Die zweite Höllenfahrt Osamas – Warum Sy Hersh heute falsch liegt

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The Making of OBL: Die letzte, völlig absurde Fälschung

Osama bin Laden ist wie der king of rock ‘n roll, nur weniger langlebig. Wie Elvis weilte auch Osama noch nach seinem Dahinscheiden unter den Lebenden – und zwar bis zum 2. Mai 2011, als er von einem US-Spezialkommando erschossen wurde. Diese Aktion rief ein echtes Unikum ins Leben: eine Trophäe, die nicht öffentlich zur Schau gestellt werden darf. Nun hat sich auch der berühmteste lebende Investigativreporter im Großen und Ganzen der Version Washingtons angeschlossen – gleichzeitig aber enthüllt, dass die virtuelle “Operation” von Illegalität, Vertrauensbruch und Bestechung geprägt war.

Das ist eine Strategie, mit der Regierungen akut bedrohte G’schichterln bestätigen lassen – jene, die ihnen ganz besonders am Herzen liegen. Es ist eine Variante dessen, was Fachleute als partial hang-out zu bezeichnen pflegen.

Die Strategie ist in diesem Fall besonders gut, weil Seymour Hersh eine unantastbare Institution ist; ein umfassend vernetzter Enthüllungs-Veteran, der ebenso regierungskritisch wie integer ist. Schon 1969 hat er sich mit der Aufdeckung des My Lai-Massakers im Vietnam-Krieg einen Namen gemacht. Nach dem zweiten Irakkrieg hat er den Skandal um das irakisch-amerikanische Foltergefängnis Abu Ghraib zum Platzen gebracht.

Und 2007, als derlei noch als undenkbar galt, hat Hersh die Redirection der US-amerikanischen Außen- und Militärpolitik im Nahen Osten beschrieben, einen Polsprung, der zur mehr oder weniger verdeckten Unterstützung des islamistisch-sunnitischen Terrorismus durch die USA geführt hat. Heute lässt sich dieser Politikwechsel beim besten Willen nicht mehr übersehen.

Die genannten credentials prädestinieren Hersh zum idealen Zeugen. Im Austausch für die von ihm zur Verfügung gestellte Glaubwürdigkeit konnte/musste in Kauf genommen werden, dass sich der um die gefälschte Aktion entstandene patriotische Mythos nicht mehr aufrecht erhalten lässt. Eine Korrektur des ursprünglichen offiziösen Narrativs war sowieso notwendig und überfällig – und zwar wegen dreier grober Fehler/Unzulänglichkeiten (siehe unten).

Heldenhafte Navy-Seals

Nach der offiziellen Lesart hat ein von der CIA geleitetes Team von navy seals bin Laden bei einer special op, einer geheimen Kommandoaktion getötet. Die amerikanische Regierung soll die Aktion im pakistanischen Abottabad via Liveschaltung mitverfolgt haben. Es existiert sogar ein Foto davon, das zeigt, wie Hillary Clinton entsetzt die Hand vor den Mund schlägt. Es ist einfach lächerlich.

Barack Obama ist mit der Story dann unverzüglich an die Medien gegangen. Die Tötung des Staatsfeinds Nummer Eins ermöglichte Obama, der nicht gerade ein Falke ist, die Aussendung der Botschaft: “Obama got Osama.”

Sofort nahm sich die rechte Populärkultur der angeblich an der Aktion beteiligten Soldaten an und verwandelte sie in amerikanische Helden, die keinen Vergleich mit Wyatt Earp und Buffalo Bill zu scheuen brauchen. Im Zentrum des Kults steht ein gewisser Rob O’Neill, der binnen zweier Jahre in drei Filmen porträtiert wurde. Hier ist ein Bericht einer englischen Boulevardzeitung über ihn. Eine andere Seerobbe hat sogar ein Buch über die virtuelle Aktion geschrieben.

