Bigotterie & Imperium

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Thomas Cole, Verfall des Imperiums

Das Dollar-Empire war immer schon von maximaler Heuchelei gekennzeichnet – beispielsweise bei Bürger(Menschen)rechten und Demokratie. Der Außenpolitik zuzurechnen ist auch die dritte konstitutive Bigotterie. Sie lautet: Quod licet Iovi non licet Bovi - was Washington erlaubt ist, ist anderen noch lange nicht gestattet. Paradebeispiel ist das Wehklagen über Beeinflussungsversuche der US-Wahlen 2016.

“Acts that the United States calls ‘cyber network exploitations’ when conducted by American forces are often called ‘cyberattacks’ when American citizens are the target.” David E. Sanger

Thema ist hier der speziell wilde Affentanz, den US-Demokraten und von diesen kooptierte Mainstream-Journos um wenig spektakuläre mögliche Aktionen des russischen Militärgeheimdiensts GRU aufführen.

Die vielleicht beste Erklärung für die intensivierte Affentanzerei ist, dass es dem demokratoiden tiefen Staat bis heute nicht gelungen ist, einigermaßen belastbare Beweisstücke für eine Verschwörung zwischen Donald Trump und Moskau beizuschaffen.

Das ist natürlich work in progress und es lässt sich nicht ganz ausschließen, dass unsere Verschwörungssucher mittlerweile “auf Öl gestoßen” sind.

No big there”

Das ist freilich wenig wahrscheinlich und auch die Justiz muss es irgendwann gut sein lassen und die Ermittlungen gegen einen Verdächtigen einstellen – wie intensiv suspekt dieser auch anmuten mag.    :mrgreen:

Dass da nichts Größeres ist, was man Trump “umhängen” könnte, war den demokratoiden Geheimdienstlern bereits vor mehr als einem Jahr bekannt – schon vor dem Beginn der Untersuchungen von Sonderermittler Mueller.

Das musste spätestens vergangene Woche allen bewusst werden, die den Ehrgeiz haben, ein etwas grundlegenderes Verständnis von Russiagate zu entwickeln;

einem Skandal, der sich mit der Unerbittlichkeit einer griechischen Tragödie immer mehr in ein FBIgate verwandelt.

Letzte Woche erläuterte eine ehemalige Anwältin des Büros dem US-Senat, was eine vor einem Jahr an sie geschickte SMS bedeutete (“there is no big there”).

Erwähnte Nachricht stammte vom damaligen Geliebten der Zeugin, der zu einer Gruppe hoher “demokratoider” FBI-Angestellter gehörte, die eine Präsidentschaft Trumps unter allen Umständen verhindern wollte.

“There is no big there” bedeutet gemäß Lisa Page, dass die (sich zweifellos intensiv bemühenden) Verschwörungssucher in Sachen Trump auf nichts wirklich Belastendes gestoßen sind.

Eine solche Interpretation legt einem zwar schon der gesunde Hausverstand nahe – aber das ist ein anderes Paar Schuhe, das in diesem Zusammenhang nicht zu zählen scheint.

Der Absender des Emails hatte sich bei seiner vorangegangenen Aussage vor dem Oberhaus geweigert, die Bedeutung seiner Textnachrichten darzulegen und dabei darauf insistiert, man müsse seine SMS-Kommunikation mit Page aus dem Kontext (zehntausender Nachrichten) interpretieren.

Siehe zur Aussage der Anwältin beispielsweise The Hill, consortiumnews, und den American Thinker.

Diese Geschichte konnte man bereits vor einem halben Jahr wissen, selbst wenn man geographisch eine halbe Welt entfernt war (vorausgesetzt, man litt nicht an parteipolitisch bedingter Begriffsstutzigkeit, siehe etwa hier).

Interessanterweise sind gegenläufig zu diesen Entwicklungen Nevertrumpers in Politik und Medien immer lauter geworden und haben schließlich einen solchen Lärm produziert, dass bei uninformierteren Zeitgenossen der Eindruck enstehen musste, das Russiagate-Narrativ wäre z.B. durch den Helsinki-Gipfel glänzend bestätigt worden.

