Dissidentes wird heute oft als “Verschwörungstheorie” abqualifiziert – was letztklassig und denkfaul sein kann. Gegen einen neutral-deskriptiven Gebrauch des Terminus ist freilich nichts einzuwenden – bezeichnet dieser doch ein wirkliches Phänomen, das selbst in “gesunder Skepsis” gegenüber z.B. der geheiligten Doktrin des CO2-Warmismus enthalten ist. Dito “Peak Oil” etc. Auch derlei ist in Teilen konspirationistisch – soweit nämlich Heimlichkeit und gleich gerichtetes Handeln oft antagonistischer Akteure vorausgesetzt wird.
Über die Zeiten hinweg sind Verschwörungen eine unbestreitbare Realität, die “in allen Formen und Farben daher kommt”.
Im (Quasi-)Politischen haben sie während der gesamten schriftlich aufgezeichneten Geschichte stattgefunden – wenn auch nur im Ausnahmefall unter republikanischen Umständen wie die heute wohl berühmteste Verschwörung, die – wie manche meinen – gar nicht stattgefunden hat.
Doch nicht nur in diesem Bereich spiel(t)en Verschwörungen eine Rolle.
Auch das amerikanische Recht kennt z.B. “conspiracies”, die in wettbewerbsrechtlicher Erscheinungsform “collusions” heißen. Die US-Demokraten haben dem US-Präsidenten derlei vorgeworfen – doch ihr “Russiagate” hat sich bis heute als unbewiesener Rohrkrepierer herausgestellt.
Üblicherweise handeln dabei Akteure, die im Hintergrund bleiben wollen oder die wenigstens das “Licht der Öffentlichkeit” nicht suchen.
Es gibt freilich Ausnahmen – die Open Conspiracy des H.G. Wells ist eine solche.
In ihr geht es im Wesentlichen um eine progressivistische Revolution von oben, um das grenzüberschreitende Zusammenwirken globalistischer Eliten, die vorgeblich eine auf “Wissenschaft & Fortschritt” gegründete neue Weltordnung etablieren wollen.
Die Vorbereitungen dafür erfolgen öffentlich.
So ein Gedanke ist eigentlich ein Oxymoron wie der “schwarze Schimmel”, wird bis in die jüngste Zeit aber als plausibel angesehen.
Demokratiepolitisch ist es jedenfalls ein Hybrid, ein Mischwesen, das zwar nicht offen anti-demokratisch, aber strikt anti-populistisch ist. Sein Ziel ist eine von aufgeklärten Despoten gelenkte “globale Zivilgesellschaft”.
Europas fixe Idee
Der heutige CO2-Warmismus weist speziell in EU-Europa Anzeichen einer fortgeschrittenen Open Conspiracy auf – was am ungenierten, kartellähnlichen Zusammenwirken politischer, medialer und wirtschaftlicher Eliten ablesbar ist
- die der Theorie nach eigentlich ein erweitertes System von checks & balances bilden sollten.
Wechselseitige Kontrolle fand in zentralen Politikbereichen freilich nie statt – ebensowenig wie aktuell in Sachen Klimawandel.
Die Union hat 2015 in Paris den wohl einseitigsten Vertrag der Weltgeschichte unterschrieben (wenn man von Diktatfrieden etc. absieht).
Sie hat sich zulasten ihrer Bürger Verpflichtungen auferlegt, die
- dem Großteil ihrer Vertragspartner nicht zugemutet werden (“Artikel 4″), die
- aber nicht wirklich helfen das deklarierte übergeordnete Ziel zu erreichen (“nicht mehr als 1,5/2,0 Grad Erwärmung”).
Das führt geradewegs in die heutige Situation, in der die alten Eliten mithilfe schlecht informierter, aber aktivistischer Bevölkerungsteile eine konsequente Politik zum eigenen Nachteil propagieren.
Dass derlei quasi in einem 10 Prozent-Sandkästchen stattfindet, macht die Schizophrenie auch noch abstrus – siehe z.B. hier und hier.
Ein solches Verhalten der Eliten ist “ohne verschwörungstehoretische Annahmen” nur schwer zu erklären.