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Schon die 2011 entstandene, ursprüngliche Erzählung litt eigentlich an einem ernsthaften PR-Defizit, war doch erkennbar, dass ein hit team von in Saft und Kraft stehenden Elitesoldaten einen hinfälligen, unbewaffneten alten Mann exekutiert hat. Doch immerhin ist bin Laden für die westliche Öffentlichkeit der Drahtzieher von 9/11. Für diese hat er den Mord an 3000 Menschen organisiert. OBLs Tötung konnte und kann als irdische Gerechtigkeit und Auslöschung der Amerika zufügten Schmach empfunden werden.

Mythenjäger Hersh

Hershs hier erschienene story bemalt nun das Bild der strahlenden Seerobben-Helden mit Teufelshörnern. Nach Hershs Darstellung haben die seals den Körper bin Ladens so durchsiebt, dass nur mehr wenig übriggeblieben ist.

Bin Ladens Überreste seien beim Transport zu einem vor der Küste liegenden Flugzeugträger dann aus der Maschine geworfen worden. Es habe daher auch keine ordentliche Seebestattung nach islamischem Ritus gegeben (wie behauptet worden war). Und schließlich habe auch nicht jahrelange, mühsame CIA-Aufklärungsarbeit, sondern ein Deal mit dem pakistanischen Geheimdienst ISI (inklusive millionenschwerem Bestechungsgeld) zum Erfolg geführt.

Das Weiße Haus dementierte natürlich umgehend, aber es ist völlig klar, dass die behaupteten Dinge nie und nimmer offiziell zugeben werden könnten.

Es gibt in der Hersh-Version aber einige große Pluspunkte für Washington. Diese sind:

  • Die Grundzüge des offiziellen Narrativs werden von einer bekannt unabhängigen Quelle bestätigt. Damit konnte die story, die sich schon bedenklich dem Legenden-Status angenähert hatte, wieder “in der Realität verasnkert” werden.
  • Hershs story erklärt das neun Jahre andauernde, nur von gefälschten Videos unterbrochene Untertauchen OBLs, wenigstens ab 2006. Laut Hersh war OBL seit diesem Zeitpunkt Gefangener des pakistanischen Geheimdiensts ISI.
  • Hershs story erklärt, warum  die seals nicht auf den geringsten Widerstand durch die Pakis gestoßen sind. Der Journalist sagt, was Obama offiziell nicht sagen dürfte: dass der Aktion ein Deal zwischen amerikanischen und pakistanischen Regierungsstellen vorausgegangen sei.
  • Und schließlich erklärt Hersh den höchst unglaubwürdigen Umstand, dass bin Ladens sterbliche Überreste ohne Dokumentation, binnen kürzester Zeit “entsorgt” wurden (der nach einem PR-Erfolg gierende Politiker Obama sei vorgeprescht und habe das eigentlich geplante geordnetere Vorgehen verunmöglicht).

Echte, unabhängige Beweise, was sich im Mai 2011 abgespielt hat, gibt es naturgemäß keine. Auch Hershs Version ist eine, die ihm von angeblichen oder wirklichen Akteuren ohne Sachbeweise erzählt wurde. Hershs Auskunftspersonen bleiben zwar anonym, sind deswegen aber nicht wirklich weniger glaubwürdig als die Offiziellen z.B. mit ihrer Geschichte von Osamas Schatztruhe (aber auch nicht mehr !).

Es gibt jedoch eine lange Liste von Berichten und Hinweisen, die nahelegen, dass Osama bin Elvis schon früher, wahrscheinlich Ende 2001 gestorben ist. Die Mehrzahl von ihnen weist auf einen natürlichen, krankheitsbedingten Tod hin.

Die Indizien

Viele noch aktive Links zu der folgenden Aufzählung finden sich in diesem, aus dem Jahr 2013 stammenden Blogpost.

Es wird deutlich, dass OBL an einer Nierenkrankheit litt, die regelmäßige medizische Intervention erforderte (Dialyse). Die aber war unter den Bedingungen der am 7. Oktober 2001 gestarteten US-Invasion in Afghanistan nicht mehr gewährleistet.

