Unbewohnbare Erde: Ein Abraham a Sancta Clara d. Klimakatastrophe

uninhabitable_coverEin New Yorker Journo, der soeben ein Kind in die Welt gesetzt hat, malt die seiner Meinung nach bevorstehende menschengemachte Klimakatastrophe in grellen Farben. Leider geht dem Mann die intellektuelle Redlichkeit ab. Darum ignoriert David Wallace-Wells auch den simplen Umstand, dass sich die absehbare weitere Zunahme der CO2-Emissionen eigentlich in der sogenannten Dritten Welt abspielt – und dass diese dort auch unterbunden werden müsste/könnte.

Nach dem EDGAR-Bericht des Jahres 2018 stießen die EU-28 im Jahr davor 3,5 Gt CO2 aus, knapp 20 Prozent weniger als im Basisjahr des Kyoto-Protokolls (1990), die USA emittierten mit 5,1 Gigatonnen praktisch gleich viel und Japan 1,3 Gt, 15 Prozent mehr als vor 27 Jahren.

Zusammengenommen produzieren die höchstindustrialisierten Länder (≠ OECD) heute nur mehr rund 30 Prozent allen menschengemachten Kohlendioxids.

Seit 1990 haben die Emissionen der gesamten Welt hingegen um 63 Prozent auf 37,1 Gt CO2 zugelegt – und dieses Muster dürfte sich – siehe dazu den aktuellen Gap Report – in den kommenden Jahrzehnten grosso modo fortsetzen.

Das hat nach dem “Pariser Klimavertrag” durchaus seine Richtigkeit.

Dort mussten/sollten sich die (früheren) Annex 1-Staaten auf “harte Reduktionsziele” festlegen, was die anderen meist nicht taten (und auch nicht mussten).

Die USA “spielen seit Trump überhaupt nicht mehr mit” – aber auch die US-Selbstverpflichtung von Barack Obama, eine nur polit-symbolische Geste, würde im großen Bild  keinen besonderen Unterschied machen (ein Drittel der Obama-Ziele sind bereits erreicht, der Rest brächte eine weitere Gigatonne bis 2025, knapp drei Prozent des heutigen Ausstoßes)

Nach der bisher akzeptierten Erderwärmungs-Doktrin ist es jedenfalls egal, ob  eine zusätzliche Tonne Kohlendioxid z.B. in Georgia (USA), in Luxemburg oder in Indien freigesetzt wird – Treibhausgas bleibt Treibhausgas, ungeachtet der Frage, wer wie viel bisher “in die Luft geblasen hat”.

Daher müssten sich die Anhänger der Lehre von der drohenden Klima-Apolaypse, wären sie “ergebnisorientiert”, eigentlich an Peking, New Dehli und andere asiatische Staaten wenden – was Heuchler natürlich nicht machen.

Diese erwecken lieber den Eindruck, “die Reichen” – also die Amerikaner und Europäer – seien für die Zunahme jenes atmosphärischen Kohlendioxid verantwortlich, das im 21. Jahrhundert die mittlere Erdtemperatur um 4,5 Grad Celsius oder mehr in die Höhe treibt, angeblich.

Die “Staaten der Dritten Welt” wiederum räumen ihrer eigenen Entwicklung Priorität ein bzw. scheinen die Theorie u.a. des hier besprochenen Buchautors schlicht und einfach nicht zu glauben.

Apokalyptischer Zusammenbruch

Das tut auch dieser Blogger nicht, ungeachtet des claims der Katastrophisten, die Wissenschaft hinter ihren Behauptungen wäre “settled”/unstreitig (auch diese ist ein wahrhaft weites Land, auf das im Rahmen dieses Texts nur à propos eingegangen werden kann).

Wallace-Wells, ein Journalist des New York Magazine, glaubt den CO2-Warmisten jedenfalls, und allein die subchapters seines zweiten Hauptkapitels sagen viel aus: Hitzetod, Hunger, Ertrinken, Buschfeuer, Nicht mehr natürliche Katastrophen, Rückgang des Grundwassers, Nicht atembare Luft, Erwärmungsseuchen, wirtschaftlicher Kollaps und Klimakrieg.

