Die stille Gaskrise Europas

1024px-Omv_gas_s0a4389Die Energiekrise schreitet voran und wirkt sich im energetisch “vulnerabelsten” Teil des Weltsystems, Europa, womöglich schon in diesem Winter aus. Speziell beim Gas ist Feuer am Dach der EU, wie buchstäblich im öst. “Hub” Baumgarten anno 2017. Ein Teil der Journaille sieht den russischen Präsidenten Putin als alleinigen Verursacher, weil der durch Minderlieferungen Druck ausüben wolle – der zeitgleich stattfindende Kollaps der niederländischen Produktion wird dagegen ignoriert. Es stimmt, dass speziell über die Erdgas-Druschba weniger geliefert wird, der Grund ist aber nicht zwingend “politischer Natur”.

Während man im Sinn der regierenden “Corona-Faschisten” auch in Europa die Pandemie hochjazzt,

wird kein Wort über den Umstand verloren, dass die Gas-Speicher des (Sub)Kontinents bereits heute, zu Beginn der Heizsaison, einen um 26 Prozent geringeren Pegelstand aufweisen als vor einem Jahr.

Themen sind allenfalls die – durchaus realen – Energieprobleme des “abtrünnigen Großbritannien”

oder der Druck, den der Kreml auf deutsche Pipeline-Regulatoren aufbauen soll, die die fertig gebaute Nord Stream 2 noch genehmigen müssen.

Dieses Narrativ ist IMHO höchstens teilweise richtig. 

Dieser Blogger, ein “Einzelkämpfer”, konnte angesichts begrenzter Ressourcen nur eine schnelle, grobe Analyse der öffentlich zugänglichen Speicherstände im “AGSI” durchführen und ist sich bewusst, dass damit

  • der “Nachfrageseite” (Raumwärme, Elektrizitätserzeugung) nicht Genüge getan wird und
  • zweitens, dass die “injections” in das AGSI-System einer genaueren Betrachtung bedürften. Die könnte z.B. Aufschluss darüber geben, inwieweit Russland über bestimmte Routen kein/kaum Gas mehr liefert, während die Zufuhr über andere Pipelines unverändert ist.
  • Und schließlich hängt das Ausmaß der Zuflüsse wohl vom Verhältnis langfristig kontrahierter Mengen zu “Lieferungen vom Spotmarkt” ab.

Trotzdem lassen sich grob folgende Feststellungen treffen:

  • Die Ukraine, durch die die “Erdgas-Druschba” führt, sowie einige zentraleuropäische Länder um deren südlichen Ausläufer (Hu, Sk, A) haben gegenüber dem Vorjahr massive Speicherverluste zu verzeichnen,  – 34,  – 42 und – 52 Prozent respektive (der Speicherstand der Ukraine hat sich auch halbiert). Italien ist nach dieser Metrik nur wenig betroffen. Das Land wird zwar auch zu mehr als 40 Prozent von Russland versorgt, hatte vorgestern aber gerade einmal einen um fünf Prozent niedrigeren Stand als am 13.12. 2020.
  • Kavernen auf deutschem Boden beherbergen nur mehr Gas mit einem Brennwert von 141,4 Terawattstunden, was im Jahresabstand einem Rückgang von 26% entspricht. Das kann insofern täuschen, als ein relevanter Teil des deutschen Erdgases z.B. in Österreich aufbewahrt wird. Das könnte heißen, dass die Zuflüsse über die Südroute noch wesentlich geringer sind als die minus 26 Prozent suggerieren. Gleichzeitig sind die Niederlande auch ein großes Lieferland der Teutonen – und holländisches Gas ist ein eigenes trauriges Kapitel für sich.
  • Die niederländischen Speicher beinhalten derzeit nur mehr umgerechnet 64,9 TWh, was einem Rückgang von 40 Prozent gegenüber 2020 entspricht. Holland war bisher das einzige kontinentaleuropäische Land mit eigener Gasversorgung, aber das ist jetzt zu Ende – offiziell aus Umweltgründen, tatsächlich eher wg. “depletion”. Die niederländische Regierung hat den dortigen Unternehmen kürzlich zu verstehen gegeben, dass diese nicht mehr mit “heimischem” Gas rechnen und sich “am freien Markt” versorgen sollten. Wie es derzeit aussieht, können in der heurigen Wintersaison die Haushalte aber noch mit in NL gefördertem Gas versorgt werden. Die Holländer haben bis jetzt auch viel Gas nach Deutschland, ins UK und nach Frankreich (via Belgien) verkauft. Das fällt zunehmend flach.

Fazit:

Das große Lieferland Russland könnte also sehr wohl “politische Akzente” setzen, wobei es womöglich mehr um die ” rasche Umgehung der Ukraine” denn um Druck auf deutsche Regulatoren geht.

Anzeichen deuten aber darauf hin, dass die russische Förderung in Westsibirien nicht mehr so geschmiert läuft wie bisher

und die Versorgung der großen Bevölkerungszentren im Land “aus innenpolitischen Gründen” (= Machterhalt) Vorrang hat.

Die Lieferleistung des großen Exporteurs Norwegen ist (noch) stabil bis sogar leicht steigend und in Nordafrika (Algerien, Libyen/Spanien, Italien) scheint es wenigstens keine großen Einbrüche zu geben.

Insofern könnte die EU im heurigen Winter noch einmal glimpflich davon kommen,

speziell wenn die verminderten russischen Gasflüsse tatsächlich ” politisch-quasimilitärisches Säbelrasseln” darstellen oder primär auf das Transitland Ukraine abzielen.

Problematischer wäre, wenn die Gasproduktion der Russen – womöglich rapide – abnehmen würde (was dieser Blogger befürchtet);

problematisch für die laufende Heizsaison, die wohl noch bis April 2022 andauert, aber auch – und speziell – für die kommenden Jahre.

Puncto Heizsaison hat das Wetter jedes Jahr einiges mitzureden. Echtes Global Warming wäre in dieser Hinsicht jedenfalls höchst willkommen.   :mrgreen:

Bild: Matthias.Fischer, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Unabhängiger Journalist

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