David Bonilla ist ein Transport-Experte der UNAM, der sich besonders die Güterbeförderung zu Land und in der Luft während der vergangenen Jahrzehnte angesehen hat. In Air Power and Freight wendet er die erste Hälfte speziell für die Entwicklung des road transport auf, wobei er diesen Teil mit der Entwicklung einer angeblich klimatisch gebotenen “grünen” Transportvision abschließt – was jenseits jeder Plausibilität angesiedelt ist. Der zweite Teil des Buchs widmet sich der Luftfracht in Europa und China.
Dass der Mann ein Eiferer ist, der nicht davor zurückschreckt für Ideologie die Glaubwürdigkeit seiner Expertise aufs Spiel zu setzen,
beweist er im dritten Kapitel, das “Europe’s Sustainable Road Freight Transport to 2050: Closing the Gap between Reality and Vision” heißt.
Hier entwickelt Bonilla die “Vision” eines klimafreundlicheren europäischen Straßengüterverkehrs im Jahr 2050, was im Wesentlichen die Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen um 80 Prozent bedeutet (Grafik S. 54)
- von derzeit etwa 220 Megatonnen auf dann rund 40 Mt. (dem Rezensenten stehen keine genauen Zahlen zur Verfügung, nur die Grafik).
So etwas sei – wollen zahlungskräftige Eurokraten offenbar von einem Fachmann bestätigt haben – besonders grün und umweltfreundlich.
Wie viel aber sind die im Visions-Papierl eingesparten 180 Megatonnen wirklich?
Ganze 4,1 Prozent aller 2018 von den Unions-Staaten ausgestoßenen Treibhausgase (4.400 Mt CO2-Äquivalente) oder 0,3 Prozent der globalen Emissionen (51.800 Mt) – siehe PBL-Trend 2019, S. 61.
Um eine einigermaßen relevante Größenordnung zu erreichen, müssten die road freight emissions noch ein paar Jahrhunderte ungebremst weiter wachsen (was nicht einmal ansatzweise zur Debatte steht).
Dennoch will der Herr Experte dem unbedarften Publikum einreden, seine (öffentlich beauftragten?) Visions- und Backcasting-Übungen seien irgendwie bedeutsam.
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Natürlich soll nicht bestritten werden, dass in den kommenden Jahren das auf internen Verbrennungsmotoren (ICE) beruhende Transportwesen weltweit “an seine Grenzen stoßen wird”
- freilich an Ressourcen-Grenzen, wie das beispielsweise Alice Friedemann in ihrem hier besprochenen Text ausführt.
Plausibler als Bonillas CO2-Wachelei auf superschmaler statistischer Basis ist Friedemanns Szenario allemal.
Dabei ist die restliche Analyse Bonillas so uninteressant nicht:
Das zweite Kapitel kreist um den sogenannten Rebound-Effekt beim Güterverkehr auf der Straße.
Das ist der Umstand, dass eine höhere Energie-Effizienz (aufgrund von neuer Technik) nicht zu weniger Treibstoffverbrauch führt, sondern oft sogar zu mehr.
Das Urbild dieser Debatte fand vor 150 Jahren auf Anstoß von William Stanley Jevons statt,
das Phänomen zeigt sich aber nicht nur im Kohle befeuerten England des 19. Jahrhunderts – sondern zum Beispiel eben im heutigen terrestrischen Gütertransport mithilfe von Dieselmotoren.
Bonilla untersucht hier anhand von statistischem Material aus Japan, UK und Dänemark, wie stark das Rebounding jeweils ist (war) und wo dessen Ursachen liegen könnten etc.
Darüber hinaus erläutert der Autor wesentliche Konzepte seiner “Zunft”,
etwa die (Straßen)Frachtintensität pro Kopf bzw. BIP-Einheit oder den sogenannten Modal-Split (hier: Verhältnis von Straßen- zu Bahnfracht).
Die um diese Begriffe gruppierten Fragen sind schon in den Zeiten überreichen Energie-Angebots von eminenter Bedeutung
- umso mehr werden sie das in einer Zukunft sein, die, deutlich absehbar, von Knappheiten dichter Transport-Treibstoffe bestimmt sein wird.
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Im vierten Abschnitt geht Bonilla auf den in den vergangenen Jahrzehnten rasch wachsenden europäischen Luftfrachtsektor ein (ca. 6 Prozent pro Jahr).
Aus der Beförderung zeitkritischer und wertschöpfungsintensiver Güter mit Flugzeugen sind vor allem im Nordwesten des Kontinents hubs & spoke-Netzwerke entstanden, die regionales Wachstum angetrieben haben.
Der Verfasser gibt freilich zu Protokoll, dass diese Dienstleistung – im Gegensatz zur Straßenfracht – keinen fuel switch zulasse
– also keinen Umstieg auf einen “umweltfreundlichen Treibstoff” wie z.B. Strom
(was wohl auch auf den Straßentransport zutrifft – batteriebetriebene Trucks sind, noch deutlicher erkennbar als aktuelle BEVs für den Personen-Transport, dysfunktionale Monster - siehe dazu “When Trucks Stop Running”.)
Das letzte Kapitel vor den Schlussfolgerungen schließlich geht auf die rezenten Luftfracht-Entwicklungen in China ein und kommt zum wenig überrschenden Schluss,
dass das stürmische Wachstum der vergangenen eineinhalb Jahrzehnte die Verwandlung der Volksrepublik in eine Handelsgroßmacht nachvollzieht.
David Bonilla, Air Power and Freight. The View from the European Union and China. 2020
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