Die Batterie-Misere macht dem Individualverkehr den Garaus

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Elektroauto, 1910

Unter dem Vorwand des Klimaschutzes macht sich die EU daran, Verbrennungsmotoren zu verbieten – obwohl die Emissionen europäischer Autofahrer nicht einmal mehr 3% des weltweiten Ausstoßes von CO2 ausmachen. Red_and_Blue_Tesla_Model_3Die als Ersatz propagierten Elektroautos sind – und bleiben auf absehbare Zeit – vollkommen inadäquat. Es ist, als würde Kutschern aus dem 19. Jahrhundert der Umstieg auf manuell gezogene Leiterwagerl nahegelegt.

Unsere aktuelle Batterietechnik - Lithium-Ionen – ist inzwischen ein Vierteljahrhundert alt.

Zwar wird sie laufend verbessert – der Abstand der Batterien zur Energiedichte von Benzin- und Dieselaggregaten wird aber kaum kleiner. Er bemisst sich nach wie vor in Lichtjahren:

Handelsübliche Autos mit internen Verbrennungsmotoren kommen auf eine spezifische Energie von etwa 12.000 Wattstunden pro Kilo Tank(füllung) – während moderne Akkus gerade einmal 100 bis 200 Wattstunden liefern (das angeblich weltbeste Batteriepack des noch nicht ausgelieferten “Massen-Tesla” soll 168 Wh/kg leisten, siehe hier.)

Damit sind die topmodernen Tesla-Speicher zwar um 15 mal besser als die Nickel-Eisen-Batterien von vor 100 Jahren, Benzin- und Dieselmotoren sind Elon Musks schnittigen Batteriemonstern aber um das 70-Fache überlegen.

Die Folgen sind u.a. hohe Anschaffungskosten, niedrige Reichweiten und lange Tank- bzw. Ladevorgänge – ohne dass dies veröffentlichte Meinung oder demokratische Politicos stören würde. Ihre versteckte Agenda ist ihnen offensichtlich wichtiger als Rationalität oder Transparenz.

Seitenblick in die “alte Historie”

In der Frühzeit des Automobils waren Elektrofahrzeuge ziemlich beliebt. Fast 30 Prozent der 1900 in den USA produzierten Autos fuhren mit Strom

- und schon damals glaubten Beobachter, dass die Entwicklung leichter, aber leistungsstarker Batterien nur mehr eine Frage von wenigen Jahren sei – siehe z.B. hier.

Es kam anders.

Henry Ford begann mit der Massenproduktion von Autos mit internen Verbrennungsmotoren, und 15 Jahre später war die leistungsschwache, vor allem im Winter unzuverlässige elektrische Konkurrenz praktisch tot.

Die E-Mobilität war gegenüber den Benzinern hoffnungslos ins Hintertreffen geraten und wirtschaftlich nicht mehr überlebensfähig.

Jahrzehnte später, nach dem Ende der Handkurbel, hatten PKw höchstens noch über ihre Startvorrichtungen aus Blei etwas mit Batterietechnik zu tun.

Fast forward in die 1970er.

Damals begann man Nickel-Metallhydrid-Akkus (NiMH) zu entwickeln, die doppelt und dreifach so gut waren wie die alten Blei-Säure-Batterien, die bereits im 19. Jahrhundert erfunden worden waren.

Einmal ausgereift, konnten mit ihnen zahlreiche Konsumgüter betrieben werden – vom Schnurlostelefon bis zur Bohrmaschine.

Doch das Verhältnis zwischen Leistung und Gewicht/Platzbedarf der NiMH-Tools war noch nicht wirklich überzeugend

Zeitgeschichte der Batterie

Das änderte sich tendenziell, als Sony 1991 die erste Lithium-Ionen-Batterie auf den Markt brachte.

Es war eine revolutionäre Technologie.

Das Zeitalter der Mobiltelefone, Laptops und tausender anderer Elektrogeräte konnte anbrechen.

Das neue technische Paradigma war zu Beginn lediglich leicht überlegen, aber intensive Forschung an einem halben Dutzend unterschiedlicher Batterie-Chemien hatten zur Folge, dass die spezifische Energie der Li-Ion-Geräte inkrementell immer besser wurde.

Consumer electronics, Miniaturisierung und Mobilität standen die längste Zeit über im Vordergrund.

Mehr noch als auf das Gewicht achteten die Produktentwickler auf den Platzbedarf – es ging ihnen zunächst primär um die Steigerung der volumetrischen Energiedichte.

