Überwiegend niederländische Autoren haben einen Band über die Geopolitik der Erneuerbaren veröffentlicht, der zu 20% aus irgendwie nachvollziehbaren Beobachtungen/Ableitungen und zu 80% aus ideologischem Müll besteht, der weder Wissen schafft noch Hilfestellungen für eine praktische Politik liefert. Politicos, denen das in den weltanschaulichen Kram passt, werden das Zeug trotzdem wie Nektar schlürfen. Für sie sind die 100 Euronen, die ein Privatmann für die Pseudowissenschaft zahlen muss, kein Problem.
Grund sind nicht so sehr üppige Politico-Gagen, sondern ist eher der Umstand, dass sie (bzw. die “realen Leser” des Buches, ihr Stab) Zugang zu Bibliotheken haben, die das Buch “sowieso anschaffen müssen” – mit Steuergeld, versteht sich.
Von den “politischen Lesern” abgesehen, führen sich derlei nur ein paar Uni-Kollegen und Studenten zu Gemüte, die auch nichts dafür aufwenden müssen – wobei die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um Angehörige desselben Kults handelt, relativ hoch ist.
Die großen und kleinen Akademiker finden das üblicherweise ganz toll, ebenso wie die politischen Leser, die von Titeln und Gelehrsamkeit der Geschwätzwissenschafter hin- und hergerissen sind.
Die Glaubensbrüder in der scientific community wiederum halten das (im Regelfall) für super, weil ihre eigenen Analysen und Postulate Ausgangspunkt für das “framework of analysis” und die “expectations” sind, die hinsichtlich einer neuen Geopolitik der erneuerbaren Energie dargelegt werden.
Das sind natürlich durch die Bank Erwartungen von dienstälteren Sektenmitgliedern – aber hey: die haben alle impeccable credentials.
Nicht viel tut es zur Sache – da stimmt dieser Rezensent zu -, wenn die erwarteten geostrategischen Auswirkungen der renewable-Revolution heute noch nicht so recht sichtbar sind – schließlich gibt’s ja noch nicht so viel erneuerbare Energie.
In der EU sind es nach den zuletzt verfügbaren Zahlen 17 Prozent des konsumierten Stroms – also etwa fünf Prozent der dort eingesetzten Primärenergie (bin gerade zu faul, die genauen Werte nachzuschlagen):
Warum, bitteschön, sollten in einer Wirtschaft, die zu gut 80 Prozent auf fossilen Energieträgern beruht, die in dem Buch behaupteten neue Regeln schon offenkundig sein?
Die Erwartungen, die die Herausgeber formulieren, haben sich diese also nicht selbst aus den Fingern gesogen – nein, die haben sich die Autoren der Sekundärliteratur seit vielen Jahren aus den Fingern gesogen.
Wobei man – um fair zu bleiben – manches akzeptieren muss, etwa, dass es auch in einem künftigen Zeitalter der Erneuerbaren gewaltige Konkurrenz um Ressourcen geben wird (nicht nur um “rare earths”!).
Der aus “praktischer Hinsicht” eklatanteste Mangel freilich ist, dass vier Tendenzen postuliert werden, sie sich nach Meinung der Autoren aus einer sozusagen idealtypischen Gesellschaft ergeben, die auf renewables beruht.
Das kann für die nächsten Jahrzehnte des Übergangs keineswegs angenommen werden – kinetische Waffen(systeme) vom gepanzerten Truppentransporter bis hin zu Flugzeugen und Raketen basieren auf konzentrierten, fossilen Energiequellen.
Diese ermöglichen die Anwendung von militärischer Gewalt – echter und angedrohter – und sind per definitionem ein wesentlicher Faktor von Geopolitik.
Jeder männliche oder weibliche Politico, der Panzer mit Batterien pushen würde, die mit 100% erneuerbarem Strom geladen werden, wäre zwar voll auf Linie der Erneuerbaren-Sekte, gleichzeitig aber auch ein Fall für den Darwin-Award, mit dem Menschen (Kollektive?) ausgezeichnet werden, die sich um das Auslöschen des eigenen Erbguts verdient gemacht haben.
Projektionen und Postulate
Doch selbst die Erwartungen, die an eine Geopolitik einer ferneren, erneuerbaren Zukunft gerichtet werden, sind mehr als fragwürdig.
Zum Beispiel die Annahme, dass ein solches Zeitalter mehr “Waffengleichheit” zwischen “Zentrum und Peripherie”, Energieproduzenten und -konsumenten, mehr (wirtschaftliche) Konkurrenz und allgemein ein friedlicheres Miteinander produzieren würde – siehe z.B. Seite 19:
The first set of expectations relates to a shift from oligopolistic to more competitive markets. Fossil fuels (coal, oil, and gas) are finite and depleting resources whose reserves are geographically concentrated. Some countries possess them while others do not. Consequently, we see an oligopolistic market (…) Renewable energy, in contrast, is abundant and relatively evenly spread across the globe.”
Wie das?
Ist etwa die Sonneneinstrahlung am Äquator und im hohen Norden (ungefähr) gleich stark? Bläst in allen Gegenden der Wind? Gibt es überall (Ausbau)Potenzial für Wasserkraftwerke?
Und was heißt hier “Überfluss an Energie”?
Das ist eine hohle Phrase, die sich aus der theoretischen Überlegung speist, dass die Sonne die Erde mit 1.367 kW pro Quadratmeter bestrahlt, was sich lediglich in einer Hättiwari-Argumentation verwenden lässt.
OK: Gäbe es die Technologie um diese Energie nutzbar zu machen und würde diese selbst geringere “Energiekosten” verursachen als sie einbringt, gäbe es Energie im Überfluss.
Gäbe – würde – gäbe.
Und solche Leute wollen Wissenschaftler sein.
Daniel Scholten (Hg.),The Geopolitics of Renewables.2018
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