Der Wirtschaftsanwalt James Rickards hat mit seinem kürzlich publizierten Weg ins Verderben ein großartiges Buch geschrieben, das man nur als Watschentanz für US- und EU-Eliten beschreiben kann. Keine der heutzutag’ unumstrittenen Doktrinen und auch keine historische Lichtgestalt ist vor ihm sicher. Was für ein Glück, dass die medialen Schoßhündchen der Macht nur selten Bücher lesen. Dieser Ketzer müsste nämlich dringend auf einen der modernen Scheiterhaufen gekarrt werden NB über den Vorteil des englischen Originals. .
Eine menschliche, allzu menschliche Schwäche hat der Mann freilich.
Er will als erfolgreich angesehen werden und erzählt daher gern, wie ihm die Finanzelite bzw. deren Consiglieri Geheimnisse anvertrauen, vorzugsweise in exklusiven Restaurants in Manhattan, bei Austern und altem Wein.
Nicht selten handelt es sich bei seinen Gesprächspartnern um schöne Frauen mit einem IQ von 150….
Nun sind diese Geheimnisse keine echten Geschäftsgeheimnisse, sondern eher Wissenselemente, die man als Wall Street-Allgemeingut bezeichnen könnte – die für Nicht-WSJ-Leser aber durchaus Neuigkeitswert haben und Einsichten erzeugen können.
Was vor allem zutrifft, wenn man über die Begrifflichkeit und den historischen Überblick verfügt, um die “Geheimnisse” auch einordnen zu können – worin Rickards durchaus gut ist. Zweifellos besser als 99 Prozent der Pinscher in den MSM.
Zentral ist die Szene, in der erzählt wird, dass die US-Regierung dem weltgrößten asset manager im Krisenfall das Liquidieren von Wertpapieren verbieten will (Seite 32).
Das ist der Ausgangspunkt für Rickards Projektion des nächsten epileptischen Anfalls und seiner Ansicht, dass die movers and shakers hinter den Kulissen diese Krise über ein Einfrieren der Finanzmärkte durchstehen wollen.
Das ist eine Inferenz, die nicht zwingend, aber durchaus diskutierenswert ist.
Rickards meint, dass die Zentralbanken den gleichen Trick wie 2008 nicht mehr durchziehen können, weil ihre Bilanzen noch so aufgebläht wie vor fünf Jahren sind und sie die Menge des Zentralbankgelds nicht noch einmal vervielfachen können, jedenfalls nicht so, dass es erkennbar ist.
Ergo, meint er, wird das “Lösungsmodell” der Eliten (zunächst) eher dem von 1932/33 als dem von 2008 ähneln. Also: kein Geld mehr aus ATM-Maschinen, über Aktienkonten und von Geldmarktfonds.
Kein Geld mehr für Konsumenten und Sparer, aber auch nicht für Aktionäre und Investoren.
Die gesetzlichen Grundlagen dafür bestünden ja bereits, sagt Rickards – z.B. rund um internationale bail in-Regelungen oder in kaum verdeckten Polizeistaatsgesetzen (in den USA).
Lösungsmodell Ice-IX
Um die Situation zu bebildern, bemüht Rickards eine Metapher, die ursprünglich aus einem satirischen science fiction von Kurt Vonnegut stammt: Ice-IX ist ein Wassermolekül, das alles, was mit ihm ihn Berührung kommt, tiefgefriert.
Damit, sagt er, wollen die Yellens & Draghis dieser Welt einen universalen bank run verhindern – und Zeit gewinnen bis die rettende Kavallerie eintrifft.
Die rettende Kavallerie wäre in diesem Fall der IWF, der das System über Sonderziehungsrechte noch einmal mit flüssigen Mitteln versorgen und retten würde.
Damit hätte man ein beliebig manipulierbares Fiat-Weltgeld etabliert, das von außen nicht als solches erkennbar ist, weil die traditionellen Währungseinheiten – z.B. Dollar, Euro – erhalten bleiben würden.
Das wäre dann doch wieder eine “Lösung á la 2008″, aber möglicherweise eine, die die Leute nicht mehr so leicht durchschauen.
Damit könnte man versuchen, trotz erneut explosionsartiger Geldschöpfung das Vertrauen in das Finanzsystem zu erhalten.
Nun sollte man nicht drauf wetten, dass Rickards dieses Szenario im Aureole zugeflüstert bekam. So vertrauenswürdig ist unser frenemy des westlichen Geldadels auch wieder nicht.
Was hier passiert, ist: Rickards zählt zwei und zwei zusammen, wobei die Bestandteile dieser seiner Addition in jahrzehntelanger Berufspraxis erworben worden sind.
Wenn seine Prämissen stimmen, wird Rickards recht behalten.
In der Zwischenzeit verwüstet er noch schnell ein paar Dogmen, die unseren Finanzeliten lieb und wert sind (und bezeichnet Woodrow Wilson und Franklin Delano Roosevelt nebenher als Faschisten).
Das Gleichgewichtsmodell des Liberalismus, die frequentistische Statistik, die Modelle vom rationalen Verhalten der Wirtschaftssubjekte sowie der effizienten Märkte und auch Ricardos Idee vom komparativen Vorteil, die bis heute zur Legitimation schrankenlosen Freihandels dient, lehnt er ab.
Rickards ist gegen den schrankenlosen Freihandel – und das müsste ihm eigentlich auch die Verurteilung durch die Österreichische Schule der Nationalökonomie eintragen, mit der er sonst so viel gemeinsam hat.
Auch ist er der Meinung, dass nicht der Liberalismus, sondern der ihm vorangehende Merkantilismus den Reichtum des Westens ermöglicht hat.
Das sind zwei Gründe, warum auch die Austrians Rickards Autodafé freudig beiwohnen würden (werden).
Handel in den Zeiten des gemanagten Dollars
Genauer gesagt widerlegt Rickards Ricardo nicht – er sagt nur, dass die realen Bedingungen von heute den Wohlfahrtseffekt zunichte machen, den Ricardo verspricht, speziell in Ländern wie den USA mit ihrem Dollar.
So gesehen zählt Rickards zur Wirtschaftsminister-Personalreserve der Regierung Trump.
Grad dass er nicht offen erklärt, dass der Dollar und das Währungsmanagement durch Fed die Ursachen sind, dass es den amerikanischen Arbeitern immer schlechter geht (und Ricardo nicht anwendbar ist).
Dann freilich wäre wirklich Schluss mit lustig – sofort.
James Rickards, The Road to Ruin. The Global Elites’ Secret Plan for the Next Financial Crisis. 2016
James Rickards, Der Weg ins Verderben. Wie die Eliten die nächste Krise vorbereiten und wie Sie sich davor schützen können. 2017
Nachbemerkung, 15.6.2017, 6.45Uhr: Freunde der deutschen Sprache halten mir vor, dass für diese Besprechung das englischsprachige Original verwendet wurde.
Die Antwort ist, dass das Original um 10 Euro billiger war (und im übrigen rede ich so, wie mir der Schnabel gewachsen wurde).
Ferner hat ein Medium des deutschsprachigen Mainstreams den Weg ins Verderben sehr wohl wahrgenommen und als Apokalypsebuch bezeichnet. Dieser Schreiberling scheint nicht zu wissen, was eine Apokalypse ist. Rickards:
Periodically things collapse. It is not the end of the world. It is the end of an age.”
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