Erdgas, “die andere Seite”: Der Monopolist wankt – Zitat des Tages

1024px-Gazprom_logo.svg“Russian gas giant Gazprom, squeezed by plunging sales abroad as the Ukraine conflict prompts European buyers to turn away, is seeking to raise regulated prices at home to fund investment, Interfax news agency reported on Thursday (…) At home, Russia’s domestic gas prices are regulated by the government. ‘The current level of regulated wholesale gas prices does not ensure the formation of financial resources in amounts sufficient to make the necessary capital investments in the maintenance and development of gas infrastructure in the interests of Russian consumers,’ (!) Interfax cited Alexei Sakharov, a Gazprom senior manager (…),  (s)peaking at a parliamentary panel of experts.” Reuters, Gazprom seeks to raise Russia’s domestic gas prices, Interfax reports, 23.1.2025 NB zu Peak Oil und “Kalter Kriegs-Gambit”.

Man kann derlei schwer als reine West-Propaganda abtun, als es ja aus dem Mund eines Lobbyisten eines (weit überwiegend) russischen Staatskonzerns kommt.

Das, was Reuters zuerst unter Verweis auf Interfax berichtet, ist sozusagen als “Minimum” dessen zu betrachten, was Sacharow vor den russischen Parlamentariern gesagt hat

(dieses “Minimum” findet – tlw. ohne explizite Erwähnung von Reuters – z.B. auch hier hier und hier statt).

Nun gibt es freilich auch “angereicherte” Meldungen von demselben Event, beispielsweise in der britischen dailywrap oder der polnischen Tageszeitung Rzeczpospolita.

Aus diesen “angereicherten” Versionen geht u.a. hervor, dass die Gazprom selbst bei nahe gelegenen inländischen Gas-Konsumenten (also russischen Haushalten) per Gesetz nur 57 Prozent der bei ihr auflaufenden Kosten (109 Rubel pro 1.000 m3 ) verlangen dürfe und dass die Gazprom von diesen Verbrauchern nun einen Inlands-Preis von 170 Rubel pro 1.000 m3 haben wolle, also fast das Dreifache.

Diese Versionen können

  • korrekt sein und sozusagen aus einem “journalistischen Nachgreifen” bzw. “Nachrecherchieren” von Sacharows Auftritt resultieren.
  • Sie können ebensogut aber erfunden bzw. Resultat einer professionellen Desinformations-Operation sein.

Das lässt sich mit letzter Sicherheit “aus der Ferne” nicht beurteilen (Sacharows angebliche Aussagen wären für die Gazprom aber nicht untypisch – der Konzern macht schon seit langem für die völlige Freigabe der russischen internen Gaspreise Stimmung.

Was die Kalkulation selbst betrifft, erlaubt sich dieser Blogger kein Urteil. Konzerne sind jedoch nicht dafür bekannt, dass sie für sie ungünstige Modellrechnungen veröffentlichen oder dass sie sich zu eigenen Ungunsten verrechnen   :mrgreen:   ).

Während das Verhältnis von Export- und internen “administrativen Preisen” umstritten sein mag (erstere gelten als “Geschäftsgeheimnisse”),

kann kein Zweifel an dem Umstand bestehen, dass die gesetzlich geregelten Gaspreise für Haushalte nur einen Bruchteil der Exportpreise ausmachen, und dass sich die Gazprom an den – im Vergleich zu LNG – immer noch niedrigen Pipeline-Ausfuhrpreisen schadlos hält

(Nachweis-Links fehlen hier zugegebenermaßen; dieser Blogger entsinnt sich aber einer Reihe von in diese Richtung deutenden Passagen anlässlich früherer Recherchen).

Diese Preis-Bifurkation ist mittlerweile freilich ein “Ding der Vergangenheit”, denn mit dem business model ist seit Mitte 2022 hauptsächlich wg. der “EU-Sanktionen” Schluss

- und folgerichtig

Der zentrale Punkt bleibt hier freilich, dass – wie Sacharow “so oder so” erklärt hat -, ohne dem (europäischen) Auslandsgeschäft die russischen Inlandskonsumenten schwer zur Kasse gebeten werden müss(t)en

- aus betriebswirtschaftlichen Gründen, die freilich ein massives innenpolitisches Problem für den Kreml darstellen würden (viele westliche Stadtväter bzw. Versorger werden das Problem nachvollziehen können   :mrgreen:    ).

Die städtischen Ballungsräume westlich des Ural, speziell St. Petersburg und Moskau, sind an das “unifed gas transportation system” angeschlossen, dessen Ausbau in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts mit

Die neue Exportinfrastruktur ergänzt die alte, noch aus Sowjetzeiten stammende Exportinfrastruktur, die ebenfalls im Autonomen Kreis Jamal-Nenzen ihren Anfang nimmt, freilich südöstlich der neuen Gasfelder.

Russisches Erdgas ist nicht nur für das rohstoffarme (West-)Europa, sondern auch für die Russische Föderation von außerordentlicher (relativer) Bedeutung

- weit mehr als Öl (“C&C”) oder Kohle.

Wie u.a. der neuesten EI, Statistical Review pp. 38 und 40 zu entnehmen ist, konsumierte Russland im letzten “Vorsanktionsjahr” (2021) 15,5 von 25,3 Exajoules Erdgas selbst, also mehr als 61 Prozent <die Eigenbedarfs-Prozentsätze für Erdöl und Kohle liegen viel tiefer – bei 33,3% und 37,1% respektive (pp. 23 und 25 – C&C-production/Total Liquid-consumption – bzw. pp. 48 und 51 für Kohle>).

China hat mit der Power of Siberia (1) einen zwar wachsenden, aber (bisher) nicht besonders großen Anteil an den Erdgasexporten der RF. Abgesehen davon, dass es nicht besonders gut bezahlt, dürften die für die Volksrepublik relevanten jakutischen Gasfelder deutlich weniger ergiebig sein als die bis 2022 für Europa relevanten westsibirischen Vorkommen von Jamal-Nenzen.

Bild: Government of Russia, Public domain, via Wikimedia Commons

Nachbemerkung, 27.1.2025, 12.00 Uhr: Passionierte Watcher dieses Blogs glauben aus diesem Posting ableiten zu können, dass vom “Peak Oil-Gedanken” Abstand genommen worden sei.

Diesen Freunden rufe ich zu: “Au contraire, mes amis!”

Ich wollte die Angelegenheit nur nicht unnötig in die Länge ziehen und noch verwirrender machen.

Wie passionierten Watchern ebenfalls bekannt sein dürfte, wird hier davon ausgegangen, dass es Gruppen gibt,

  • denen unser Energie-Prädikament bewusst ist,
  • Gruppen, die sich auf beiden Seiten des “Weltkonflikts” befinden,
  • Gruppen schließlich, die ihren Wissensvorsprung für den Versuch nutzen wollen ihnen und ihrer Familie Hals und Vermögen zu retten.

Statt Kumbaya zu singen und ein “liberales Welt-Government” einzurichten, wird jetzt halt mit einem “Kalter Kriegs-Gambit” beendet und ein “nicht so liberales Welt-Government” eingerichtet – wenigstens versucht man es.

Voilà!

Unabhängiger Journalist

Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.