Das Syrische Lügengebäude und was Journos sagen & verschweigen

Der am 7. April erfolgte angebliche Giftgaseinsatz in einer von “Rebellen” gehaltenen Kleinstadt nordöstlich von Damaskus hat sich zu einem Lackmustest entwickelt, wo die Journalisten und wo die Schmieranten sitzen. Der Versuch, mit bescheidenen Mitteln und äquidistant zwischen den Stühlen sitzend die Sachlage zu beurteilen, wird gar nicht mehr unternommen. Man hat sich dazu entschlossen, den einen oder den anderen zu glauben – tertium non datur.

“Der Westen” und seine Geheimdienste sagten nach dem 7. April sofort: die Assad-Leute waren’s und diese Behauptung wurde in den Morgenstunden des 14. April mit einem Raketenschlag der USA, Frankreichs und Großbritaniens gegen Syrien sozusagen “untermauert”.   :mrgreen:

Syrer und vor allem Russen waren (zunächst) etwas weniger eindeutig in ihren Aussagen.

Sie beschuldig(t)en z.T. die Islamisten, die ohne jeden Zweifel über Giftgas verfügen, zumindest über “alte”, 50 oder gar 100 Jahre alte C-Waffen (würde eine große ABC-Macht heute “state of the Art-Giftgas” einsetzen, würden sofort Tausende Zivilisten “vertilgt werden”).

In den vergangenen Tagen hat “v.a. auf russischer Seite” eine andere Version des Douma-Vorfalls Prominenz gewonnen und sich mittlerweile zum exklusiven Erklärungsansatz (der Russen!) gemausert: dass die Geschichte nur ein hoax gewesen sei, fake news, ein inszeniertes event, wie zuvor schon bei anderen Gelegenheiten.

Um diese Version zu untermauern, haben die Russen am Donnerstag eineinhalb Dutzend Syrer nach Den Haag fliegen lassen (wo die OPCW sitzt).

Die haben dort “bezeugt”, dass der Vorfall “nicht in echt” stattgefunden habe.

Wenn sich dagegen herausstellen sollte, dass die OPCW-Proben doch Chlorin und/oder Sarin enthalten, werden die Russen plausibel erklären müssen,

  • warum sie das nicht erkennen konnten bzw.
  • wie die Proben in der OPCW manipuliert wurden.

Die westlichen Botschafter haben die PK vom Donnerstag jedenfalls als Inszenierung abgetan und die westlichen Mainstream-Medien, die offenbar auch von ihren Regierungen kontrolliert werden, haben gar nicht bzw. nicht adäquat berichtet.

Die von Moskau kontrollierten Medien haben groß berichtet, sodass alles auf die Entscheidungsfrage hinausläuft, wem man Gehör zu schenken bereit ist.

Natürlich waren die in Den Haag präsentierten Zeugen nicht wirklich frei, Aussagen nach bestem Wissen und Gewissen zu machen – aber das heißt nicht, dass ihre story zwingend falsch ist.

Unabhängigen Medien stünde es gut an, über diese Zeugenaussagen zu berichten, natürlich auch mit einer Portion Skepsis – ebenso, wie diese Medien den Aussagen ihrer eigenen Regierungen entgegentreten sollten: skeptisch-distanziert, aber fair.

Blackout oder Informationskriegsführung zugunsten einer Seite ist per se verdächtig, ebenso wie offenkundige Ablenkungsberichterstattung, beispielsweise über die Lieferung eines Bauteils von einem Nervengas, der sich bei näherer Betrachtung als einfach herzustellender Allerweltsstoff entpuppt – siehe zur Isopropanol-Affäre z.B hier und hier (gesamter Thread).

Das ist für die involvierten Politiker und Medien nicht nur peinlich, es ist grade in solchen Fällen mit Händen zu greifen, dass

  • die meisten Journos keine Ahnung haben und dass sie
  • sich vornehmlich von den “eigenen Leuten” gerne instrumentalisieren lassen.

Keine Ablenkungsberichterstattung ist in den Augen dieses Bloggers gegeben, wenn z.B. darüber berichtet wird, dass es nach den Aussagen eines namentlich nicht genannten OPCW-Mitarbeiters, im von US-Raketen zerstörten Barzeh-Labor in Damaskus keine Giftstoffe gegeben habe.

Das ist bedeutsam und newsworthy, obwohl das jeder Person mit ein paar Gehirnzellen sowieso klar sein musste.

Es muss aber “quasi-objektiv” festgestellt werden, weil “selbsternannt glaubwürdige” Medien bestimmte Fakten nur dann berichten, wenn sie sozusagen eine notarielle Beglaubigung dafür in Händen halten (in anderen Fällen reichen selbst schwache Anhaltspunkte für gewagte Spekulationen).

Dass ein Gebäude, in dem Kampfstoffe gelagert sind, bei der Zerstörung eine tödliche Gaswolke produzieren würde, reicht dieser Sorte von Journos nicht.

Denn das ist “nicht beweisen” (so wie das Gesetz der Schwerkraft nicht bewiesen und nicht einmal “100% beweisbar” ist).

Natürlich ist eine Kriegslüge mehr nicht die alles entscheidende und vielleicht nicht einmal eine vorrangige Frage. Aber sie ist ein relevantes Faktum.

Unabhängiger Journalist

Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.