Anerkennung des Kosovo – Keil zwischen dem Westen & Russland

Der vergangene Woche ausgebrochene Krieg zwischen Russland und der Ukraine ist die Kulmination einer schon viele Jahre andauernden Entfremdung zwischen dem Westen und Russland. Der Krieg hat viele Ursachen und läuft auf zahlreichen Ebenen ab. Ein wichtiger Puzzlestein in dieser Entwicklung war die Anerkennung des Kosovo, der sich Anfang 2008 für unabhängig erklärte. Von Gregor Hochreiter

In den vergangen Jahren hat sich das Klima zwischen dem Westen und Russland sukzessive verschlechtert. Mehrfach hat der russische Präsident Putin dem Westen das Anlegen “doppelter Standards” und eine rein den eigenen Interessen dienende Interpretation der Kosovo-Politik vorgeworfen.

Eines der vielen politischen, rechtlichen und diplomatischen Konfliktfelder ist der Umgang des Westens mit der Anerkennung des Kosovo.

Das kosovarische Parlament erklärte sich am 17. Februar 2008 einseitig für unabhängig und gliederte sich aus der Republik Serbien aus.

Eine nähere Betrachtung der Liste der Länder, die den Kosovo anerkennen, zeigt, dass tatsächlich politische und nicht (völker-)rechtliche Motive im Vordergrund stehen dürften.

Wirklich hoch ist nämlich die Anerkennungsquote des Kosovo nur unter den NATO-Staaten mit 86,7% und unter den EU-Staaten mit 81,5%.

Von der Gesamtheit der UN-Mitgliedsstaaten anerkennt derzeit nur die geringstmögliche Mehrheit den Kosovo (97 von 193). Zwischenzeitlich lag die Zustimmungsquote schon bei 60%, doch 15 Mitgliedsstaaten haben ihre Anerkennung mittlerweile wieder zurückgezogen.

Die Liste an Staaten, die den Kosovo nicht anerkennen, ist lang und durchaus bezeichnend. Keine Überraschung ist, dass Serbien und sein enger Verbündeter, die Russische Föderation, den Kosovo nicht anerkennen.

Doch auch die Ukraine verweigert die Anerkennung. Das äußerte sich u.a. darin, dass das WM-Qualifikationsspiel zwischen der Ukraine und dem Kosovo in Krakau ausgetragen wurde.

Aber auch fünf EU-Mitgliedsstaaten haben den Kosovo bislang nicht anerkannt, mit Spanien als prominentestes Land. Spanien fürchtet, dass durch eine Anerkennung die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien gestärkt werden könnte.

Mit China, Indien, Indonesien und Brasilien verweigern vier der fünf bevölkerungsreichsten Staaten der Erde dem Kosovo die Anerkennung, jeweils aus Sorge, dass dadurch separatistische Bestrebungen im eigenen Land gestärkt werden können.

Die Anerkennung des Kosovo – Ein Prinizipenbruch

Nur die USA als drittbevölkerungsreichster Staat der Erde anerkennt den Kosovo.

Mit der Herauslösung des Kosovo aus der Republik Serbien hat insbesondere die EU und ihre Mitgliedsstaaten, aber auch die USA ein seit dem 2. Weltkrieg bestehendes Prinzip internationaler Politik gebrochen.

Deklariertes Ziel politischer Bemühungen war es bis dahin nämlich, nicht mehr ethnisch einheitliche Staaten zu errichten, sondern unter Beibehaltung bestehender Grenzen durch einen Schutz der Minderheiten ein gedeihliches Miteinander unterschiedlicher und vor allem unterschiedlich großer Bevölkerungsgruppen zu leisten.

Schließlich führt der Versuch ethnisch einheitliche Staaten zu bilden, zur Vertreibung der jeweiligen Minderheit aus dem Staatsgebiet. Beim Zerfall Jugoslawiens war dies auf schreckliche Weise zu erkennen.

Zur Entfremdung zwischen dem Westen, näherhin der USA, der NATO und der transatlantischen Politiker in der EU einereits sowie Russland andererseits

hat die Anerkennung des Kosovo schon auf den ersten Blick beigetragen, da dieser historisch-mythologisches serbisches Kernland ist, und Serbien zu den engsten Verbündeten Russlands zählt.

Zusätzliches Öl ins Feuer hat dann der Staatenwechsel der Krim gegossen. Denn meist haben dieselben Staaten,

die die Staatswerdung des Kosovo als völkerrechtskonform einstufen, den Austritt der damaligen „Autonomen Republik Krim“ aus der Ukraine und die gleichzeitige Eingliederung in die Russische Föderation als „Republik Krim“ für völkerrechtswidrig erachtet

(nachdem dort eine Volksbefragung abgehalten worden war).

Des Westens Heuchelei

Es ist tatsächlich schwer zu erklären, warum eine Willensbekundung der Bevölkerung in einem Referendum eine schwächerer Ausdruck des „Selbstbestimmungsrechts der Völker“ sein soll als ein Parlamentsbeschluss.

Dass das Völkerrecht immer schon ein Spielball der mächtigen Staaten war, gehört zu dessen nicht behebbaren Mängeln.

Dass der Westen aber das Anlegen von zweierlei Maß bestreitet und zugleich für sich in Anspruch nimmt, nicht interessens-, sondern rechtsgeleitet zu agieren, macht ihn auch der Heuchelei schuldig.

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