Venezuela: Fake News für jeweils “gute Sache” auf beiden Seiten

Rund um das von den USA belagerte venezolanische Regime wird seit Wochen ein regelrechter Informationskrieg geführt, frei nach dem Motto: Humanitäres Zwergerl-Engagement versus nicht existente Erdölvorräte. Naivität und Inkompetenz der Medien – auch “alternativer” – kennen keine Grenzen. NB zum Blumenthal-YT. NB II zum Vorfall auf der Tienditas-Brücke.

Schenkelklopfer gibt es auf beiden Seiten.

Für Team Maduro tritt beispielsweise ein Max Blumenthal an, mit einer von RT dokumentierten, auch über Youtube abrufbaren Shopping-Tour durch die überquellenden Supermarktregale von Caracas.     :mrgreen:

Dieser über jeden Zweifel erhabene Gewährsmann kommt zum Schluss, dass es (wie bei Walmart) alles gibt, dass es aber ein bisserl teuer ist (wegen der Wucher-Kapitalisten).

Na sowas. Jetzt kommt der Blumenthal daher! Wenn die 2 Millionen Venezolaner, die schon ins Ausland geflüchtet sind, das gewusst hätten – die wären glatt dageblieben!

Ein gut besuchtes Solidaritätskonzert

Aber unser Team Guido, dessen Coach in Washington sitzt, hat schon vor der Blumenthalschen Einkaufstour zurückgeschlagen – indem es über einen philanthropischen Milliardär ein Aid-Konzert an der venezolanischen Grenze veranstaltet hat.

Das Konzert musste aus den diversen Gründen natürlich ein Erfolg werden und die fake news Washington Post (Donald Trump) ließ sich einreden, dass mehr als 200.000 Besucher gekommen wären.

Wie gehabt halt – die MSM lassen sich immer die Demonstranten-/Besucherzahlen einreden, die ihnen opportun erscheinen.   :mrgreen:

Diese offenkundige Disinformation (Desinformation) veranlasste die US-amerikanische website Moon of Alabama, den Veranstaltungsort via Google Earth in Augenschein zu nehmen und mit quasi-offiziellen Zahlen über die Dichte von Menschenmengen auszurechnen, wie viele Leute eigentlich in den Veranstaltungsort gehen.

Und siehe da: 18.000, maximal 20.000 passten ins Konzert – woraufhin die Wapo ihren Artikel (“mehr als 200.000 Besucher”) zuerst stillschweigend editierte und danach ganz verschwinden ließ (was wiederum bemerkt wurde – siehe Zerohedge). 

Alles richtig komisch, wenn es nicht so tragisch wäre.

Die Fans von Team Maduro sind aber auch nicht gerade die schärfsten Stifte im Federpe(n)nal.

Naturasphalt im Orinoco-Gürtel

Die bemühen ein bisher oft realitätshaltiges Mem und behaupten, dass die Amis es auf das venezolanische Öl abgesehen hätten, denn V. sei ja das erdölreichste Land der Welt

- was ja irgendwie stimmt, sofern wenn man das extra heavy crude des Orinioco-Gürtels einrechnet.

Was William Engdahl, den Autor von A Century of War, auf seiner Seite zu folgender Bemerkung veranlasst:

It’s true that, officially, Venezuela claims to hold the world’s largest oil reserves, estimated 297 billion barrels as of 2010, larger even than that claimed by Saudi Arabia. That makes an impressive headline but is misleading (…) Most of the oil resources of Venezuela are located in what used to be known as the Orinoco Belt, today the Hugo Chavez Belt (…) We have to look at the definition of proven reserves (…) So that vast reserve of tar oil, unconventional oil, was not economically producible (bei niedrigen Ölpreisen), that is, not any more ‘proven reserves’ by the standard definition.”

Nun ist Engdahl bis zum heutigen Tag ein sozusagen zuverlässiger Kantonist, der mit beachtlichem Scharfsinn und ebensolchem Wissen gegen die Machinationen des angelsächsischen Imperiums angeht.

Aber er versteht auch ein bisschen was vom “schwarzen Gold” – was unvermeidbar ist, wenn man sich seit Jahrzehnten damit beschäftigt.

Also der langen Rede kurzer Sinn – und in den Worten dieses Bloggers: Das viskose, schwer zu handelnde Zeug aus dem Orinoco-Gürtel interessiert niemanden, denn saures, schweres Öl gibt es im Überfluss.

