Eine “Veteranin” des US-Nachrichtengeschäfts hat eine beißende Anklageschrift gegen jene Branche vorgelegt, in der sie bis heute tätig ist. “Slanted” (etwa: “In Schieflage”) rechnet mit jenen Mainstream-Medien ab, wo sie vor 30 Jahren ihren Job erlernt hat – der Verfallsbericht einer “Zeitzeugin”. Die nationalen Mainstream-Medien – TV-Sender und Zeitungen – seien in diesem Zeitraum von News-Produzenten zu G’schichtldruckern geworden. Politisch erwünschte Narrative hätten faktenbasierte Berichterstattung übertüncht. Man kann der Attkisson alles Mögliche vorwerfen – aber nicht, dass sie nicht wüsste, worüber sie schreibt.
Vorbemerkung: Die von Attkisson für die USA geschilderten Vorgänge spielen sich so ähnlich auch in Europa ab – wohl noch schlimmer. Die Autorin konnte freilich nur ihre Erfahrungen von “jenseits des Großen Teichs” einbringen.
Slanted ist der dritte Teil einer Trilogie, die vor sechs Jahren nach Sharyl Attkissons Abschied von CBS begonnen hat (“Stonewalled”).
2017 folgte dann der hier rezensierte “Smear” über den auch in Europa quicklebendigen Anschmier-Industriellen Komplex (AIK),
in dem die Journaille die Hand von Spin-Doktoren staatlicher Auftraggeber und jene von privat geheuerten PR-Fuzzis wäscht (und umgekehrt).
Die Journalistin, die sich heute mit Riesenschritten dem 60er sowie ihrer Pensionierung nähert, arbeitet jetzt für die als konservativ geltende Sinclair Broadcast Group,
das neben Fox einzige TV- und Radiokonglomerat, das den “liberalen Stationen” ebenbürtig ist.
Dort “hostet” sie jeden Sonntag ihre eigene Show (“Full Measure“).
Ob die Frau eine “in der Wolle gefärbte Konservative” ist – per se ja nicht anrüchig – lässt sich nur schwer beantworten.
Hinweise z.B. auf speziellen Nationalismus oder gar Rassialismus, ein besonders traditionalistisches Verständnis von Geschlechterrollen, ein “verdächtiges” religiöses Erweckungserlebnis und/oder eine entschiedene Anti-Abtreibungshaltung gibt es jedenfalls keine.
Richtig ist aber auch, dass die Attkisson schon immer “Sand ins Getriebe der ‘großen Erzählungen’ geworfen hat”, speziell der sg. liberalen,
von John Kerrys – wohl doch nicht so heldischer – Vietnam-Vergangenheit über unnötige Politico-Reisen zu Klimakonferenzen bis hin zu verunglückten sting operations US-amerikanischer Polizeieinheiten, für die die Obama-Administration verantwortlich zeichnete.
Letzteres scheint ein wesentlicher Faktor für den einvernehmlichen Abschied von CBS gewesen zu sein, dem Arbeitgeber der vergangenen 20 Jahre.
Attkisson hat vermutet (und tut es vielleicht bis heute), dass quasi-staatliche Strukturen der Obama-Ära in ihre Laptops eingedrungen seien und Daten zerstört hätten
- und dieser Blogger weiß nicht, ob die sich darauf beziehenden Verfahren noch anhängig sind (speziell die Urheberschaft einer möglichen Sabotage wird wohl schwer beweisbar sein).
Langer Weg in die Marginalisierung
Dass Attkisson Zielobjekt mehr oder weniger perfider Machinationen war, wie in “Stonewalled” geschildert, ist freilich aus mehreren Gründen glaubwürdig.
Das muss übrigens gar nichts strafrechtlich Verbotenes sein.
Eine (semi)aktuell arbeitende Journalistin, die systematisch von Nachrichtenflüssen abgeschnitten wird (während ihre direkten Konkurrenten womöglich “gefüttert” werden) – wenn sie also “stonewalled” wird
– hat ein beruflich-existenzielles Problem
(um inszenierte Empörungsanfälle eines “elektronischen Mobs”, Intrigen & “Flüsterkampagnen” erst gar nicht zu erwähnen.)
Deutlich erkennbar ist, dass die bis 2017 regierende Obama-Administration “ihr nachgestellt hat” (wie auch anderen Journalisten und – nicht genehmen – “Whistleblowern”).