Der Autor erwartet klimatisch bedingte Katastrophen-Kaskaden, Verwüstungen (“ravages”) und menschliches Leid in bisher ungekanntem Ausmaß – beispielsweise durch die Überflutung tief gelegener Staaten wie Bangladesch, was “Klimaflüchtlinge” in zwei- oder dreistelliger Millionenhöhe erzeugen würde.

“The assaults (…) will produce a new kind of cascading violence, waterfalls and avalanches of devastation, the planet pummeled again and again, with increasing intensity and in ways that build on each other and undermine our ability to respond, uprooting much of the landscape we have taken for granted.

(The) world will be convulsed with human suffering at such a scale—so many million refugees, half again as many wars, droughts and famines, and economic growth made impossible on so much of the planet (…)”

Der Mann ist in mancher Hinsicht mit Bußpredigern des späteren 17. Jahrhunderts vergleichbar, die in einer Ära der Glaubenskriege, der Pest und der osmanischen Expansion die Europäer zur moralisch-religiösen Umkehr aufriefen und dafür zu drastischen rhetorischen Mitteln griffen.

Das Hauptproblem von Uninhabited Earth betrifft aus Sicht dieses Rezensenten freilich nicht so sehr die heute noch unglaubwürdig wirkende, drastische Rhetorik vom Zusammenbruch der Zivilisation im Lauf der kommenden zwei Generationen – nicht per se.

Der Hund liegt in der Diagnose der bevorstehenden Katastrophe begraben, die eine Projektion ist, auf Basis von Vorhersagen vieler “Klimawissenschaftler”.

Eine falsche Diagnose aber führt zu falschem Handeln des Arztes und des Patienten.

Diese “Erzählung” wirkt jedenfalls wie ein links-modernistisches Metanarrativ, das die eigentlichen Vorgänge überschatten, teilweise unsichtbar machen und “framen” soll, nämlich eine Energie- und Ressourcenkrise planetarischen Ausmaßes – eine, die weder mit mit erneuerbaren Energien noch mit weltweiter Umverteilung zu “lösen” ist.

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Die Berufskollegen des frischgebackenen Autors stimmen Wallace-Wells jedenfalls überwiegend zu, wie den Rezensionen der Mainstream-Medien zu entnehmen ist.

Seine Schilderungen sind letztlich nur, was seit langem in High Schools und an Hochschulen gelehrt wird – Auslassungen, die eigentlich auf ihre Stichhaltigkeit neu abgeklopft werden müssten, Halbsatz für Halbsatz.

Das gilt für Klima- und Wetterthemen im engeren Sinn, wie beispielsweise die karibischen bzw. US-amerikanischen hurricanes des Jahres 2017.

Diese stellen für Wallace-Wells Vorboten der menschengemachten Klimakatastrophe dar – was von “dissidenten” Teilen der Wissenschaft nicht akzeptiert wird, siehe z.B. Judith Curry, hier und hier: “But at this point, there is no convincing evidence that manmade global warming has caused a change in hurricane activity.”

Selbiges gilt aber auch für leichthin eingestreute Erklärungen zu Themen, mit denen dieser Blogger vertrauter ist – beispielsweise mit der Behauptung, der Krieg in Syrien wäre “inflamed by climate change and drought” gewesen.

Nun mag die syrische Trockenperiode 2006 – 2011 eine gewisse Rolle gespielt haben – wobei mitunter erklärt wird, diese sei innerhalb der natürlichen Variabilität gelegen – siehe z.B. hier, den leider kürzlich verstorbenen Roger Andrews (“Energy Matters”).

Mindestens ebensosehr gehört aber zum Thema,

  • dass sich Damaskus geopolitischen Interessen versperrt hat, die eine Gaspipeline von Katar bis in die Türkei führen wollten,
  • dass sich die syrische Bevölkerung in den vergangenen 50 Jahren verfünffacht hat,
  • dass die Ölerzeugung des Landes seit 1996 gesunken ist und immer mehr eingeführt werden musste – was die Regierung Assad/die Landeswährung zunehmend in Schwierigkeiten brachte (siehe z.B. Matt Mushalik hier) oder
  • dass es in der Levante schon vor Tausenden Jahren über Dekaden andauernde Trockenperioden gegeben hat, die in einem Fall in zivilisatorische Zusammenbrüche “im Dutzend” gemündet haben, ganz ohne CO2. Zu anderen Beispielen für rapiden Klimawandel (“RCC”) in prähistorischen Gesellschaften siehe übrigens hier.

