Verschwörungstheorie – Kampf gegen Stigmatisiertes Wissen

Verschwörungstheorie heißt heute alles, was dem medialen Mainstream nicht in den Kram passt – zuletzt bei der Thematisierung von Hillary Clintons Gesundheitszustand. Seit langem umkreist den Begriff eine weit gespannte Debatte, in der es letztlich um das Selbstverständnis der USA geht: Sind wir mehr Imperium oder Rechtsstaat – und wie verfahren wir mit Leuten, die von offiziellen und offiziösen Narrativen abweichen?

“Those who subscribe to conspiracy theories may create serious risks, including risks of violence, and the existence of such theories raises significant challenges for policy and law (…) Such theories typically spread as a result of identifiable cognitive blunders, operating in conjunction with informational and reputational influences (…) Because those who hold conspiracy theories typically suffer from a “crippled epistemology”, in accordance with which it is rational to hold such theories, the best response consists in cognitive infiltration of extremist groups.” Cass R. Sunstein, Adrian Vermeule

Seltsamerweise war es am 15. Jahrestag der 9/11-Anschläge, als die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton überstürzt eine Gedenkveranstaltung verlassen musste.Vor dem Einstieg in ihren Van sackten der Bedauernswerten die Beine weg und sie musste in’s Wageninnere gehoben werden.

Sie sei “überhitzt” gewesen, hieß es gleich danach und ein paar Stunden später, sie laboriere an einer “leichten Lungenentzündung”.

In den Tagen nach dem Vorfall wurde der weiteren Öffentlichkeit aber bekannt, dass die Frau bei ihren Auftritten in der Öffentlichkeit mehrfach gestolpert/gefallen war, dass sie offenbar von Tremors und Freezing-Anfällen befallen wird und in wenigstens zwei Fällen unmotiviert zu zucken begonnen hat – was meist durch auf YT einzusehende Bewegtbilder dokumentiert werden kann.

Ein Universum voll Kameras vergisst selbst die kleinste Geste nicht.

Wikileaks veröffentlichte Emails aus ihrer Zeit im Außenministerium, in denen sie State Department-Offizielle auf Recherche über Parkinson-Medikamente geschickt hatte.

Als Mediziner mit Erfahrung in neurologischen Krankheiten die Aufnahmen analysierten, fügte sich eins zum anderen. Für sie ist ziemlich eindeutig, dass die Clinton heute an Parkinson in moderat fortgeschrittenem Stadium leidet, siehe z.B. hier.

Zwar hat sie die denkbar beste medizinische Hilfe und scheint zu trainieren wie sie die Symptome überspielen kann – aber heil- oder wenigstens lange aufhaltbar ist die Krankheit noch nicht. Mit Parkinson könnte Clinton zwar noch Jahre das Amt des österreichischen Außenministers bekleiden, man wird sie im November aber kaum zur US-Präsidentin wählen.

Ihr Leiden war bisher nicht bekannt – jedenfalls nicht außerhalb einer kleinen Szene Washingtoner Polit-buffs, wo selbst ausgemachte Feinde die Gerüchte für dirty campaigning gehalten haben mochten.

Aber es ist schon lange darüber getratscht worden und es hat sogar Zwitscherer gegeben, die sich bevorzugt diesem Thema gewidmet haben (#HillaryHealth).

Für die Mainstream-Journos, die der demokratischen Kandidatin schon immer aus der Hand gefressen (und entsprechend berichtet) hatten, war dies kein Thema – bzw. nur insoweit als sich damit Realitätsferne und Skrupellosigkeit des Donald zeigen lassen konnten.

Ihre unverbrüchliche Treue zum Pro-Clinton-Spin hält bis heute und schwappt ungefiltert über den großen Teich – selbst wenn Aufmacher und Tenor der storys immer absurder werden: “Attest setzt Trump unter Zugzwang”  oder “Ebenfalls am Mittwoch zelebriert Trump die große “Ich bin kerngesund”-Show.”).

Bis heute setzen die Clinton-Fans im Dutzend einen Begriff ein, der hier seltsam deplatziert erscheint: Verschwörungstheorie, zum Beispiel:

“The bonkers conspiracy theory about Hillary Clinton’s health” (Vox) “How conspiracy theories about Hillary Clinton’s health went mainstream” (Vice), “Do Not Give Oxygen To ‘Conspiracy Theories’ That Hillary Clinton Is ‘Secretly Ill’ (CNN), “Trump campaign embraces conspiracy theory” (ThinkProgress), “Let’s call the conspiracy theories about Clinton’s health what they are…” (HuffPost) – siehe dazu diesen noch am 11. September erschienenen erstklassigen Bericht.

Damit sollte die Funktion klar sein, die dieser Begriff in der heutigen Sprachpragmatik erfüllt.