  • In der ägyptischen Zeitung Al Wafd wird am 26. Dezember 2001 über das angebliche Begräbnis bin Ladens in Afghanistan berichtet, siehe hier. Am gleichen Tag vernimmt der Korrespondent der NYT In Islamabad gleichlautende Gerüchte.
  • Bereits aus der Zeit vor 9/11, als OBL für die Öffentlichkeit noch ziemlich uninterssant war, existieren drei Berichte über seine Krankheit. 1998 sollen DEA-Agenten Washington vorgeschlagen haben, OBL bei einer seiner Dialysesitzungen zu vergiften.
  • In den Jahren nach den Anschlägen erscheint eine Reihe von Artikeln über das Leiden OBLs und das dadurch verursachte Ableben. Den mit dem Thema befassten Journalisten kommt das Schweigen des eigentlich öffentlichkeitsbewussten Scheichs seltsam vor. Die Administration Bush verliert sichtbar das Interesse an der Ergreifung des angeblichen Terror-Übervaters und aus den Geheimdienstapparaten dringen immer mehr Stimmen, die sagen, dass Osama tot sei. Die Schlapphüte räumen ein, jahrelang nichts mehr von ihm gehört zu haben.
  • Die einzigen “Lebensbeweise” sind in unregelmäßigen Abständen auftauchende Videos von und mit OBL. Die grobkörnigen Aufnahmen sind aber entweder plump gefälscht oder aus früheren Aufnahmen zusammengestoppelt. 2006 schließt die CIA dann ihre Stelle, die sich mit der Jagd auf OBL beschäftigt hat.

Die in den letzten Jahren erschienene gelehrte Literatur zu Al Kaida und ISIS – und nicht nur die – ist sich einig darüber, dass OBL zum Zeitpunkt seines angeblichen Todes schon lange keine Rolle mehr spielte. Abu Musab al-Zarqawi schwor OBL 2004 zwar öffentlich Loyalität, operierte aber immer völlig unabhängig. Und die nach der Redirection im Irak entstandene ISIS wollte und brauchte vom angeblich noch lebenden kranken Mann aus Pakistan erst recht nichts. Eine einfache Erklärung für dieses Verhalten wäre, dass Osama zu diesem Zeitpunkt schon tot war.

Alter Schwadronierer

Noch wahrscheinlicher ist aber, dass Osama, der Terrorfürst von Anfang an eine Erfindung der Amerikaner und Israelis war. Soll heißen: Es gab den Mann wirklich: eine bemittelte Person aus der Zeit des Abwehrkampfes gegen die sowjetische Besetzung, ein frommer Scheich aus einer reichen Saudi-Familie, der in Afghanistan einen guten Ruf hatte, dem er etwas schuldig war. Seine Rolle als 9/11 mastermind war dagegen eine Erfndung ausgefuchster PR-Strategen.

Das widerspricht zugegebenermaßen allem, was einem seit 13 Jahren über Osama suggeriert wird, passt aber besser zu der Person auf folgendem, dem wahrscheinlich vorletzten echten Video (dessen Übersetzung dürfte bereits gedoktort worden  sein).

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, einen alten Schwadronierer vor sich zu haben, der das Glück nicht zu fassen weiß, dass er die Traumrolle seines Lebens zugewiesen bekam. Alle Welt nahm ihn plötzlich ernst. Alle Welt sah in ihm den Erzfeind der Erzfeinde Allahs. So hat sich OBL wahrscheinlich schon sein ganzes Leben lang gesehen. Wie schade, dass ihm in dieser Rolle nur mehr ein paar Monate Zeit blieben.

Foto: U.S. Federal Government [Attribution], via Wikimedia Commons

Nachtrag, 14.5., 5.30 Uhr:

- an den Beckmesser: Ich schrieb heute, weil diesmal einen Zeilenumbruch und einen dreizeiligen Titel ausgelöst hätte. Bitte nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen !

- zu Hershs Quellen: Das ist ein Problem, zu dem es keine Patentlösung gibt. Offizielle lügen oft, aber das gilt auch für anonym bleibende Quellen. Wahrscheinlich macht es einen guten Investigativreporter aus, nicht allzu oft hereingelegt/ausgenützt zu werden. Instinkt, vorbewusstes Wissen um Interessen und Handlungsmöglichkeiten – was weiß ich…..Hershs wichtige Geschichten scheinen – soweit beurteilbar – jedenfalls meistens gehalten zu haben.

Unabhängiger Journalist

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