Anti Terror-Zar der EU tappt bei Moslem-Terroristen im Dunkeln

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De Kerchove, 2007

Wahrheit oder Verharmlosung? Wenn jemand zehn Mal mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist, was bedeutet dann die Aussage, dass besagte Person mehr als einmal gerichtlich verurteilt wurde? Günstigstenfalls, dass der Sprecher keine Ahnung hat. Das scheint der Fall zu sein, wenn der Anti Terror-Koordinator der EU die Zahl der radikalen (d.h. potenziell terrorbereiten) Muslime in der Union mit mehr als 50.000 beziffert.

Gilles de Kerchove, der dieser Tage übrigens am Forum Alpbach teilnimmt, hat der spanischen Tageszeitung El Mundo ein Interview gegeben, das tief blicken lässt.

In dem Gespräch beziffert de Kerchove die Zahl der radikalisierten Moslems in der EU mit

mehreren zehntausend Personen, (jedenfalls) mehr als 50.000.”

Genauer könne man das nicht sagen, u.a. weil jeder Staat bzw. nationale Dienst seine eigene Art zu zählen habe.

Vor 15 Jahren war es noch einfach jemanden zu identifizieren, der sich radikalisiert hat. Heute verbergen die meisten Fanatiker ihre Überzeugungen (…) Wir haben keine genauen Zahlen, aber es ist nicht schwierig ungefähre Schätzungen zu machen. Großbritannien hat (…) 20.000, Frankreich 17.000, Spanien viel weniger, aber mehr als 5.000, nehme ich an. In Belgien (…) gibt es 2.000 Radikale oder mehr” (jeweils eigene Übersetzung aus dem Spanischen).

Zahl und “Zahlenverhältnis” der Großbritannien zugeschriebenen Radikalen zeigen übrigens,

  • was die Angaben de Kerchoves allgemein wert sind und lassen zweitens
  • ein beträchtliches Ausmaß an Intervention in der Redaktion von El Mundo nach Veröffentlichung der ersten Interview-Version vermuten. Siehe dazu u.a. die folgende “Korrektur”:
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Quelle: elmundo.es

Um das volle Ausmaß der Veränderungen zu ermessen, die dieses scheinbar wörtliche Zwiegespräch erfahren hat, müsste man übrigens die erste Version mit der zweiten vergleichen – und zwar im Detail (was eine Aufgabe für Publizistikstudenten wäre, aber nicht für semiaktuelle Blogger).

Als die besten Instrumente, die den Sicherheitsbehörden zur Verfügung stünden, bezeichnet de Kerchove Europol sowie das Informationssystem des Schengen-Raums, er behauptet aber, dass die jüngsten Attentate “hausgemacht” und Einzeltäter auch bei besten Sicherheitsvorkehrungenn nicht zu fassen seien:

Wir werden niemals einzelne stoppen können, der sich im Internet selbst radikalisiert haben und mit einem Messer auf die Straße gehen, aber wir können versuchen massive Gewalttaten zu verhindern.”

Deshalb schließt sich de Kerchove der Aussage des ehemaligen MI5-Chefs an, der gemeint hat, dass die Europäer noch zwei Jahrzehnte mit diesen Anschlägen rechnen müssten.

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Quelle: elmundo.es

Ermittlungs- und Justiz-Farce in Spanien

Die Täuschungen und Selbsttäuschungen de Kerchoves, die hier sichtbar werden, zeigen sich übrigens an den laufenden Ermittlungen zu den jüngsten Anschlägen in Katalonien.

Über die berichtet El Mundo selbst beispielsweise hier.

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Quelle: elmundo.es

Zwar fuchtelt der zuständige Untersuchungsrichter in diesem Artikel mit theoretischen Strafdrohungen herum (“lebenslang”) - es wird jedoch überdeutlich, wie’s in der Realität läuft:

Der Anschlag auf den Ramblas, der zahlreiche Todesopfer forderte, wurde offenkundig von einer ganzen Gruppe nach Spanien eingewanderter Marokkaner verübt.

Diese haben gewusst, wie bzw. wo sie überwacht werden und konnten sich der Bespitzelung daher entziehen.

Die Haupttäter sind bei/nach den Anschlägen von Barçelona und Cambrils (angeblich) alle ums Leben gekommen – und der Name der überlebenden Helfer ist, wie zu erwerten, Hase.

Wie zum Beispiel bei Driss Oukabir, dem älteren Bruder eines der Attentäter, über dessen Verhör El Mundo berichtet.

Driss gab gegenüber dem Untersuchungsrichter lediglich zu, dass er sich der Radikalisierung seines jüngeren Bruders bewusst gewesen sei, was sich primär in häufigerem Beten und dessen neuer Meinung niedergeschlagen habe, dass der Dschihad den gläubigen Muslim auch zu gewaltsamen Handlungen verpflichte.

Ansonsten habe er, Driss, zwar den Wagen besorgt, mit dem Dutzende Passanten getötet wurden – aber nur um Bekannten, die vorgeblich übersiedeln wollten, einen Gefallen zu tun.

Bild: Wiki Commons, Public Domain

Unabhängiger Journalist

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