kommende amerikanische Warzenschwein-Jets Ziele in Aleppo bombardiert hätten, wollte sich aber nicht festlegen, ob die Spitäler zu deren Zielen gehört hätten, siehe hier.

Sollten besagte Spitäler mehr sein als illusionäre Kaninchen, die von Informationskriegern aus dem Ärmel gezogen wurden, und sollten die Krankenhäuser tatsächlich während der letzten vier Monate zerstört worden sein, spricht der Augenschein gegen die Russen/Assad-Syrer.

Denn diese haben dort die Lufthoheit und sind dafür letztverantwortlich – selbst wenn es westliche Flieger gewesen sein sollten.

Interessant ist übrigens das von Moskau kolportierte (falsche) Detail, dass der Pentagon-Sprecher die Russen beschuldigt habe, sie hätten am Vortag der Pentagon-Aussage die Ziele bombardiert (“Wir haben an diesem Tag gar keine Einsätze in Aleppo geflogen”).

Das ist eine Nebenfront. In der Hauptsache ist das Problem vielmehr

  • erstens das Nichtvorhandensein glaubwürdiger, unparteiischer Informationen über die Umstände der Attacken und
  • zweitens die definitive Möglichkeit, dass es sich um einen false flag-Anschlag gehandelt hat. Die Einsätze im syrischen Poker sind so hoch und der Informationskrieg so intensiv, dass so etwas nicht auszuschließen ist, nicht bei den Bluthunden, die auch der Westen beschäftigt. Anders als bei MH 17 in der Ukraine würden die Russen hier aber nicht darum herumkommen, eindeutige Evidenz zu veröffentlichen. Solange die Russen nicht mehr zur Aufklärung dieser Tat beitragen, sind sie der erste Verdächtige.

Während die meisten West-Medien bereitwillig die Version vom russischen Täter übernommen haben, schweigen sie eisern über die Widerrede des Moskauer Verteidigungsministeriums (und dieses ihr Verhalten ist auch verdächtig). Medien, die vom russischen Staat finanziert werden – zum Beispiel RT – bringen dagegen das Statement Igor Konaschenkows als Wahrheit, nichts als die reine Wahrheit unter’s Volk.

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Nun ist das HQ einer Krieg führenden Partei nicht unbedingt jener Platz, an dem man mir nix dir nix auf die Wahrheit stößt. Und es wäre ein Wunder, wenn es bei der intensiven russischen Luftkampagne in Syrien keine Kollateralschäden gäbe (dass sie Spitäler absichtlich bombardieren, trau ich weder Amerikanern noch den Russen zu, nicht den regulären Millitärs).

Trotzdem sind die Amerikaner und ihre Verbündeten in Sachen Bombardierung von Spitälern nicht gerade die glaubwürdigste Quelle (im Jemen sieht es so aus, als würden medizinische Einrichtungen gezielt aufs Korn genommen, siehe hier).

Dazu kommt der nicht zu übersehende Versuch seitens der westlichen Presse, den erst seit vier Monaten wirklich involvierten Russen Zerstörungen und Vertreibungen aus vier Jahren “Bürgerkrieg” in die Schuhe zu schieben.

So etwas wäre unmöglich, wenn die Berichterstattung der angeblich freien Medien des Westens wirklich frei wäre. Um einen Propagandakrieg zu führen, muss man nicht einmal direkt lügen – es reicht schon, den Kontext auszublenden oder die Version der einen Seite zu bringen, die der anderen aber zu verschweigen. Zur Technik dieser Sorte von Medienlügen siehe hier.

Kurz und gut: ein ausgewogen gezeichnetes Bild, wer in Syrien was angestellt hat, wird – steht zu befürchten -, noch einige Jahrzehnte auf sich warten lassen.

Bis dahin erlaube ich mir das Urteil, dass der Konflikt – wenn denn -, als Aufstand gegen Assad, also bürgerkriegsartig begonnen hat – dann aber schnell zu einem Stellvertreterkrieg mutiert ist, an dem ein Dutzend andere beteiligt sind. Die Russen sind allerhöchstens der jüngste Neuzugang zu diesem Dreckigen Dutzend.

Foto: Pereslavtsev [CC BY 2.0 ], Wikimedia Commons

Unabhängiger Journalist

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