All das mag für einen zusammenfassenden Text zu “tiefenscharf” sein um erörtert zu werden – es stellt sich aber die Frage, ob auf Basis der oben erwähnten Fakten plausibel behauptet werden kann, der syrische Krieg sei eine Folge des (menschengemachten) Klimawandels – um ein winziges Beispiel anzuführen.

Energie,- nicht Klimakatastrophe

Nun richtet sich die düstere Zukunftsschau des Buches eindeutig auf den Zusammenbruch heutiger politischer Ordnungen bzw. “Zivilisationen”. Wallace-Wells führt dazu sozusagen tentativ historische Analogien an, nämlich

Egyptians after the invasion of the sea people, Incas after Pizarro, Mesopotamia after the Akkadian Empire, China after the Tang dynasty”

Damit, steht zu befürchten, könnte er tendenziell recht haben, aus den falschen Gründen.

Auch dieses Thema würde hier zu weit führen, daher nur zwei, drei Bemerkungen.

Die erste bezieht sich auf die enge zeitliche Korrelation von “fossilem” i.e. Industriekapitalismus und “Bevölkerungsexplosion”.

Dazu zwei Graphiken aus dem Blog Gail Tverbergs, siehe hier und hier. (Achtung, unterschiedlich “gestreckte” x-Achse !)

world-energy-consumption-1820-to-2010-with-logo

world-population-and-fuel-useDiese Korrelation könnte durchaus eine Kausalität sein, über die mechanisierte Landwirtschaft als Bindeglied (“Eating Fossil Fuels”), aber auch über das Haber-Bosch-Verfahren, mit dem Stickstoffdünger erzeugt werden kann und über den Einsatz konzentrierter fossiler Treibstoffe zu sanitären bzw. anderen Zwecken der öffentlichen Gesundheit.

All das hat viele Menschenleben verlängert bzw. erst ermöglicht und geholfen, den “Malthusian pressures” zu entkommen, die bis dahin die Zahl der Menschen relativ konstant gehalten haben.

Oder genauer: Die Bevölkerung ist schon in den 1.000 Jahren davor deutlich größer gewordenaber das exponenzielle Wachstum auf heute 7,6 Milliarden hat erst im Zeitalter von Kohle, Öl & Erdgas eingesetzt.

Auch die “Bevölkerungsblase” des homo colossus (William Catton) wird mit dem mancherorts heiß ersehnten Ende des Zeitalters der Fossilen Energien wohl zerplatzen

- aber es wird kein einfaches Zurück vor das 19. Jahrhundert geben, Gott sei Dank.

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Technik vermag vieles.

Die Publikationen wissenschaftlicher Fachverlage zeigen beeindruckende Möglichkeiten zur Verbesserung der Effizienz, Planung und Steuerung von Produktion oder beim Einsatz neuer Werkstoffe und Verfahren.

Technik aber vermag nicht alles.

Sie hat es bisher beispielsweise nicht vermocht, einen echten, im “wirklichen Leben umsetzbaren” Durchbruch bei der Speicherung von (intermittentem) Strom zu erzielen. Sie kann auch keine physikalischen Gesetzmäßigkeiten verändern, speziell nicht die der Thermodynamik.

An dieser Stelle ist auch die deutsche Energiewende zum Stehen gekommen, ungeachtet aller – manchmal nur auf dem Papier stattfindender – Erfolge in der Bruttostromproduktion.

Sollte das Problem dereinst gelöst werden (wofür es heute keine belastbaren Hinweise gibt), könnte eine Schwierigkeit beseitigt werden, die die Elektrizität betrifft, ein Viertel der heute verwendeten Primärenergie.

Unter Umständen – sofern nämlich der ERoEI des Gesamtsystems stimmt und Möglichkeiten gefunden werden, die Apparate des “technisch kontrollierten Solarsystems” (Sieferle) an ihren Einsatzort zu bringen.

David Wallace-Wells, The Uninhabitable Earth. Life after Warming. 2019

Unabhängiger Journalist

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