Digi-Euro: Über d. Annahmezwang für physisches Bargeld

Die EZB hat am Mittwoch einen weiteren Startschuss für die Schaffung einer angeblich bloß zusätzlichen Form von gesetzlichem Zahlungsmittel in der Eurozone gegeben, und das beste, was sich über diesen Prozess sagen lässt, ist, dass er gemächlicher abzulaufen scheint, als dieser Blogger erwartet hat. Frankfurt ist in Sachen CBDCs nicht vorgeprescht, wie die Präsidentschaft von Madame eigentlich erwarten hätte lassen – wahrscheinlich, weil der sg. Gesetzgebungsprozess noch nicht abgeschlossen ist. ECB_Frankfurt_with_Skyline_resizedIn ihrer Stellungnahme zu zwei Verordungsentwürfen überbot die EZB Brüssel noch an Bargeld-Rhetorik – obwohl sie wissen muss, dass Cash nicht einmal mittelfristig eine Überlebenschance hat, wenn eine gleichwertige, aber günstigere legal tender-Alternative angeboten wird.

Um derlei zu erschließen, bedarf es keines Raketenwissenschaftlers – eine “einfache Person mit Alltagserfahrung” reicht vollkommen.

Besagter Mensch mag einräumen, dass sich vielleicht das Vorhandensein von Rampen und anderen baulichen Einrichtungen objektivieren lässt,

nicht aber die Entscheidungsgründe potenzieller Arbeitgeber und “Hausherren” – weshalb große Teile schon der aktuellen Anti-Diskriminierungsgesetze für die Fisch’ sind.

Auf Euro-Noten und -Münzen umgelegt heißt das, dass selbst schärfste Formulierungen ins Leere laufen, solange z.B. nicht kategorisch erklärt wird:

Hier wird kein Euro-Bargeld angenommen.”

Das freilich wird absehbar kein Mensch tun.

Man kann auch heutige Vermieter fragen, wie viele von ihnen offenkundig schwule Interessenten ablehnen und dies ehrlich mit ihrer persönlichen Aversion gegen Homosexuelle begründen.

Oder potenzielle Arbeitgeber, die unverblümt deponieren:

Ich möchte/werde keine(n) Ausländer(in) anstellen.”

Genau in diese Richtung argumentiert aber die 14-seitige “Opinion” der Zentralbank, dass nämlich “ex ante exclusions of cash” seitens der zu Bezahlenden vom Gesetzgeber zu verhindern seien (und überdies die Bargeld-Versorgung der Nachfrager sichergestellt werden müsse).

Doch diese gesetzlich angeblich zu verhindernden Praktiken würde – wie oben anhand von historischen Parallelen ausgeführt – ohnedies kein Geschäftsmann (keine Geschäftsfrau) “offen vor sich hertragen”.

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Schwer vorzustellen, dass im EZB-Rat auch nur eine einzige Person sitzt, die sich dieser Fata Morgana nicht bewusst ist;

sowie all der (juristischen) Möglichkeiten, jenen Kunden Diskonte zu gewähren, die in Euro-CBDCs bezahlen – speziell wenn die Transaktionskosten des payee beim Digi-Euro klar niedriger ausfallen, wie die EZB ja selbst behauptet.

(In anderen Zusammenhängen würde ein solches Verhalten übrigens als ebenso rationales wie wünschenswertes Agieren in einer auf Konkurrenz der Anbieter basierenden Wirtschaft gesehen.)

Es kann jedoch sein, dass ein Teil der EZB-Ratsmitglieder bloß “gute Miene zum bösen Spiel gemacht hat”, um Schlimmeres bzw. überstürztes Handeln zu verhindern,

die wie gute Rechtsanwälte in hoffnungslosen Fällen “auf Zeit spielen”.

Der “Hintergrund” dafür kann mannigfaltig sein,

  • zum Beispiel, dass verfrühtes Agieren in einigen Ländern zu einer Art “rechtspopulistischen Revolte” führen könnte, die alles, was vor 30 Jahren an Goodwill oder Kooperationsbereitschaft vorhanden war, endgültig wegfegen könnte oder
  • das insgeheime Eingeständnis, dass die Kernaufgabe des Eurosystems, die Erhaltung der Geldwertstabilität, unter heutigen Bedingungen nicht (mehr) erfüllt werden kann – 2022 und 2023 nicht, und in den Folgejahren noch viel weniger.

Bild: Maslmaslmasl, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Unabhängiger Journalist

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