Durch die Straße von Hormuz fließen täglich rund 15 Millionen Barrel Öl, gut 30 Prozent aller internationalen Exporte (netto) und wenn das nicht mehr stattfindet, gibt es keinen Weltmarkt für Öl mehr (wie wir ihn kennen). Deswegen sollte das Großthema für alle Ölkonsumenten eigentlich von Interesse sein. Ein neues Buch über den Kalten Krieg in der Islamischen Welt, das andauernde Ringen um die Vorherrschaft zwischen Saudis und Iranern, informiert umfassend. NB Zwei Tanker im Golf von Oman attackiert.
Autor ist der aus Indien stammende Journalist Dilip Hiro, der u.a. auch über die Konflikt zwischen Indien und Pakistan, indische Familien in Großbritannien und eben jede Menge über den Nahen bzw. Mittleren Osten geschrieben hat.
Dankenswerterweise geht Hiro nicht weiter zurück als bis zu König Faisal und dem Schah – was bei einem Glaubenskampf, der unter den Erben des Propheten begonnen hat, leicht passieren hätte können.
Das Buch heißt Cold War in the Islamic World: Saudi Arabia, Iran and the Struggle for Supremacy und ist u.a. hier erhältlich, um ca. 30 Euro in der gebundenen Ausgabe.
Jedenfalls wird umfassend über die letzte Etappe des Kampfs der beiden Regionalmächte informiert, dessen Geschichte ohne die Begiffe Erdöl, USA und zweifellos auch Israel nicht zu schreiben ist.
Ein Prolog zu diesem jüngsten Kapitel hätte als vierten Begriff noch Great Britain enthalten müssen, aber das ist seit dem Zweiten Weltkrieg bereits Zeitgeschichte, ebenso wie das Treffen Roosevelts mit König Abdul Aziz im Jahre 1945.
Damals übernahm Washington das Empire Londons, weitgehend friedlich – was auch für den middle east zutraf.
Die Amis hatten anfangs wirklich alle Karten in der Hand, spätestens nach 1953, als sie in Teheran den Schah installieren konnten und ganz besonders unmittelbar nach dem Deal von 1973, in dem die Amerikaner eine Quasi-Deckung ihrer von Gold entkoppelten Währung für den Schutz der saudischen Royals eintauschten.
Präsident Trump hat in seiner unnachahmlich delikaten Art jüngst daran erinnert (“König Salman würde ohne amerikanisches Militär keine zwei Wochen überstehen.”)
Hierarchie der Unsympathler
Dieser Deal ist zwar schon 46 Jahre alt, prinzipiell heute aber noch immer aufrecht – was man beim nächsten Mal wissen sollte, wenn der saudische Kronprinz einen Journalisten zersägen lässt und Washington darüber herumzueiern beginnt.
Hintergrund sind hier nicht nur künftige Waffengeschäfte, sondern auch alte Geheimverträge.
Die Amis sind spätestens seit damals die muskulösen Onkels des Wahhabitenstaaats und seit 1979 muss Riad die Zuneigung des Oheims auch nicht mehr mit Teheran teilen – was Hiro ausührlich darstellt.
Das theokratische Regime im Iran ist ihm zwar auch nicht ganz geheuer, aber noch lieber als das saudische “totalitarian regime in the making”.
Dabei geht Hiro davon aus, dass der heutige US-Präsident auf nur einer Seite steht und die traditionelle Feindschaft der Rivalen mächtig anfacht – was eigentlich ja nichts Neues ist.
Das sieht auch so aus und das glauben eigentlich alle, Saudis und Israelis inklusive.
Das heißt aber nicht, dass die Amis wirklich machen, was sie nach menschlichem Ermessen tun werden, gemessen an den vergangenen 70 Jahren.
Speziell nicht unter Donald Trump, der 2020 wiedergewählt werden will und der sich ein Jahr davor nicht in einen unkontrollierbaren kriegerischen Sumpf locken lassen wird – Israel hin oder her.
Nicht aus freien Stücken.
Isolationistische Option
DJT reicht es vorerst, die Waffen des Dollar-Finanzsystems gegen die Iraner einzusetzen. Das macht weltweit mächtig Eindruck und tut Teheran auch wirklich weh – trägt aber keine größeren innenpolitischen Risiken.
Auch für die eigene Psyche nicht, wenn man beispielsweise mit dem Dollar-Imperium bereits abgeschlossen hat und einem bewusst ist, dass die selbst produzierte Weltleitwährung in den kommenden Jahren ins Gras beißen muss.
Trump weiß aber, dass die USA über die nächsten paar Jahre energetisch autark sind und er hat keine Lust, die hohen Kosten der Hegemonie weiter zu tragen um Asiaten und Europäern auch fürderhin Ölimporte aus der Golfregion zu ermöglichen.
Challenged Hegemony thematisiert diese Ausgangssituation, obwohl Yetiv und Oskarsson letztlich Verfechter des conventional wisdom sind, das so oft daneben liegt.
Es ist auch nicht Trump alleine, der nicht mehr Weltgendarm “für lau” spielen möchte, es sind auch “isolationistische” Vordenker und Hintermänner. Das wird in den USA seit zehn Jahren diskutiert – auch, aber nicht nur unter dortigen Militärs.
Obama hat seine Ohrwaschel für diese Diskussion nur zugeklappt und sie nicht zur Kenntnis genommen, ebenso wie “die Europäer”.
Jetzt steht sie unter dem Namen Trump auf der Tagesordnung (ob sich die “Isolationisten” einbilden, die Kaufkraft des Dollar und seine Außenstärke erhalten zu können oder ob sie sowieso zum Tod Verurteiltes preisgeben, kann dieser Blogger letztlich nicht beurteilen).
Es ist also gut möglich, dass sich die Amis entweder ganz aus der Region verabschieden oder eine Art geteilte Hegemonie mit den Russen eingehen, die bisher nur geringe hegemoniale Kosten tragen mussten und die dort auch nicht so brutal und tollpatschig durch die Landschaft gestolpert sind wie die Amis, bisher.
Ganz egal, ob das bestimmten Europäern und Israelis recht ist oder nicht (den Europäern wegen der Ölimporte und den Israelis “wg. starkem Onkel”).
Weder die einen noch die anderen können darüber Klartext reden und beide werden sich in diesem Szenario auf sich selbst gestellt um die eigenen Interessen kümmern müssen.
Die Zeiten, in denen der Schwanz mit dem Hund wedeln konnte, wären jedenfalls vorbei.
Dilip Hiro, Cold War in the Islamic World: Saudi Arabia, Iran and the Struggle for Supremacy. 2019
Nachbemerkung11, 13.6.2019, 12.50 Uhr: Zwei Tanker im Golf von Oman beschädigt, einer angeblich durch eine Seemine, der andere angeblich durch einen Torpedo.
Sofort wurde der Iran als möglicher Täter genannt und von Krieg gesprochen. USA scheinen noch abzuwarten. Hmmm, mal sehen….
Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.