Verschwörungstheorie bezeichnet (und verurteilt) unerwünschte, auf eine breite Weise dissidente Wissensinhalte – welche, die nicht offiziell bestätigt sind, unabhängig davon, ob bei ihrer Verbreitung behauptet wird, dass eine Art von Kollusion, Verschwörung, stattgefunden habe.

Es geht, wie es der Politikwissenschafter Michael Barkun generalisierend ausdrücken würde, um stigmatisiertes Wissen.

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In seinem schon 2003 veröffentlichten Buch “A Culture of conspiracy” leidet der Autor noch nicht an dem für heute so typischen Zwang, einen Begriff zu schaffen, der sich auf kurzem Weg für Meinungsmache eignet.

Barkuns Verschwörungstheoretiker sind christliche und andere Millenialisten, die das Erscheinen des Abgesandten Gottes und das Ende der Welt erwarten; Menschen, die an das Wirken von Außerirdischen glauben und welche, die eine internationale Verschwörung zur Herstellung einer Neuen Weltordnung annehmen, einen Zustand, der ohne unterschiedliche Nationen, Kulturen und Religionen auskommt, einer, der totale Versklavung bedeutet.

Nur im Vorbeigehen streift Barkun auch die Reaktionen auf die kurz zurückliegenden 9/11-Anschläge und skizziert die Interpretationen diverser Außenseiter, Apokalyptiker, Esoteriker und New Age-Propheten. Es scheint ihm dabei nicht in den Sinn zu kommen, dass das offiziöse Narrativ zu den Ereignissen fadenscheinig, ja offenkundig falsch sein könnte.

Die Hauptthese seines Buchs besagt, dass ein Zusammenfluss unterschiedlicher nonkonformer Glaubenssysteme stattfinde sowie dass das Mainstreaminng der Verschwörungstheorien zunehme.

Barkun geht dabei jede Militanz ab, er stellt sogar in Abrede, dass diese Gruppen besonders gewaltaffin seien (was sich für einen FBI-Konsulenten schon damals gehört hätte).

Der stärkste Einwand, den er sich erlaubt, ist, dass diese Weltanschauungen nicht falsifizierbar seien (was auch auf einen gutenTeil unseres als gesichert geltenden Wissens zutrifft).

Über das in der Mitte der Gesellschaft herrschende Wirklichkeitsverständnis schreibt Barkun:

We are not yet in a situation of radical epistemological pluralism in which different groups espouse completely different ideas of what is real. Even those involved in bitterly contested “culture wars” over issues such as abortion still inhabit the same mental universe where other matters are concerned.”

Die heute noch verbindliche Sichtweise althergebrachter Autoritäten, legt er nahe, kann schon morgen nur mehr eine unter mehreren sein. Dann werden die Bewusstseinsinhalte von Konspirationisten, UFOlogen und Endzeitbewohnern nicht mehr stigmatized knowledge, sozial sanktioniertes, gebrandmarktes Wissen sein. Die subversive Rolle, die diese Glaubenssysteme spielen können, interessierte Barkun damals nicht.

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Das hört sich bei Cass Sunstein, der fünf Jahre später einen Aufsatz über Verschwörungstheorien publiziert, ganz anders an.

Der Jusprofessor war von 2009 bis 2012 Obamas Regulierungszar, und obwohl der Aufsatz vor seinem Amtsantritt geschrieben wurde, zeigt dieser schon die Handschrift des potenziellen Zensors (es ist übrigens wohl kein Zufall, dass Sunstein jahrzehntelang in Chicago lehrte, dem Heimatort Barack Obamas).

Barkuns harmloser “epistemologischer Pluralismus” hat sich bei Sunstein zur staatsgefährdenden “verkrüppelten Epistemologie” verwandelt, einer Episteme infolge “kognitiver Schnitzer”. Das beste Vorgehen gegen Verschwörungstheoretiker besteht für ihn in der “kognitiven Infiltration extremistischer Gruppen”.

Das mag sich harmlos anhören, aber was der Mann hier vorschlägt, ist nichts weniger als den Einsatz des Machtapparats der Regierung gegen die eigenen Bürger, einen Einsatz in einem schon damals tobenden Informationskrieg.

Wie in einem anderen Zusammenhang auch poppt hier in scheinbar einflussloser akademischer Position ein folgenschwerer Vorschlag auf – und findet kein follow up – keine öffentliche Diskussion, keine Medienberichte und auch keine Gesetzesinititiven im Repräsentantenhaus.

Es scheint, als wäre Sunsteins kognitive Infiltration in der großen Versenkung des Vergessens verschwunden. Besprochen oder gar offiziell umgesetzt ist SunsteinsVorschlag nie worden.

