Der Unwille ein rasches Ende speziell von Europas Ölversorgung in Betracht zu ziehen ist groß. Solche Ideen seien unrealistische Alpträume von Über-Pessimisten und könnten sich nicht auf beobachtbare Vorgänge berufen, heißt es etwa. Hier die Modellrechnung eines Teilchenphysikers, die auf bekannten historischen Parametern beruht. Sie zeigt, wie Angebot/Konsum binnen 20 Jahren um 70% einbrechen können.
Ein Rechenmodell ist nichts als ein Rechenmodell, das nur so gut ist wie die Annahmen, die es verwendet – das betont dieser Blogger zum Beispiel in Zusammenhang mit den Klimamodellen des IPCC gerne.
Ein Rechenmodell ist keine Vorhersage ohne Wenn und Aber.
Ein Rechenmodell lebt davon, gute oder nicht so gute Daten aus der Vergangenheit fortzuschreiben und ist anfällig, “gamechanger” von eigentlich zu erwartenden Entwicklungen zu verpassen.
Dies gesagt habend muss festgestellt werden, dass
- Michael Dittmars Modellierung von lokaler Produktion/Verbrauch von Erdöl(produkten) viel einfacher und transparenter ist als jedes Klimamodell;
- dass seine Annahmen unvergleichlich robuster sind als die der Klima-Modellierer – weil Daten zu Produktion, Konsum und Exporten über die vergangenen Jahrzehnte verfügbar sind (wie “gemanagt” sie punktuell auch sein mögen); und
- dass für diesen Blogger kein ernsthafter gamechanger erkennbar ist – weder auf der Produktionsseite (z.B. shale oil) noch bei der “Nachfrage”, etwa durch eine echte, massenhafte Abkehr der Konsumenten von Ölprodukten. So etwas findet nicht in den Industrieländern und schon gar nicht in der sogenannten Dritten Welt statt. Weder mediales Gelaber noch die Verbotspolitik von Regierungen kann daran etwas ändern.
Das Modell
Das Dittmar-Modell ist in zwei Tranchen publiziert worden, der breiten Öffentlichkeit zugänglich und im Internet (bisher) kostenfrei beziehbar, siehe z.B. hier und hier.
Der erste, nun schon vor eineinhalb Jahren erschienene Teil widmet sich der Produktion. Sein zentraler heuristischer Mechanismus besteht in der Etablierung eines typischen Produktionsverlaufs “auf der Rückseite der Kurve”.
Quellen sind die Produktionsverläufe in der Nordsee, Indonesien und Mexiko, die praktisch identisch sind – wenngleich sie real im Abstand von einigen Jahren aufgetreten sind (die Produktion in den USA passt nicht hinein, auch nicht vor der “Explosion” der shale oil-Produktion ab 2013).
Dabei wird eine ca. fünf Jahre dauernde Plateauphase mit stabiler Produktion angenommen, gefolgt von fünf Jahren mit einem je dreiprozentigen und danach einem sechsprozentigen Rückgang p.y.
Die Ergebnisse, zu denen Dittmar auf Basis dieses Modells kommt, stehen in auffälligem Gegensatz zu den Zahlen, zu denen die International Energy Agency (IEA) z.B. in ihrem World Energy Outlook 2016 gekommen ist.
Der zweite, erst Ende 2017 veröffentlichte Teil beschäftigt sich vordergründig nur mit dem Ölverbrauch und den Exportmustern der kommenden Jahrzehnte, es sind aber eben diese 19 Seiten, in denen die Katze wirklich aus dem Sack gelassen wird.
Die Produktion
Hier wird – auch in Tabellenform – erst richtig deutlich, was das Dittmar-Modell allein über die künftige Erzeugung der wichtigsten Produktionsregionen (Länder) aussagt.
Statt vieler Worte eine kleine Tabelle der (“maximalen”) Produktion von Erdöl und -äquivalenten in wichtigen Regionen (nur “liquids”). Die Werte sind in Millionen Barrel pro Tag und der Tabelle 4 des zweiten Teils entnommen – auszugsweise und nur für die Jahre 2015 (BP-Zahlen), 2025 und 2035.
