Warum die österreichische Wahl geschoben war, unabhängig davon

ob die FPÖ diese anficht, oder nicht. Meine wichtigste Begründung ist, dass diese Wahl drei verdächtige Begleitumstände bzw. Phänomene aufweist, die Manipulationen begünstigen oder die am einfachsten damit zu erklären sind. Dass die Blauen (möglicherweise) still halten, hat nichts zu besagen. Das könnte aus einem halben Dutzend unterschiedlicher Motive so sein, ehrenwerten und dubiosen.

Der vielleicht prägendste Begleitumstand war die Tatsache, dass es bei dieser Wahl praktisch keine Checks and Balances gegeben hat, keine nennenswerte Kontrolle, bei der die eine der anderen Seite auf die Finger gesehen hätte.

Das unterscheidet diesen Urnengang von sonst üblichen Nationalrats- oder Europawahlen, in denen immer ein gewisses  Konkurrenzverhältnis herrscht. Speziell diese zweite Runde war dadurch gekennzeichnet, dass alle anderen gegen den FPÖ-Kandidaten antraten (oder umgekehrt) und dass sich die Freiheitlichen – aus welchen Gründen immer – nur wenig um die Stimmenauszählung kümmerten.

SPÖ und ÖVP, der Kern des politischen Trusts, haben diese Wahl quasi im Alleingang gemanagt – zumindest auf Ebene der alles entscheidenden Bezirkswahlbehörden.

Ich habe hier ausführlicher darüber geschrieben. Der Innenminister höchstselbst hat zugegeben, dass es keine begleitende Kontrolle durch die “anderen Parlamentsparteien” gegeben hat.

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Sobotka, am 30.5.2016

Wobei die Rede von “allen Parlamentsparteien” den Umstand bemäntelt, dass Beisitzer von Grünen und NEOS in diesem Fall wohl keine effektive Kontrolle zum Schutz von Hofers Wahlinteressen gewesen wären.

Wie in diesem Blog, spätestens seit diesem Posting, immer wieder geltend gemacht wird, billden SPÖ, ÖVP und Grüne ein Kartell, das untereinander abgestimmt vorgeht, nicht nur in EU-Fragen.

In den allermeisten Stimmbezirken konnten SPÖ und ÖVP auf Basis der bestehenden gesetzlichen Grundlagen ohne fremde Hilfe “Kommissionen” bilden – auch in Abwesenheit sonstiger Beisitzer/Wahlzeugen. 

Jedenfalls überall dort, wo SPÖ und ÖVP bei der letzten NR-Wahl zusammen mehr als die Hälfte der Stimmen bekommen haben – und das war zumindest in den stimmenstärksten Einheiten der Fall.

Auf diese Weise wäre es möglich gewesen, in 25 von 117 Stimmbezirken das Abstimmungsverhalten von 2,5 Millionen Wahlberechtigten – 40 Prozent – zu beeinflussen, ohne dabei, im Extremfall. mehr als 150 Leute einzuweihen.

Das ist deswegen möglich, weil laut § 17 der anzuwendenden Nationalratswahlordnung die Wahlbehörden beschlussfähig sind, sobald neben dem Wahlleiter wenigstens die Hälfte der Beisitzer anwesend ist. Da eine volle Bezirkswahlbehörde aus zehn Mitgliedern besteht, einem Beamten und neun Beisitzern (NRWO, §10), wären das Minimum sechs Leute pro Wahlbehörde. 6 x 25 = 150.

Offenbar 70.000 Wahlkarten eingeschleust

Das zweite bemerkenswerte Phänomen besteht in widersprüchlichen Angaben über die Zahl der Wahlkarten bzw. im Umstand, dass knapp 70.000 Stimmen über Briefwahl in den Prozess eingeschleust worden sind.

70.000 Voten sind unter normalen Umständen nicht besonders viel. Diese Zahl reicht bei gängigen Wahlen in einer größeren Partei gerade einmal für ein Vorzugsstimmen-Mandat. Bei einer knappen Entscheidung kann eine Anzahl wie diese aber entscheidend werden.

Wie kommt man nun auf diesen Vorwurf ?

Das ist zunächst kein Vorwurf, sondern eine zwingende Schlussfolgerung.

Robert Stein, der Chef der Bundeswahlbehörde, sprach am Abend des 22. Mai davon, dass 740.000 Wahlkartenstimmen bei den Bezirkswahlbehörden eingelangt seien, während das heutige offizielle Endergebnis von  807.000 verwendeten Wahlkarten ausgeht (inkl. “nichtige”).

Konkret sagte Stein in der ZiB2 gegen 22.00 Uhr, die FPÖ hat, als ihr an dem Thema noch gelegen war, darüber berichtet:

740 000 Briefwahlstimmen gibt es. Also insgesamt waren es 885.000 Wahlkarten, 740.000 sind zur Briefwahl verwendet worden und sind zurück gelangt und von 740 000 werden noch einige nichtig sein, also etwas über 700.000 schätzen wir.“

Diese Aussage wird durch einen Blogeintrag eines pensionierten Professors bestätigt, der am 22. Mai im Innenministerium bei der Auswertung mithalf.

