Das Ende von Bail In, serviert auf Kärntner Schuldenschnitterl

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Kärnten-Retter Schelling in einem früheren Leben

Wer erinnert sich noch an den terminus technicus Bail In, der nach der zypriotischen Bankenkrise 2013 populär geworden ist? Er bedeutete, dass die “Gläubiger” einer kaputten Bank bis hinunter zum Einleger in die Bresche springen müssen, ehe der Staat um Geld gebeten wird. Seit 2016 ist diese Philosophie EU-Gesetz. Höchste Zeit für ein bisschen Rechtsbeugung, wieder einmal! In Italien und Österreich hätt’ man gern (macht man) jetzt wieder einen bail out. Mal sehen, was Berlin bei der Deutschen Bank tut.

Vor allem die alternativen Medien nahmen den Stichtag 1.1.2016 zum Anlass und begannen, ihren Lesern die möglichen Folgen der Bail In-Vorschriften auszumalen: Girokontobesitzer und Sparer befänden sich in akuter Gefahr enteignet zu werden, hieß es meist.

Das war und ist bis heute nicht auszuschließen – beruht es doch auf der aktuellen Gesetzeslage. Aber: Viele sonst oft erstklassig informierte Autoren machten – zum wievielten Mal eigentlich – den Fehler, offizielle Ankündigungen für bare Münze zu nehmen (und aus diesen ihre Schlüsse zu ziehen).

Ich will mich gar nicht ausnehmen. Ich war naiv.

Ich glaubte damals auch, dass  jetzt eine Art Bail In stattfinden würde, verleitet durch die Idee, dass der Fall günstig liege, weil keine Einleger enteignet werden mussten (es gab kaum welche). Ferner täuschte mich die radikale Rhetorik der Finanzmarktaufsicht, die nach dem Scheitern eines ersten Angebots an die Hypo-Gläubiger am 10. April 2015

  • einen Schuldenschnitt von 100% für alle nachrangigen Verbindlichkeiten sowie
  • einen Schuldenschnitt um 53,98% auf 46,02% für alle berücksichtigungsfähigen vorrangigen Verbindlichkeiten

verfügte.

Ich glaubte den Unsinn, obwohl damals leicht zu erkennen gewesen wäre, dass die Ankündigung ein reiner Spielzug auf dem Verhandlungsweg nach oben war.

Heute, im Oktober 2016, haben die Gläubiger das zweite Angebot angenommen und neun Zehntel von ihnen – die vorrangigen – werden (fast) völlig befriedigt. Nicht verwunderlich, dass besagte Presseerklärung bei der FMA mittlerweile den Verschwindibus gemacht hat.

Wie man als Gläubiger auf seine Rechnung kommt

Offiziell ist für die Vorranggläubiger jetzt ein Haircut von 25 Prozent herausgekommen, der sich faktisch freilich auf gegen null Prozent reduziert. Nur erkennt das das Publikum nicht, das die 490 Seiten des Angebots nicht lesen kann und will.

Ein wesentlicher Punkt ist sicherlich Seite 50 des Prospekts, wo beschrieben wird, wie Halter von vorrangigen Wertpapieren in zwei Monaten 90 Prozent des Nominales statt sofort 75 Prozent in bar bekommen.

Darüber hinaus gibt es noch diverse offizielle und inoffizielle Zuckerl, mit denen vor allem der gewiefte money manager sicherstellen kann (konnte) völlig ungeschoren davonzukommen.

Die anderen eher nicht so hellen Gläubigervertreter können sich damit trösten, dass sie wenigstens nicht Hemd und Hose verloren haben.

Ein bißchen Geld zu verlieren ist zwar nicht gerade die Mission von Finanzinvestoren, aber unvergleichlich besser als ein ernsthafter Schuldenschnitt wie z.B. für bestimmte Griechen-Bonds im Jahr 2012 (wo eine österreichische Staatsbank das Kunststück zuwege brachte Milliarden in den Sand zu setzen, obwohl sie gar keine Griechen-Bonds hielt).

Der gut informierte Asset Manager konnte aus der Sache sogar noch ein nettes Geschäft machen, indem er z.B. im April 2015 Hypo-Anleihen kaufte und so seinen Einkaufskurs runtermischte.

Freilich brauchte man auch dafür keine speziellen Kontakte, sondern nur einen Bloomberg-Schirm, wo man am 29. April folgende Headline lesen konnte:

Austria Has Its Own Little Greece to Deal With”.

Es war dies die Meldung zweier in Wien stationierter Journalisten, die – ganz Profis – tief in die rhetorische Kiste gegriffen hatten. Am nächsten Tag kam aber gleich die Entwarnung eines in USA sitzenden Bloombergview-Kolumnisten (eigene Hervorhebung):

Carinthia Won’t Be the Next Greece (…) The Austrian government will ultimately rescue it — but not until it has worn down debt holders to limit its losses.”