2015 | 2025 | 2035 | |
USA | 12,7 | 11,6 | 10,3 |
EU + (Norwegen) | 3,5 | 1,9 | 1,2 |
China | 4,3 | 2,6 | 1,4 |
Millterer Osten | 30,1 | 30 | 30 |
Ex-Sowjetunion | 13,9 | 10,0 | 5,9 |
Das hieße:
- Die USA könnten vor allem wg. shale oil die Produktion weitgehend konstant halten.
- In Europa ist die Erzeugung schon heute marginal und wird noch marginaler.
- In China crasht die Eigenproduktion – wie aber weiter unten argumentiert wird, kann der jähe Fall durch Importe etwas abgefedert werden.
- Die Produktion im Nahen/Mittleren Osten bleibt stabil (und der Export auch weitgehend).
- Russland crasht, zuerst aber der ältere, westlich der Ural-Linie gelegene Teil.
Der Verbrauch
Jetzt der Konsum (die “definitorische Nachfrage”) sowie nachgestellt – quasi zur Erläuterung – der Import von Öläquivalenten. Die Zahlen finden sich in Tabelle 6.
Die drei Schwerpunkte sind diesmal die USA, Europa und China, die großen Verbraucher-Blöcke.
2015 | 2025 | 2035 | |
US-Konsum | 19,4 | 15,6 | 14,3 |
US-Importe | 6,7 | 4,0 | 4,0 |
Konsum EU (+ N + CH) | 13,2 | 7,6 | 4,1 |
Import EU (+N + CH) | 9,8 | 5,7 | 2,8 |
VR China – Konsum | 12,3 | 9,3 | 7,0 |
VR China – Import | 8,0 | 5,7 | 4,9 |
Auch diese Werte sind in mbd und “maximal” – was bedeutet, dass sie bei ungünstigen politischen Umständen schlechter ausfallen können.
Ein paar Punkte dazu:
- Der US-Ölkonsum sinkt laut Projektion bis 2035 nur um 26 Prozent, was vor allem auf die eigene Förderung (inkl. shale) zurückzuführen ist.
- Der europäische Ölkonsum sinkt dagegen um 69 Prozent, was vor allem auf den Produktionseinbruch in Russland zurückgeht.
- Der chinesische Ölkonsum wird dagegen “nur” um 43 Prozent reduziert, obwohl die Eigenproduktion ähnlich wie in Europa verfällt. Das ist vor allem den Importen aus Mittelost und dem östlichen Russland zu danken.
Für Russland & Co. wird in einer anderen Tabelle sogar ein steigender Erdölverbrauch projiziiert – trotz Crash in Westsibirien.
Auch die Szenarien für den Konsum und die Importe werden auf Basis früherer Entwicklungen gerechnet und spiegeln daher eine “automatische Fortschreibung” vergangener Prozesse wider.
Ein erster smell test
Dieser Blogger findet die Projektionen 2035 (auf Basis einer jahrelangen Beschäftigung mit diem Thema)
- einigermaßen plausibel, was Europa und die Volksrepublik China betrifft;
- Er hält den Zustand der westsibirischen Felder bzw. die dortigen Entwicklungschancen aber für besser als das Modell es vermuten lässt und
- er sieht sich in diesem seinem Urteil über die USA im Wesentlichen bestätigt, glaubt aber, dass das Dittmar’sche Bild etwas zu rosig ist. Der aktuelle shale oil boom trägt nicht weit genug um die Rückgänge beim Konsum so sehr in Grenzen zu halten.
- Besonders wenig plausibel scheint diesem Blogger jedoch, dass der Nahe/Mittlere Osten in den nächsten 20 Jahren stabil produziert. Die supergiants in Saudiarabien sind dem Vernehmen nach am Ende und können nur mit massivem technischem Einsatz am Produzieren gehalten werden. Vielleicht mit Ausnahme des Irak ist in der Region auch der hinterste Winkel bereits exploriert.
Fazit: Westeuropa würde einen furchtbaren, zuerst wirtschaftlichen, damit auch sozialen und kulturellen Schlag erhalten, wenn ein Standbein, das 34 Prozent seiner Primärenergie stellt, einfach so einknicken würde.
Aber es wäre noch nicht das Ende von elektrischem Licht, Warmwasser und Raumheizung. Das würde erst kommen, wenn
- das Stromnetz zerstört ist und
- kein bzw. zu wenig Gas importiert werden kann.
Dank an die “Energieskeptikerin” für ihre Anregung!
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