Tatsächlich handelt es sich um ein politisches Delirium, das umso heftiger ausfällt, je schmäler die zugrundeliegende Faktenbasis ist. Bei der Krankheit scheint bereits ein flüchtiger Anblick auszureichen, um subjektive Gewissheit über die Schuld der Erblickten zu erlangen.

12 Hacker und ein Präsident

Was man eventuell als neue Entwicklung auffassen könnte, ist der Umstand, dass unmittelbar vor dem Helsinki-Gipfel 12 Russen angeklagt wurden, die  laut Staatsanwaltschaft die US-Demokraten gehackt haben.

Das ist nach Meinung vieler Journos ein Beweis, dass sich die Russen in die US-Wahlen eingemischt hätten.

Abgesehen davon, dass eine Anklage noch keine Verurteilung darstellt, ist es durchaus möglich, dass die Russen das ihnen zur Last Gelegte tatsächlich probiert haben.

Wer das kürzlich erschienene Buch von David Sanger überfliegt, gelangt freilich zur Ansicht, dass heute “sowieso jeder jeden hackt” und dass Moskau diesbezüglich keine Ausnahme bildet (die Chef-Hacker waren und sind die US-Amerikaner selbst).

Wenn man nun Revue passieren lässt, was zu möglichen Cyberattacken und Einmischung der Ruskis in den Wahlkampf bekannt wurde, sieht man,

  • dass jemand (vielleicht ein russischer Spion) vergeblich versucht hat, in Wahlcomputer einzudringen und dort Registrierungs-Files zu ändern und dass
  • möglicherweise in ein Netzwerk des Demokratischen Partei eingedrungen wurde, wo Emails gestohlen wurden, die danach Wikileaks zugespielt worden sind. Das mag – wenn sie so stattgefunden hat – eine in den USA eine illegale Aktion gewesen sein. Der Witz dabei ist “nur”, dass die gestohlenen Emails offenbar echt sind und alle möglichen  miesen Praktiken zeigen oder nahelegen – von der Manipulation von Vorwahlprozessen bis hin zu pädophilen Praktiken.
  • Ferner sollen russische Bots und Trolle im Internet Stimmung gegen Hillary Clinton und für Donald Trump gemacht haben und das Ganze soll die Präsidentenwahlen vom 8. November 2016 entscheidend beeinflusst haben.

Letzteres ist ein ulkiger claim, vor allem angesichts der Tatsache, dass Trump die Wahl in der weißen (Unter-)Mittelschicht gewonnen hat, bei den Deplorables, den Bemitleidenswerten, wie sich die reiche und mächtige Kandidatin der Demokraten auszudrücken beliebte.

Ihre Parteifreundin Joan C. Williams hat diesen politischen Fehler in ihrem Buch White Working Class ziemlich überzeugend dargelegt – siehe dazu  hier.

Williams Kritik wollen viele Demokraten bis heute nicht wahrhaben und speziell dieser Gruppe kommt das G’schichterl vom Donald und den bösen Russen gerade recht.

Es hilft erklären, warum die Partei mit einer tollen Kandidatin und einem noch tolleren Programm gegen einen unsympathischen und machistischen Rechts-Popo verliert.    :mrgreen:

Ironischerweise sind – auch “die alten” – Demokraten jene politische Formation, in der das Wissen über die konstitutive Bigotterie des eigenen Imperiums am weitsten verbreitet ist –

also beispielsweise darüber, dass sich die USA in der Zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer wieder in nationale Wahlen kleinerer Länder eingemischt haben, nach dieser Zählung doppelt so oft wie der Erzfeind Sowjetunion.

Literatur: David E. Sanger, The Perfect Weapon. War, Sabotage and Fear in the Cyber Age. 2018

Bild:Thomas Cole [Public domain], via Wikimedia Commons

Unabhängiger Journalist

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