Dieser Erich Neuwirth spricht auf seiner privaten Seite von 738.055 abgegebenen Briefwahlstimmen, eine Zahl die der von Stein genannten gerundeten Zahl entspricht.

Wer sich die gesetzliche Situation vor Augen hält, kann zu keiner anderen Schlussfolgerung kommen, als dass die Stimmen, von denen Stein spricht abgegebene Wahlkarten inklusive nichtiger und ungültiger gwesen sein müssen. Laut § 88 (2) haben die Bezirkswahlbehörden die Landeswahlbehörde unverzüglich (spätestens nach 17.00) Uhr über die eingelangten (also auch “hinterlegten”) Wahlkarten informieren müssen.

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NRWO 1992/2015

Diese Zahl war also nachweislich auf Landesebene bekannt und es ist undenkbar, dass die Landesbehörden die Bundesbehörde nicht darüber informiert haben (wahrscheinlich gibt es sogar ein Gesetz dafür).

Völlig unabhängig davon, wo ausgezählt wurde, war Wien beim ZiB-Auftritt Steins also voll im Bild, wie viele Wahlkarten wirklich verwendet worden sind ( = postalisch übermittelt UND im Wahllokal abgegeben).

Was Stein zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen konnte, war, wie viele davon “nichtig” waren – das würden die Bezirkswahlbehörden erst am nächsten Tag feststellen. (Nichtig bedeutet, dass die Wahlkarte, das “äußere Kuvert” nicht vorschriftsmäßig war und dass diese zweifellos abgegebene Stimme praktisch unsichtbar wurde).

Stein versuchte nachträglich zwar, seine Aussage aus der ZiB 2 zu verschwurbeln,es lässt sich aber nicht wegdiskutieren, dass zwei voneinander unabhängige Quellen noch am Wahlabend die Zahl der eingelangten Briefkartenstimmen mit 740.000 angegeben haben

Nun ergibt sich an dieser Stelle der Argumentation ein Problem mit dem Eintrag von Professor Neuwirth, der die zu erwartenden fünf Prozent nichtigen Stimmen einfach unter den Tisch fallen ließ.

Aber Neuwirth ist Mathematiker und kein Jurist und er schrieb seinen Eintrag um Mitternacht, nach einem Tag anstrengender Rechnerei im Innenministerium (was seine 738.000 Wahlkarten, ein zentrales Datum in dieser Angelegenheit, nicht weniger glaubwürdig macht).

Sowohl Stein als auch Neuwirth bezogen sich mit ihren 740.000 auf eine Kategorie von Stimmen, die so unsichtbar sind, dass es in der offiziellen Darstellung für sie nicht einmal einen eindeutigen Namen gibt.

Screenshot_off_Wahlergebnis
Endergebnis Briefwahl, HP Innenministerium

“Abgegeben” lautet dieser Name jedenfalls nicht. Abgegeben wurden Voten, die bereits um die nichtigen Wahlkarten bereinigt sind. In § 60 NRWO werden sie nichtig genannt, sie werden in der Berichterstattung des BMI aber nicht extra angeführt, siehe hier:

Diese, sagen wir, eingelangten Briefwahlstimmen müssen mit den 806.768 des offiziellen Endergebnisses verglichen werden und das bedeutet, dass den 740.000 fast 70.000 Wahlkarten zugeführt worden sind, “möglicherweise”.

Von diesen scheinen aber nur zusätzlich 20.000 als “abgegebene Stimmen” auf.

Das ist zunächst ein Problem, weil damit das einfachste Szenario ausscheidet – dass man nämlich alle zugeführten Stimmen einfach Van der Bellen zuschlägt. Es gibt freilich eine Erklärung, warum das keinesfalls gegangen wäre – siehe unten. Doch zunächst zu meinem dritten eigentümlichen Phänomen.

Übrigens: die irreguläre Aufbringung von 70.000 aus 885.000 ausgestellten Wahlkarten stellt kein besonders Erklärungsproblem dar.

Explosion der ungültigen Stimmen

Hier ist fast alles dazu gesagt.Im Kern geht es darum, dass die ungültigen Stimmen im zweiten Wahlgang um 78 Prozent oder 72.557 zugenommen haben, obwohl die Wahl wesentlich einfacher geworden und die wohl größte Fehlerquelle bei der Wahl weggefallen ist.

Wie könnte das alles nun zusammenpassen?

Ohne eine eigene Wahrnehmung zu haben oder jemanden konkret einer strafbaren Handlung zu beschuldigen, könnte eine mögliche Erklärung darin bestehen, dass es sich um einen aus zwei Stufen bestehenden Prozess gehandelt hat..