Erst spät, vor sieben oder acht Jahren, wurde begonnen, die Li-Ion-Zellen auch für automobile Anwendungen zu nutzen – vorerst für sogenannte plugin hybrids, die über einen Elektro- und einen Verbrennungsmotor verfügen (seither wird auch die gravimetrische Dichte wieder betont).

Das war und ist eine andere Geschichte. Hier geht es nicht mehr um Elektrizität in homöopathischen Dosen, sondern darum, einige Zentner Mensch (und Batteriemasse!) möglichst oft über lange Strecken zu bewegen.

Und speziell für diesen Zweck ist die Prognose für die Lithium-Ionen-Technologie gar nicht gut:

“Allgemein” wird heute davon ausgegangen, dass es für weitere inkrementelle Verbesserungen eine harte praktische Obergrenze von etwa 250 Wh/kg. gibt.

Andere, etwa Claudiu Bucur, glauben, dass es “noch etwas weiter hinaufgehen könnte”:

Overall, in the near future, an advanced lithium-ion cell which contains a high-voltage nickel-rich layered oxide cathode and a high ratio silicon/graphite anode may offer an improvement in energy density not more than 20% over today’s values which correspond to 315 Wh/kg and <850 Wh/L. These are the limits of current lithium-ion technology.”

Spätestens ab diesem Punkt wird eine Nachfolge-Technologie nötig – Lithium-Schwefel, Lithium-Luft oder solid state – was immer (und selbst hier wären die absehbaren Verbesserungen oft enden wollend).

Mit einem echten “Befreiungsschlag” kann in näherer Zukunft jedenfalls nicht gerechnet werden – siehe z.B. hier, hier oder hier. Oder z.B. auch eine jüngere Studie dreier chinesischer Autoren:

To put it in a nutshell, although the LiS and LiO2 batteries have been studied for decades, there are still many unsolved scientific and technical problems. And these remaining problems are all difficult to overcome by the currently available technologies. Even though, the LiS and LiO2 batteries are still important technologies to be developed in the future, due to their super high specific energy compared to Li-ion batteries.”

Insoferne ist die Technologie-Wahl Musks ja nachvollziehbar – er kann im Li-Ion-Rahmen “nur” nicht liefern, was er versprochen hat.

Ein besonders eklatantes Beispiel für sein Marketing-Technologie-Dilemma ist übrigens der von Tesla angekündigte Semitruck.

Keine Basis für massenhaften Individualverkehr

Das bedeutet: Wenn es nicht doch noch irgendwo zu einem echten Durchbruch kommt, wird es so bald keine neue technologische Basis geben, um den aus dem 20. Jahrhundert (im “Westen”) gewohnten Individualverkehr aufrecht zu erhalten.

Individueller Nahverkehr mit Batterieautos mag noch als “Luxusgut” angeboten werden – und ein kleinerer Teil der heutigen Warentransporte mag über Semitrucks, elektrische Freightliner etc. noch verteilt werden können-

(Alice Friedemann ist da längerfristig skeptisch; sie geht davon aus, dass “das Periodensystem”, also Naturgesetze, große Innovationen verhindern, siehe hier).

Aber individuelle Mobilität für Otto Normalverbraucher wird es im Zeitalter der Batterie absehbar nicht mehr geben.

Spätestens wenn das klar wird, werden die europäischen Regierungen entscheiden müssen, auf welche Weise sie den schon heute fadenscheinigen Begründungs-Popanz vom Klimaschutz aufgeben.

Literatur (Auswahl):

Reiner Korthauer (Hg.), Lithium-Ion Batteries: Basics and Applications. 2018

Jiuchun Jiang, Caiping Zhang (Hg.), Fundamentals and Applications of Lithium-Ion Batteries in Electric Drive Vehicles. 2015

Rezan Demir-Cakan, Li-S Batteries. The Challenges, Chemistry, Materials and Future Perspectives. 2017

Huamin Zhang, Xianfeng Li, Hongzhang Zhang, Li–S and Li–O2 Batteries with High Specific Energy. Research and Development. 2017

Gianfranco Pistoia, Boryann Liaw (Hg.), Behaviour of Lithium-Ion Batteries in Electric Vehicles. Battery Health, Performance, Safety, and Cost. 2018

Bild: Dennis Jarvis from Halifax, Canada (DSC_8003 – 1910 Detroit Electric Car), DatTr0waway [CC0] via Wikimedia Commons

Unabhängiger Journalist

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