Noch bevor die von der Journaille befürchtete Rechtskoalition in Wien überhaupt “in trockenen Tüchern” ist, fühlen sich hiesige mediale Besitzstandswahrer in ihrer Existenz bedroht und g’fretten sich heuchlerisch um “Medienfreiheit” und “Informationsrechte der Bürger”. Als größte präsumptive Gefährder werden der FPÖ-Chef und mögliche Kanzler Kickl und dessen Freunde und Sympathisantinnen ausgemacht. Die Frage ist aber, ob tatsächlich die Pressefreiheit, oder nicht doch “nur Jobs” im Quasi-Staatssender und faktische Förderungen/leistungsarme Einkommen für die “richtigen Medien” bedroht sind. Den Sorgenmachern sei jedenfalls ins Stammbuch geschrieben, was der damals neue US-Präsident vor 16 Jahren Kongress-Republikanern gesagt hat: “Elections have consequences.”
Um nicht missverstanden zu werden:Dieser Blogger hat große Sympathie für Journalisten als “Watchdogs”, “unabhängige Kontrollinstanzen” oder auch nur als (Wissens-)Mittler zwischen Regierenden und Regierten – und genau diese Funktionen der “Presse” sind es, die in diversen pseudowissenschaftlichen und medienpolitischen Sonntagsreden immer wieder beschworen werden. In der “wirklichen Welt” ist die Legitimität der klassischen Medien, ja des gesamten journalistischen Berufsstandes, freilich ziemlich brüchig geworden (was von Auflagenzahlen bis zu Meinungsumfragen “überall” ablesbar ist).
Das ist nach Meinung dieses Schreibers (auch) Konsequenz unserer “selektiven medialen Aufmerksamkeit” bzw. “Kritik”, die einen Teil der politischen Akteure und Inhalte bevorzugt, einen anderen aber hintansetzt oder gar ausblendet. Während bei vielem als “rechts” Empfundenem Hyper-Sensitivität bis glatte Misrepräsentation herrscht, werden als “links” empfundene Teile und Themen der politischen Klasse pfleglich behandelt oder geradezu “betreut”- was, wo es stattfindet, einer “Pflichtverletzung” gleich kommt.
Manches davon mag unehrlich und Folge eines Gruppendrucks in der “schreibenden Zunft” sein, die Anmutung ist mittlerweile aber so überwältigend, dass in beträchtlichen Teilen des Elektorats Verständnis für die freiheitliche Klage über diesen Umstand herrscht. Klassische Medien werden vielfach nicht als der Ausgewogenheit verpflichtete “ehrliche Makler”, sondern als Kombattanten in der politischen Arena gesehen.
Um mit den positiven Aspekten zu beginnen:
• Die Autorinnen der Falter-Coverstory beschreiben IMO richtig den Umstand, dass der Österreichische Rundfunk-ORF ein weitgehend (partei)politisch bestimmtes Unternehmen ist, dessen Schicksal schon immer wesentlich von Partei- bzw. Regierungsverhandlungen bestimmt wird
- egal, ob es sich um eine “Anstalt”, ein “öffentlich-rechtliches Unternehmen”, oder eine “Stiftung, die sich selbst gehört” handelt, ob das Aufsichtsgremium “Kuratorium” oder “Stiftungsrat” genannt wird und die dort vertretenen Gruppen “Fraktionen” oder “Freundeskreise” heißen.
Das erste (und letzte) Wort haben Parteipolitiker, was primär darauf zurückzuführen ist, dass das Parlament über die Finanzierung des ORF befindet.
Daher ist es nicht verwunderlich, wenn die Ton angebenden Parlamentsparteien “ihre” Leute” immer schon in die Hierarchien des Unternehmens “entsandt” und “ihre” Presse- und sonstigen Referenten “ständig interveniert haben”.
Das war in der gesamten 2. Republik so, auch während der relativ kurzen Regierungsbeteiligungen der FPÖ (1983 – 86, 2000 – 2006 und 2017 – 2019).
In den restlichen 67 Jahren der Zweiten Republik wurde freilich auch “entsandt” und “interveniert”, wenngleich nicht primär von der nicht regierenden FPÖ (was die selbsternannt kritische Journaille geflissentlich zu übersehen pflegt),.
• Prinzipiell korrekt dargestellt wird auch, dass klassische Printmedien mittlerweile hauptsächlich über Inserate der öffentlichen Hand subventioniert werden (die frühere Presse- und Publizistikförderung ist mittlerweile inexistent bis irrelevant und die gesetzliche Basis für die Existenz einer dem Bundeskanzleramt zugeordneten “echten Staatszeitung” existiert nicht nehr).
• Und natürlich haben unterschiedliche Parteien unterschiedliche (auch) medienpolitische Vorstellungen, was grundsätzlich zwar anerkannt wird,
was im Fall der Freiheitlichen und des ORF aber weit überwiegend mit deren Rache- und Zerschlagungswünschen bzw. deren angeblich antidemokratischer Substanz in Zusammenhang gebracht wird.
