Ein Klimaschützer, der die Nachtigall trapsen hörte

Jay Turner, ein College-Professor für Umweltwissenschaften in Massachusetts, hat eine Geschichte der Batterie vorgelegt und dabei die an sich triviale Einsicht gewonnen, dass die angeblich bevorstehende Energy Transition weg von den “Fossilen”, hin zu (mehr oder weniger) “erneuerbarer Elektrizität” Unmengen an Metallen und anderen natürlichen Ressourçen verschlingen wird (würde), cover_charged_resizeddie unmöglich bloß mit Recycling aufzubringen sind. In “Charged” wechseln sich ernüchternde Einzelerkenntnisse mit dem alles überragenden Dogma des zeitgenössischen CO2-Warmismus ab, dass schleunigst eine “Entkarbonisierungs-Lösung” gefunden werden müsse, widrigenfalls die Welt schon bald in einer Klimakatastrophe versinken werde.

Turner, der sich selbst als “materialistisch” definiert – im Gegensatz zum “Immaterialismus” der aktivistischen und radikalen, z.B. studentischen Bewegung – macht schon in seinem Vorwort drauf aufmerksam,

dass die Umstellung nur der Hälfte des heutigen weltweiten PkW-Bestands auf Lithium-Ionen-Batterien die Nachfrage nach Lithium, Cobalt und Nickel weit über das Produktionsniveau von 2019 katapultieren würde.

Batterien, warnt er naive Gemüter & magisch Denkende, seien

eine Form von Technologie, die darauf beruht, durch Einsatz von immensen Mengen Energie dem Erdreich Rohstoffe zu entreißen, diese zu raffinieren und zu Batterien umzuzubauen, was oft mit Risiken für Umwelt und menschliche Gesundheit einher geht – und was durch komplexe Ketten von Material und Fabrikationen verdunkelt wird, die (ebendiesen Prozess) möglich machen.” (eigene Übersetzung)

Man könne den Kuchen nicht gleichzeitig aufheben und essen, also den industriellen “Extraktivismus” samt dessen nachgelagerten Produktionsprozessen verteufeln & abschaffen, gleichzeitig aber die Umstellung auf die (heutige Form von) Clean Energy betreiben.

Turner hat weder mit grünen Techno-Modernisten etwas auf dem Hut (die nach Meinung dieses Rezensenten oft nur Förderungen abgreifen wollen), noch stößt er ins modische Horn der Fans primitiver Jäger- und Sammlergesellschaften.

Er will den Extraktivismus unserer Zivilisation gewissermaßen staatlich gebändigt und mit fortschrittlichen Sozial- und Umweltgesetzen bzw. -programmen etc. verbunden sehen.

Historie eines an sich erfolgreichen Produkts

Der Kern dieses Buchs besteht aus einer Geschichte der Batterie, beginnend bei den antiquierten Blei-Säure-Monstern der ersten Autos, die vor 100 Jahren auch schon mal zu Traktionszwecken verwendet wurden.

Das setzte sich wg. der zunehmenden Verfügbarkeit von Öl/Benzin aber nicht durch.

Von den frühen Batterie-PkWs blieb nur die Starterbatterie übrig, die noch den heutigen ICE-Autos als bloß kurzfristig einzusetzende Art von Kurbel dient.

Es folgten die bis jetzt gebräuchlichen, ziemlich giftigen AA und AAA-Batterien (auch D etc.),

die schon in der frühen Konsumenten-Elektronik (“Transistorradio”), aber auch in Taschenlampen und den ersten Power-Tools verwendet wurden.

Abgelöst wurden diese Batterie-Chemiken von der Lithium-Ionen-Technologie, mit der bereits in der ersten Hälfte der 1990er begonnen wurde und die eine mittlerweile unüberschaubare, für Junge aber selbstverständliche Menge von Anwendungen ermöglicht,

vom Smartphone bis zum Laptop.