Und doch – kognitive Infiltration und vieles mehr kam gegen das 9/11 Truth Movement zur Anwendung, eigentlich alles, was das Herz des Hybrid-Kriegers des 21. Jahrhunderts begehrt: Psyops, Disruption, Kampfposter, Rufmord, Kooptierung von Führungsfiguren, Desinformation – versteckt unter einer Käseglocke massenmedialen Schweigens.

Für die handelnden Journos, ihrem Selbstverständnis nach Gatekeeper, war das auch vollkommen OK – stellten Klagen über die hybriden Attacken doch conspiracy theory squared dar, Verschwörungstheorie hoch zwei.

In Betracht zu ziehen dass die behaupteten Operationen einen realen Kern haben könnten war als würde man heute schreiben, dass Hillary tatsächlich krank sein könnte. Allenfalls mochten die Journos akzeptieren, dass ähnliches in Russland stattfand, mit den Webbrigaden der dortigen Geheimdienste sowie den Cyber-Trollen Putins.

Aber im Land der Freien, der Heimat der Tapferen? Never ever!

Und doch ist heute die Beweislage, dass 9/11 völlig anders abgelaufen ist als berichtet, überwältigend.

Der tiefe Staat in den USA mag es nicht allein angestellt haben – aber ohne ihn wären die Anschläge nicht möglich gewesen.

Das geht aus einer einfachen Schlussfolgerung aus einem seinerseits nüchternen Urteil hervor – nämlich der mit großer technischer Expertise bewehrten Aussage, dass ein (drei) WTC-Gebäude mit Hilfe von Explosivstoffen zerstört wurden.

Mehr ist tatsächlich noch nicht klar -jedenfalls nicht unumstritten, unzweifelhaft klar.

Es existieren keine schlüssigen Beweise gegen die politischen Galionsfiguren des Anschlags und es lässt sich m.W. jenseits vernünftigen Zweifels (noch) nicht festmachen, welche Personen und Institutionen beteiligt waren.

Viel spricht für eine multilaterale Aktion – aber wer welchen Part übernommen hat, liegt noch immer im Bereich der Spekulation. Die Versuchung zu rufen: Die Saudis (Israelis) waren’s! ist groß – hilft eigentlich aber nur dem Rest der Tatbeteiligten ins Dunkle abzutauchen.

So scheint die bescheiden klingende Forderung nach einer neuen, diesmal unabhängigen Untersuchung am angemessensten zu sein.

Immerhin war es ein Verbrechen, das auf amerikanischem Boden stattfand und fast ausschließlich US-amerikanische Staatsbürger traf – und aus diesem Grund muss es auch national verfolgt werden.

Der aus Florida stammende Lance deHaven-Smith, ein politisch unauffälliger Professor für öffentliche Verwaltung, hat die Staatsverbrechen, um die es ihm geht, schon vorsorglich systematisiert. Er nennt sie SCAD, State Crimes Against Democracy.

Die Verdachtsfälle, die er in seinem Buch Conspiracy Theory in America nennt, beginnen im 18. Jahrhundert und reichen bis in die jüngste Vergangenheit. Diese allerdings, sagt deHaven Smith, hat es in sich und er zeigt auf Seite 146 ein Chart:

sc_deHaven_Smith
Quelle: Conspiracy Theory in America

SCADs have greatly increased infrequency since 1945 and especially since 1960. Seventy percent of all SCADs in the table occurred in the post-World War II era. Clearly, American politics in the post-WWII era cannot be understood without recognizing the role of high crimes.”

DeHaven-Smith tut mit seinem 2013 erschienenenText eigentlich das genaue Gegenteil von Sunstein/Vermeule. Ohne im Detail auf die oft endlos ausufernde Beweiswürdigung einzusteigen, klassifiziert der public administration-Professor Geschehnisse wie

  • den Mord an JFK,
  • vier Beispiele von election tampering und
  • natürlich 9/11 und die darauf folgenden Anthrax-Briefe als wahrscheinliche Staatsverbrechen gegen die Demokratie.

Dieses Buch muss Sunstein die Maßschuhe ausgezogen haben – handelt es sich bei den vermuteten SCADs doch um genau jene Beispiele von Verschwörungstheorie, die nach seiner Meinung “kognitiver Murks in Verbindung mit informationellen und Reputationseinflüssen” sind.

Hier noch ein G.W. Bush, der sich gegen “empörende Verschwörungstheorien über 9/11″ ausspricht:

Literatur: Michael Barkun, A Culture of Conspiracy. Apocalyptic Visions in Contemporary America. 2003

 Cass R. Sunstein, Adian Vermeule, Conspiracy Theories. University of Chicago Law School Law & Economics Research Paper. 2008

Lance deHaven-Smith, Conspiracy Theory in America. 2013

Unabhängiger Journalist

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