Brachiales Vorgehen gegen unliebsame Journos (plus Staatspropaganda) sind zwar keine “Erfindung” des ersten afroamerikanischen Präsidenten
- auch “liberale Ikonen” wie Woodrow Wilson und Franklin D. Roosevelt huldigten derlei Praktiken, siehe u.a. hier.
Trotzdem meinen so unterschiedliche Figuren wie Kimberly Strassel, Kirsten Powers und Mark Levin unabhängig voneinander,
dass das Vorgehen gegen unabhängige Journos heute so schlimm sei wie noch nie und dass die Linke nicht mehr an Pressefreiheit interessiert wäre.
Eine konkrete kritische Frage, die an dieser Stelle nicht beantwortet werden kann, wäre beispielsweise,
ob die hier besprochene Autorin schon unter George Bush so “unbequem” war, oder ob sie sich diesem gegenüber “zahmer” verhalten hat.
Klar ist nach Slanted jedenfalls, dass A.s Weg in die Marginalisierung schon lange vor ihrem Abgang begonnen hat und dass es sich dabei um eine komplizierte Geschichte mit vielen politischen und moralischen Aspekten handelt.
Wie ist z.B. zu beurteilen, wenn eine CBS-Kollegin kein aktuelles Interview mit einer bei einem Attentat verletzten Politikerin bekommt, weil Attkisson diese Jahre vorher kritisch erwähnt hat, was den Anschlag mit ausgelöst haben könnte?
Doppelmoral der Trump-Feinde
Wie über die Bush-Jahre kann in Bezug auf die (erste? einzige?) Trump-Periode 2016 – 2021, in denen Attkisson bereits für Sinclair gearbeitet hat, keine Aussage getroffen werden.
Gemäß ihrer eigenen Darstellung hat sie nur das (auch) “altjournalistische” Prinzip Audiatur et altera pars beachtet.
Mit den Wölfen des Anti-Trumpismus mitgeheult hat sie jedenfalls nicht
und wesentliche Teile ihres Buchs sind der eklatanten Doppelmoral und den angeblich niedrigen handwerklichen Standards vieler Nevertrumper-Kollegen gewidmet,
- zum Beispiel einer dubiosen Wortwahl und eigentümlichem Framing in einst als unantastbar erachteten journalistischen Institutionen. Dass einem Politico am laufenden Band “Lügen” vorgeworfen würden, sei völlig neu und eigentlich eine Übernahme der Sprache von Interessensvertretern (“advocacy groups”).
- Damit einher gehe eine Neu-Definition des Lügen-Begriffs sowie von “Fakten” – dahingehend, dass praktisch alles, was nicht zu 100% zutrifft als Lüge gewertet wird.
- Eine solche “Strenge” war nicht nur bisherigen Politikern gegenüber unüblich – sie findet bei “politisch genehmeren” Zeitgenossen des Donald bis zum heutigen Tag nicht statt; dort mutiere, was Trump als “Lüge” angekreidet werde, zu Schnitzern, Patzern und Erinnerungslücken (“gaffes”)
- Ähnliches gelte für den Stehsatz, Trump habe dieses oder jenes “ohne Beweis” behauptet, beispielsweise in jenem Tweet, in dem er Obama beschuldigte, dieser habe ihn, als er für die Präsidentschaft kandidierte, abhören lassen (was höchstens ungenau war – das FBI des von Obama besetzten Justizministeriums ließ die Trump-Kampagne abhören, mit Genehmigung eines geheimen Sondergerichts, das beim Ansuchen nicht voll über die wirkliche “Verdachtslage” informiert worden war).
- Und last but not least würden die Anklage-Medien den an Trump angelegten eigenen Kriterien von Wahrhaftigkeit nicht entsprechen, bei Weitem nicht.
Ob derlei Feststellungen eine “Exkulpierung” des Präsidenten darstellen – wie der Autorin üblicherweise vorgeworfen wird -, scheint diesem Blogger fraglich.
Es könnte sich genauso gut um Versuche handeln, mehr Fairness walten zu lassen, arrogierte Richter- und Volkspädagogen-Haltungen abzustreifen und/oder die Berufs-Standards von 1990 wieder aufleben zu lassen,
als die angehende Dreißigerin die Early Prime (News) bei CNN moderierte, zusammen mit “Mr. just the facts” Lou Waters. der schon damals ein old boy war,
jünger freilich als das old girl von heute, Sharyl.
Sharyl Attkisson, Slanted: How the News Media Taught Us to Love Censorship and Hate.2020
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