Auf der unteren, dezentralen Stufe haben Beisitzer “eigenverantwortlich” Hofer-Stimmen nach dem hier geschilderten Muster kastriert, oft begünstigt durch mangelnde “Beaufsichtigung” durch FPÖ-Vertreter. Das war etwas, das sich auf Sprengel- und Gemeindeebene abspielte. Es waren Taten, die möglicherweise von einzelnen Überzeugungstätern begangen wurden.

Der zweite Stufe könnte auf Ebene der Bezirkswahlbehörden gelegen und organisiert gewesen sein. Die Bezirkswahlbehörden waren und sind der Angelpunkt des gesamten Systems, der Punkt, an dem Briefwahlstimmen einfließen können und ausgezählt werden.

Die nötige kriminelle Energie vorausgesetzt, ließe sich über die Briefwahl ein Stimmenaustausch organisieren, der an aus dem Rahmen fallenden Kennzahlen nicht erkennbar und im Nachhinein praktisch unentdeckbar ist – auch nicht durch eine allfällige Neuauszählung.

Die nichtigen Stimmen, über die die Bezirkswahlbehörde urteilt, könnten dabei als eine Art Austauschgefäß fungieren, über das unliebsame Voten ausgeschieden werden. Ersetzt würden diese durch zugeführte Wahlkartenstimmen.

Das geht nur bei bewusster, aktiver Mithilfe durch die Bezirkswahlbehörde – was aber nicht voraus setzt, dass sich Tausende an einer solchen illegalen Tätigkeit beteiligen. Gibt man sich mit großen Stimmbezirken zufrieden, kann die Zahl der “Helfer” in überschaubarem Rahmen bleiben.

Mögliche Gründe für die FPÖ stillhzualten

Ein Stillhaltemotiv, das gegebenenfalls sicher groß getrommelt wird, ist, dass die Analyse nicht genug gerichtsverwertbares Material erbracht habe und dass man daher auf kostspielige Verfahren verzichten werde (unter Stillhalten ist übrigens auch eine “halbherzige” Wahlanfechtung zu verstehen).

Ein solches Motiv ist deshalb nicht glaubwürdig, weil sich die Partei der Gefahr, die ihrem Kandidaten aus einer manipulierten Briefwahl drohte, sehr wohl bewusst war (“Kickl befürchtet Wahlkarten-Verschwörung”) Wenn die Freiheitlichen trotz dieses Verdachts in den Bezirkswahlbehörden durch Abwesenheit geglänzt haben, liegt der Schluss auf der Hand, dass sie gar nicht wollten, dass der Wahlgang zugunsten ihres Kandidaten ausgeht.

Ein solcher Wunsch würde angesichts des Ziels, 2018 den Bundeskanzler zu stellen, durchaus Sinn machen, weil

  • es unwahrscheinlich ist, dass die sehr auf Gewaltenteilung bedachten Österreicher zusätzlich zu einem Präsidenten Hofer einen Kanzler Strache würden haben wollen. Damit wäre
  • zweitens ein knapper Wahlverlierer Hofer für die FPÖ ein geradezu perfektes Ergebnis für die Nationalratswahl 2018. Unter anderem, weil der bisher wenig bekannte, nun populär gewordene Hofer Strache außerhalb viel nützlicher sein kann als im Amt.

Meine durch nichts belegbare Lieblingsvorstellung in diesem Zusammenhang ist die von einem Teufelspakt zwischen Strache und Van der Bellen.

Strache verspricht, Van der Bellen bei dessen Amtsantritt keine Steine in den Weg zu legen (obwohl er das vielleicht könnte) und “verrät” damit die fanatischen Hofer-Fans.

Im Gegenzug sagt der Ex-Grüne zu, Strache bei einem entsprechend starken Wahlergebnis sehr wohl mit der Regierungsbildung zu beauftragen – entgegen allen Beteuerungen im Präsidentenwahlkampf.

Beide würden dabei amoralisch, aber politisch verständlich handeln. Strache, weil er das Amt des Regierungschefs für wichtiger erachtet als jenes des Bundespräsidenten. Und Van der Bellen, weil das Kartell damit zwei weitere Jahre gewinnen kann, um das Ruder wieder herumzureißen. Der weitere Aufstieg der FPÖ ist weder ein Naturgesetz noch unaufhaltsam.

Eine dritte Möglichkeit besteht darin, dass die Blauen gar nicht stillhalten, sondern dass das derzeit nur so aussieht.

Im Wissen darum, dass es sich um ein Kopf an Kopf-Rennen handeln würde, und in der Erwartung unsauberer Machenschaften könnte die FPÖ im 2. Wahlgang Beweise gesammelt und Fallen aufgestellt haben – um zu einem ihr genehmen Zeitpunkt eine Überraschungsoffensive zu starten.

Edit, 4.6.2016, 13 Uhr: Flüchtigkeitsfehler und Vertipper ausgebessert.

Unabhängiger Journalist

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