Oder wie der gemeine Finanzkommentator halt so daherschreibt.

Der langen Rede kurzer Sinn: Die Republik hat zusammen mit ihrem Juniorpartner Land Kärnten (1,2 Mrd. Euro) ein Bail out auf Steuerzahlerkosten veranstaltet um Klagenfurt vor der Pleite zu bewahren.

Auf Kosten des österreichischen Steuerzahlers sowie des Freistaats Bayern.

Das PR-Team von Finanzminister Hans Jörg “Registrierkasse” Schelling scheint sich freilich bereits den Kopf darüber zu zerbrechen, wie man die vorliegende Katastrophenbilanz schönrechnen könnte.

Dabei geht es gar nicht primär um die Vorhersage, dass aus der Abwicklung keine besondere zusätzliche Belastung des Budgets mehr zu erwarten sei (ein paar Hundert Mille werden schon noch drinnen sein).

Das scheint zu defensiv zu sein.

Ziel ist es offenbar, den Journalisten einzureden dass die Republik pari aussteigen oder sogar noch ein Geschäft machen könne – weil nämlich bis 2020 aus der Abwicklung der Hypo Alpe Adria 7,7 Mrd. Euro zu erwarten seien.

Diese Summe ist angesichts von ein paar hundert Millionen Euro, die bisher aus diversen “Verwertungen” (Auslandstöchter, Immobilien, verpfändete Autos und Jachten) hereingekommen sind, nicht erklärlich.

Die einzige Erklärung, die es dafür geben könnte, ist, dass die genannte Summe auch die bei der Abwicklung abgegebenen Kreditportfolios beinhaltet (mehr dazu hoffentlich in einem meiner nächsten Postings).

Bis jetzt sind jedenfalls rund sechs Mrd.Euro aus dem Budget in die Pleitebank geflossen – 5,5 Milliarden bis zum Zahlungsmoratorium im März 2015 und danach noch ein paar hundert Millionen in eine formell von der Abbaugesellschaft abgetrennte Italien-Tochter.

Auch Renzi will wieder outbailen

Aber auch Italien, wo die Banken sogenannte Non Performing Loans in Höhe von 360 Mrd. Euro angesammelt haben, glaubt wieder, mit Steuergeld (bzw. Kredit) Banken retten zu müssen (ein beträchtlicher Teil besagter Loans ging in den ökonomisch schwachen und von organisierter Kriminalität beherrschten Süden).

Je mehr Ausfälle dieser Art es gibt, desto mehr Eigenkapital wird aufgezehrt – und nach der ursprünglichen Idee des Bail In müssten jetzt, noch bevor die Einleger zurKasse gebeten werden, die Anleihengläubiger in Vorlage treten.

Im Regelfall also Institutionen, die für Einzelkunden Kapital veranlagen (z.B. Versicherungen, Pensionsfonds). Bei denen geht im Ernstfall zwar auch das Geld kleiner Leute flöten, aber vielleicht nicht gleich und unwiderruflich.

Das Sonderproblem in Italien ist nun, dass dort untypisch viel sogenannte Retailkundschaft den Banken Kredit gegeben hat. Laut IWF befindet sich ein Drittel des vorrangigen und die Hälfte des nachrangigen Kredits, der in Banken steckt, in der Hand von Otto und Grete Normalverbraucher (auch die befinden sich in einer Welt der Nullzinsen im Anlagenotstand).

Es macht sich aber politisch nicht besonders gut, wenn diese Leute eines Tages herausfinden, dass sie zwar Eigentümer einer wertlosen Bank sind, drüber aber ihre Ersparnisse verloren haben.

Deshalb zieht Matteo Renzi Bail Outs mittlerweile weiteren Bail Ins vor (es gab bereits regionale Versuche, die ihm politisch nicht besonders bekommen haben).

Die EU und die Deutschen lassen den Matthäus aber (noch) nicht, u.a. weil die EU erst vor kurzem Bail Ins beschlossen hat und das gegen die Regeln ist (die rechtliche Situation mit der Heta liegt übrigens noch etwas anders).

Mal sehen, ob bei der Deutschen Bank doch noch Geld fließen muss und ob Mutti & der Rollstuhlfahrer dann etwas aus dem Staatssäckel herausrücken, oder ob sie die Anleihezeichner einladen das Eigenkapital der DeuBa zu verstärken.  :mrgreen:

Foto: Franz Johann Morgenbesser via Wikimedia commons, CC BY-SA 2.0 

Unabhängiger Journalist

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