Wenn die Katalanen ein “Volk” auch nur im weiteren Sinn sind, haben sie das Selbstbestimmungsrecht und damit auch eines auf Sezession, tendenziell. Es stellt sich aber die Frage, warum die Separatisten nur etwa die Hälfte der Einwohner mobilisieren konnten und welche Folgen die Unabhängigkeit für diese konkret hätte. “Plattgemacht, aber frei” ist ein wenig erstrebenswertes Ziel – schon gar nicht für in Katalonien lebende “Spanier”. NB zu Catalunya divisa.
Im Eskalationsfall sind zuerst natürlich die durch Kampfhandlungen angerichteten materiellen und politischen Schäden zu nennen.
Gleich danach kommt die Frage nach den wirtschaftlichen Folgen.
Wenn Katalonien nach einer Abspaltung auf unbestimmte Zeit aus dem gemeinsamen Markt fliegen würde (bis zur Beendigung des regulären Beitrittsprozesses), dann könnte die Rechnung sehr teuer ausfallen.
Wenn 80 Prozent los von Madrid wollten, wäre auch ein hoher Betrag für manche akzeptabel – aber bei z.B.55 Prozent? Das 90-prozentige Abstimmungsergebnis vom 1. Oktober täuscht, weil nicht einmal die Hälfte der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben hat - in einer wirklich vorrangigen Frage.
Ein “entschiedener, eindeutiger Volkswille” sieht anders aus.
Die längerfristige praktische Gretchenfrage ist freilich:
Gibt es einen – vielleicht auch nur im Geheimen signalisierten – Plan, ein unabhängiges Katalonien wirtschaftlich rasch wieder zu integrieren bzw. gar nicht aus dem europäischen Markt auszuschließen?
Ob es für eine Vollmitgliedschaft ein paar Jahre mehr oder weniger dauert, ist dagegen eher zweitrangig (diese ist vielleicht gar nicht erstrebenswert).
Wenn Barçelona glaubhaft versprochen wurde, man würde einen Weg für die rasche wirtschaftliche (Re-)Integration finden, sieht die zu erwartende Rechnung vielleicht ganz anders, gar nicht so hoch aus..
Allein wegen Schottland in den Zeiten des Brexit könnte Brüssel daran interessiert sein, für eine solch rasche Lösung die Tür aufzumachen.
Bild: Vzb83 (Own work) via Wikimedia Commons [Public domain]
Nachbemerkung, 29.10.2017, 17.45 Uhr: Unter meinen Lesern gibt es nicht wenige Freunde der Unabhängigkeit Kataloniens, die mit diesem meinem Eintrag ganz und gar nicht einverstanden sind.
Ist ok – aber Realitätsverleugnung ist nicht ok.
Dass Madrid die Abhaltung des Referendums am 1. Oktober behindert hat, ist eine Sache.
Aber man sollte besser keine Sezession versuchen, wenn man höchstens die Hälfte der Leute an Bord hat.
Nichts deutet für mich darauf hin, dass substanziell mehr Stimmbürger die Unabhängigkeit befürworten würden.
Sondeo: una mayoría de catalanes estaría en contra de la independencia
La encuesta muestra que ‘un 29% de la población catalana estaría a favor de una declaración de independencia.’
Un 46% “opta por que Cataluña siga de alguna forma dentro de España” pero “con nuevas y garantizadas competencias en exclusiva.”
Finalmente, un 19% quiere que siga “del mismo modo en que se integra ahora en el Estado autonómico”.
El barómetro señala que ‘la mayoría de catalanes se siente español y catalán a la vez’.”
Es geht nicht darum, ob die Prozentzahlen der El País-Umfrage genau stimmen und nicht einmal, auf welcher Seite des Grabens die einfache Mehrheit liegt.
Es geht darum, dass bei einem so massiven Wendepunkt deutlich mehr als die Hälfte der Leute mitziehen müssen, IMO.
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