Jede neue Batterie-Generation war mit manchmal großem technischem Fortschritt verbunden – dieser erfolgte aber,

  • wie Turner vermerkt, “inkrementell” und
  • er zielte niemals darauf ab, große Massen/hohe Gewichte nachhaltig zu bewegen oder gar als “Lückenbüßer” für Stromnetze zu fungieren (zumindest nicht bis zum Entstehen des BEV-Phantasmas vor ca. 20 Jahren – alles eigene Urteile).

T. rechnet damit, dass mangels technologischen Durchbrüchen und angesichts des Zeitdrucks (Klimakatastrophe)

der Übergang zu einem Clean Energy-Regime mit der nun schon 30 Jahre alten sg. Lithium-Ionen-Technologie erfolgen werde müssen, woraus er schließt, dass

  • der für den Übergang nötige Extraktivismus “by the power of government leveraged” sein, und dass
  • der internationale Handel mit Mineralien und Energietechnologien fortbestehen müsse (freilich “nachhaltig und gerecht”), dass
  • die USA ihren heimischen Extraktivismus erhöhen müsse und dass
  • Recycling für die anstehenden Material- und deren Reinheitserfordernisse nicht ausreichen werde.

No energy requirements, no density considerations

All dem ist wenig hinzuzufügen – außer dass der Autor nach Meinung dieses Rezensenten die Schlüsselrolle von Öl/Gas zu wenig heraus arbeitet.

Das zeigt sich u.a., wenn er leichthin über

  • das ihm an sich bekannte Phänomen schlechter werdender Erze (“faling ore grades”) hinweg turnt – ohne zu erwähnen, dass diese Veränderung bisher durch höheren Einsatz von Fossilenergie (über)kompensiert wurde.
  • Klar ist dem Autor wohl auch, dass es hier nicht allein um Diesel im Open-pit Mining geht, sondern auch um die “richtige Qualität der Energie” in der Weiterverarbeitung: Zur Raffinierung der benötigten super-reinen Metalle ist u.a. auch viel Elektrizität in einem (weitgehend) unterbrechungsfreien Netz erforderlich. Derlei erscheint Heutigen als selbstverständlich, ist das aber beileibe nicht.

Zweitens ist ihm die Energie- bzw. Elektrizitätsdichte, die  ein Vaclav Smil für so wichtig hält, dass er ihr ein ganzes Buch widmet, nicht speziell der Rede wert

(zur Grobeinschätzung der nach Meinung dieses Bloggers ungenügenden Entwicklung der power density während der vergangenen 100 Jahre siehe u.a. den und den Eintrag).

Turner erwähnt anlässlich der Einführung neuer “Chemiken” zwar mitunter Fortschritte´in der Dichte, einen Vergleich zwischen heutigen Batterien und “Tank-Motor-Antriebstrang” konventioneller Verbrenner stellt er aber nicht an.

Ein solcher würde wohl vor Augen führen, dass puncto Energiedichte zwischen modernsten Traktionsbatterien und “überkommenen ICEs” noch immer Zehnerpotenzen liegen.

Natürlich geht’s hier letztlich nicht um ein abstraktes, “rein akademisches” Kriterium, sondern im Mobil-Fall um mitgeführtes Gewicht und damit z.B. um die Tragfähigkeit für Güter oder die Reichweite von LkWs und PkWs.

Womöglich noch wichtiger ist, drittens, die Dichte für die Entwicklung neuartiger stationärer Mega-Batterien, die “entsendefähigen” Strom z.B. im Fall sg. Dunkelflauten beherbergen, also  Zeiten, in denen weder die Sonne scheint noch der Wind weht.

Auch sie sind nicht der Rede wert. Ohne solch chemische Riesenspeicher ist die an sich angestrebte durchgängige Elektrifizierung aber nur schwer vorstellbar.

Sehr wohl thematisiert werden von Turner die offenbar katastrophalen Verschmutzungs-Auswirkungen etwa in der Nickel-Produktion in Sibirien (Cobalt im Kongo ist mittlerweile ja breit publiziert)

- was sich übrigens mit der zeitgleich getroffenen, seltsam naiven Enschätzung der  Situation in der Volksrepublik China schlägt.

James Morton Turner, Charged: A History of Batteries and Lessons for a Clean Energy Future. 2022

Unabhängiger Journalist

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