Ein “Dino” von vor 60 Jahren
Den Schreiberinnen scheint nicht bewusst zu sein, dass der ORF wie er heute existiert, nach wie vor weitgehend den Nachkriegsgegebenheiten wenigstens seit der Rundfunkreform 1967 entspricht,
dass ansonsten aber “kein Stein auf dem anderen geblieben ist” – weder politisch, noch wirtschaftlich oder technologisch.
Ein “ORF-kritisches mindset” hat es in den 1990er-Jahren durchaus schon einmal gegeben, als in Deutschland Privatfernsehen zu senden begann und sogar im “rückständigen Österreich” Radiolizenzen vergeben wurden.
Es ist jedenfalls nirgendwo kodifiziert, dass der ORF zwangsläufig über zwei volle TV-Programme, zwei (bis drei) bundesweite Radioprogramme und neun “Landesfilialen” mit jeweils einem Radioprogramm sowie der Kapazität zur Produktion von ein bisschen “Landeshauptmann-TV” verfügen kann.
In den 1990er-Jahren konnte die Bedrohung des bisherigen Staatsfunk-Monopolisten mit vereinten großkoalitionären Kräften noch einmal abgewendet werden (was an dieser Stelle nicht einmal ansatzweise ausgeführt werden kann).
Quasi impressionistisch seien hier nur die Namen der Generalintendanten Zeiler und Weis genannt, die beide “etliches verändert haben, danit alles gleich bleiben kann”.
Im Wesentlichen hat es sich um eine Art erneuerten “rundfunkpolitischen historischen Kompromiss” zwischen den beiden (ehemaligen) Großparteien gehandelt, der zwar instabil war/ist, der den ORF “as is” aber intakt ließ
(offen soll bleiben, inwieweit “schwarz-blau” von 2000 bis 2006 personell tiefgreifendere Auswirkungen auf den “schwerfälligen Supertanker ORF” hatte. Die FPÖ bzw. das BZÖ verfügten gar nicht die personellen Reserven, um im ORF eine tiefgreifendere “Wende” in ihrem Sinn zu organisieren – letztlich blieb den “Blauen” nur die Stärkung “schwarzer Spitzenkader”).
Der “großkoalitionäre rundfunkpolitische Kompromiss” bestand aus
- der Bewahrung der traditionellen “Drehtür” zwischen den Zentralen der (ehemaligen) Großparteien und dem ORF (siehe z.B. Andreas Rudas und Alexander Wrabetz, es gibt aber auch VP-Beispiele);
- Zugeständnissen an die werbetreibende Wirtschaft in Form der am Privat-TV geschulten Zeilerschen (und Zechnerschen) Programm-Philosophie, bei
- gleichzeitiger Programmauftrags-Frömmelei der “Schwarzen” samt Beibehaltung der überkommenen Unternehmensstruktur – inklusive Landesstudios, der “politischen Spielwiese” schwarzer Landeshauptmänner.
Im Rückblick hat sich diese Macht-Formel als außerordentlich erfolgreich erwiesen
- obwohl sich in den vergangenen 30 Jahren (nicht nur) für “Öffentlich-Rechtliche” praktisch alle Rahmenbedingungen geändert haben.
Der ORF wurde bis zum heutigen Tag in aufgeblähter Form präserviert, also in der Struktur aus früheren Tagen der Zweiten Republik, einer Struktur, die “zuletzt” marginal sogar noch erweitert wurde (Online, Spartenkanäle).
Vor diesem Hintergrund ist die Jeremiade der beiden “kleinen” Autorinnen des “kleinen” Falter zu beurteilen, die auf wundersame Weise das Geschäft des mächtigen ORF besorgen
(der in ähnlichen Fällen schon immer lieber im Hintergrund geblieben ist).
“Vested Interests”
Wenn man die geballte Macht
- mehrerer Parteizentralen,
- mehrerer Bundesländer,
- mehrerer zentraler ORF-Redaktionen
- und mehrerer dortiger Betriebsräte/Redakteurssprecher
hinter sich weiß, fällt es jedenfalls leichter mutig zu sein.
“Vested Interests” sagt man auf Neudeutsch zu derlei meist undeklarierten Interessen, die selbst natürlich differieren, die sich aber in einem wesentlichen Punkt treffen
- nämlich dem Wunsch nach Aufrechterhaltung des Status quo.
Die – sehr reale – Bedrohung dieses Status quo durch die F wird oft anhand der Person Kickls gezeigt, der teils ins Lächerliche gezogen (Papierschere, Stanleymesser) und teils dämonisiert wird (als Krypto-Diktator).
Manchmal freilich werden auch nur dessen “Spießgesellen” vorgeführt – Hafenecker, Nepp oder Westenthaler -, die aus ohnmächtiger Wut auf “Qualitätspresse” und ORF-Redakteure die hiesige “Medien- und Informationsfreiheit” und damit die Demokratie niedermachen wollten (Psychologisierung/Pathologisierung),
ungeachtet des Umstands,
- dass unter Journos die Voreingenommenheit gegen die F natürlich weit verbreitet ist und
- Kickl & Co. heute aufgrund allgemeiner freier Wahlen dort sind, wo sie sind.