Endtage der Öl-Zivilisation?
Auch die Einsichten und Theorien um “Peak Oil” kommen nicht ohne konspirationistisches Element aus.
In diesem Fall handelt es sich allerdings um keine öffentliche Verschwörung.
Das Verhalten von konventionellen Verschwörern lief schon immer auf Heimlichkeit und Vertuschung hinaus – gegenüber “Märkten”, vor allem aber vis-à-vis der allgemeinen Öffentlichkeit, die – wie gemeint wird – nicht mit der Realität umgehen kann.
So auch hier.
Die konventionelle Weisheit hält es in diesem Fall mit Oberst Jessup/Jack Nicholson in A Few Good Men: “You want answers? You can’t handle the truth!”
Parallel zur sachlich nur teilweise gerechtfertigten Diskreditierung der Peak Oil-Theorie haben sich die europäischen Regierungen darauf verlegt, die Idee vom anthropogen verursachten Klimawandel als exklusive “cover story” für die unweigerlich eintretende Knappheit zu verwenden.
In den USA drehte man Leuten, die zu oft über das Produktionsmaximum bei Öl schwätzten, den Geldhahn zu (in weniger gravierenden Fällen) – oder man brachte sie anders zum Schweigen. Das gilt sowohl für die Regierung von George W. Bush als auch für jene Barack H. Obamas, siehe dazu beispielsweise “A conspiracy to keep it quiet in Washington, says Robert Hirsch”.
In den Anfangstagen des neuen Jahrhunderts scheint man den Überlegungen jenseits des Großen Teichs noch wenigstens permissiv gegenüber gestanden zu sein. Das hat sich freilich spätestens seit 2008/09 radikal verändert.
Zwischenzeitig ergriff man teils drastische Maßnahmen. Heute scheint das Shale-Phantasma brachiale Methoden weitgehend ersetzt zu haben.
Freilich war/ist all das nicht nur auf das Empire und dessen Vasallen beschränkt.
Der jüngste Schub betrifft sogar dezidierte Imperiums-Kritiker. Im Zentrum ihrer Imagination stehen die nach Papierform riesigen Ölreserven Venezuelas, nach denen es Uncle Sam gelüsten soll – siehe z.B. hier, hier oder hier.
Tatsächlich kreist alles um ein noch unter Hugo Chávez generiertes statistisches Artefakt, hinter dem sich schwer zugängliches Bitumen und wenig brauchbares extraschweres Öl verbergen.
Das konspirationistische Element, das Peakoilistas in der Regel verbindet, ist, dass es einer internationalen Verschwörung des Schweigens bedarf “um den Anschein aufrechtzuzerhalten”.
Komplott-Ideologen & normale Schafsköpfe
Psychologen haben Verschwörungstheorien jüngst in den Kontext (allzu) menschlicher Gutgläubigkeit gesetzt – und eine solche Thematisierung ist prinzipiell auch in Ordnung.
Zahlreiche konspirationistische Glaubenssysteme mögen tatsächlich mit unplausiblen Überzeugungen, Aberglauben, Pseudo-Wissenschaft und vorgeblich tief schürfendem Bullshit korrelieren
- aber: Fehlt in diesem Bild nicht etwas, nämlich die ganz normale politische Kredulität des demokratischen Alltags?
Etwa die Naivität, mit der längst marginalisierte Europäer glauben, vermeintliche Sünden ihrer Ahnen gut machen und/oder die Welt zu retten; die Ansicht, mit ausschließlich intermittenter Öko-Elektrizität ein stabiles Stromnetz ermöglichen zu können; oder auch der Glaube, dass Abermilliarden “nachgewiesener” Papier-Barrels die Energieversorgung noch der Enkel garantieren?
All das und viel mehr gehört nicht zu irgendwelchen wilden Verschwörungstheorien am Rand der Gesellschaft, sondern blüht und gedeiht im mittigsten Mainstream.
Literatur: Joseph P. Forgas, Roy F. Baumeister, The Social Psychology of Gullibility. Fake News, Conspiracy Theories, and Irrational Beliefs. 2019
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