Anders wäre die Sachlage, wenn es irgendwo doch noch leichtes oder wenigstens mittelschweres Zeug gäbe, wovon die allgemeine Öffentlichkeit nichts weiß.

Das wäre für den gemeinen Rohstoffimperialisten tatsächlich appetitlich.

Derlei weiß die allgemeine Öffentlichkeit üblicherweise aber nicht

- das wissen im vorliegenden Fall höchstens die PDVSA, ExxonMobil und die US-Geheimdienste.

Der große Öl-Preis im Nachbarstaat

Engdahl kennt geheime “echte Ölfelder” natürlich auch nicht – aber es gibt einen Graubereich, der sich mit viel Hintergrundwissen und ein bisschen (richtiger) Spekulation ganz gut einschätzen lässt.

Dazu gehört das an Venezuela angrenzende Esequiba(o), das bis dato als zu Guyana gehörend angesehen wird (Venezuela erhebt aber Ansprüche). Der Esequibo hat viel Öl, auch im flachen Wasser vor der Küste.

Engdahl hat hier, im New Eastern Outlook darüber geschrieben.

Guyana hat Exxon mit der Exploration beauftragt und der Multi hat offshore ein Feld mit leichtem, süßem Öl gefunden, das 5 Milliarden Barrel hergeben soll.

Das wäre, wenn es nur annähernd stimmte, ein wirklich großes Vorkommen mit “echtem”, leicht förderbarem Öl.

Die Frage erhebt sich nun, wem dieser präsumptive Naturschatz nun wirklich gehört: dem militärisch schwachen Guyana & ExxonMobil (& USA) oder dem militärisch viel stärkeren Venezuela mit seinem Staatskonzern PDVSA.

Von kleineren Grenz-Provokationen abgesehen, hat sich das Chavez-/Maduro-Regime bisher an den völkerrechtlich normierten Status quo gehalten und von einer Invasion abgesehen.

Aber das könnte sich ändern, denn die Lage von Maduro ist verzweifelt.

Engdahl denkt sogar schon einen Schritt weiter und spekuliert, was passieren würde, wenn unser Guido Präsident von US-Gnaden würde und von seinem Paten Guyana Esequiba als Einstandsgeschenk bekommen würde:

So long as Venezuela was controlled by Maduro, it suited Exxon and their backers in Washington to recognize Guyana’s legitimacy to the offshore Esequiba fields. Were Guaido to come in, that could easily change and a fragile Guyana could be arm-twisted to resolve the Esequiba issue to the benefit of Venezuela.”

So gehen Öl-Diplomatie und Öl-Politik wirklich (sofern Maduro nicht vorher zuschlägt) – das darf man dem alten Fuchs E. schon glauben.

Nachbemerkung, 27.2.2018, 8.30 Uhr: Ich kann keinem Leser verbieten, Max Blumenthal zu glauben.

Die das aber tun, müssen sich sagen lassen, dass sie keine Verbindung zur Wirklichkeit mehr haben.

Blumenthal, der im abgefilmten Supermarkt (in einem “Reichenviertel”) sogar seinen Lieblings-hair conditioner gefunden hat, erwähnt im RT-Beitrag noch, dass er danach auf einen “Bauernmarkt” in einem armen barrio gegangen sei und dort zufällig die Vizepräsidentin und den Bürgermeister von Caracas getroffen habe.

Mein Gott!

Wie naiv muss man sein, um Blumenthal das G’schichterl abzunehmen, das er erzählt? Und wie naiv muss Blumenthal selbst sein (wenn er einfach korrupt wäre, hätte er diese Begegnungen nicht erwähnt)? Über die Dummheit von gewissen Maduro-Getreuen will ich mich hier nicht verbreitern.

NB II, 27.2.2019, 10.00 Uhr: Möglicherweise hat der auf der Tienditas abgebrannte Laster mit Hilfsgütern über einen verirrten (?) “Molli” von Guido-Anhängern Feuer gefangen – (ungeschnittenes) Filmmaterial scheint das nahezulegen.

Diese Interpretation kann, muss aber nicht stimmen. Eindeutig ist nicht zu sehen, dass der Guido-Mob den LkW angesteckt hätte.

Unabhängiger Journalist

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