Noch ist bei den Koalitionsverhandlungen nicht aller Abend, aber es ist klar, dass die dass die verhunzte Ampel (“Zuckerlkoalition”) gescheitert ist, dass aber die “anständige Journaille” eine solche Regierung bevorzugt hätte,
die nicht nur Geld für allerlei Transformations-Larifari ausgegeben hätte, sondern die auch auch den früheren langjährigen kaufmännischen Direktor und Generalintendanten des ORF, einen “sozialdemokratischen Emissär” zum “Medienminister” gemacht hätte.
Die in der Wochenzeitung befürchtete “Zerschlagung” und “Abwicklung” des heutigen ORF hätte unter diesen Vorzeichen natürlich nicht stattgefunden.
“Zahltag” für den ORF?
Eine Rechtskoalition unter Kickl würde das aber wohl tun
- allerdings nicht, weil es im deutschen Sprachraum so viele “befreundete Medienunternehmer” gebe, die die Überreste der hiesigen “anständigen Medien” aufkaufen könnten, oder weil die Medienfreiheit gesetzlich eingeschränkt und ein Polizeistaat errichtet werden soll,
sondern weil (auch) dem Quasi-Staatssender der Geldhahn zugedreht werden könnte.
Wie bekannt, bekommt der ORF “post Gebühren” 700 Mio. Euro aus der “Haushaltsabgabe”, die die FPÖ versprochen hat abzuschaffen (“Zwangsabgabe”). Dieses “Entgelt für die öffentlich-rechtliche Leistung des ORF” macht heute etwa 70 Prozent der Einnahmen des Unternehmens aus,
Nun muss nicht alles in einem Wahlkampf Versprochene auch umgesetzt werden,
zumal der auf der künftigen Regierung lastende Konsolidierungsdruck enorm ist.
Die Horaczek und die Toth hätten sich über diese “schlimmen Rahmenbedingungen” leicht informieren können, sie hätten nur eine Kollegin fragen oder die eigene Zeitung lesen müssen.
Laut neuem Finanzminister hat die präsumptive Rechtskoalition im heurigen Jahr 6,4 Mrd. und in den nächsten Jahren kumuliert 18 – 24 Mrd. Euro einzusparen
- und dieses Geld muss von irgendwoher kommen: von Steuerzahlern oder Transfer- und anderen Staatsmittelbeziehern.
Die leidigen “Inserat-Subventionen”
Nachdem’s mit neuen Steuern wohl wenig bis nix wird (und Substanzsteuern sowieso eine trügerische Bonanza sind, die “enden wollend” ist), wird an den Ausgaben gespart werden müssen,
und zwar nicht nur bei “Skyshield”; sondern z.B. auch am “Klimabonus”, der dem Kleinen Mann (und dessen Frau) zuerst abgenommen, aber immerhin reichlich rückerstattet wurde und der in Güter des täglichen Bedarfs umgesetzt werden konnte.
Dass der ohnedies schon spargestresste Kleine Mann Verständnis dafür aufbringt, wenn Fat cats im Quasi-Staatsfunk “Business as Usual” machen, darf bezweifelt werden
- und auch sein Verständnis für (bisherige) Förderungsnehmer inner- und außerhalb der Medienbranche dürfte sich in Grenzen halten.
Das ist – zu guter Letzt – ein Punkt, der in meiner obigen Headline zwar versprochen, aber wohl nicht gebührend abgehandelt wurde
(unglücklicherweise ist die Stunde fortgeschritten und dieser Blogger will ins Bett).
Ausweislich der Coverstory sind im ersten Halbjahr 2024 etwa 196,5 Mio. Euro an Inseraten der öffentlichen Hand an Medien geflossen, die funktionell die Rolle der abgeschafften bzw. drastisch geschrumpften Presse- und Publizistikförderung spielen (was korrekt ist).
Man darf nun getrost davon ausgehen, dass
- der Löwenanteil davon an “linke” und “rechte” anständige Medien (inkl. “anständigem Boulevard”) geflossen ist und
- dass ein kleiner Happen der Gesamtsumme auch an den Falter gegangen ist (sei’s drum).
Auch hier wird der spargestresste Kleine Mann erwarten, dass die Fat cats diesmal der Print-Branche keine Staats-Knete mehr bekommen
- selbst wenn die dabei eingesparte Summe “nur wenig” und bei weitem nicht ausreichend ist.
Die in dem Artikel insinuierte Umverteilung der künftigen Subventionen an “rechte oder rechtsextreme Medien” dürfte angesichts des “Konsolidierungsdrucks´” (siehe oben) jedenfalls eher einem bösen Traum der Verfasserinnen entspringen.
Bild: Eigenes Foto, eigene Schwärzung.
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