Wien: Die EU-Volksabstimmung, Knackpunkt der Basti-Täuschung

512px-Informal_meeting_of_ministers_for_foreign_affairs_(Gymnich)._Handshake_Sven_Mikser,_Sebastian_Kurz_and_Federica_Mogherini_(36246989584)_(cropped)Die ÖVP hat jahrzehntelang daran gearbeitet, die Republik in einen “Binnenmarkt” zu locken, der sich inzwischen als selbstfahrendes Vehikel mit Destination EU-Bundesstaat entpuppt hat. So auch die gewendete ÖVP des Schwarzen Prinzen. Volksentscheide über die zentrale Lebensfrage staatlicher Existenz in diesem Land kommen für diesen nicht in Frage. Die FPÖ macht gute Miene zum bösen Spiel, weil sie mitregieren möchte.

Wer um das langatmige Procedere weiß, mit dem Bonzen Signale aussenden, dem ist klar, dass die ÖVP begonnen hat, ihr andauerndes, kategorisches Nein zu einer Volksabstimmung über einen EU-Austritt zu bekräftigen.

Derzeit wird das Thema noch in Grautönen gehalten, in einer scheinbar ergebnisoffenen Eher nicht-Diktion geredet.

Richtung und Ende der Diskussion sind aber bereits erkennbar.

Das Nein zur direkten (“plebiszitären”) Demokratie, die der österreichischen politischen Kultur widersprechen soll – siehe Heinz Fischer -, wird in den kommenden Wochen immer selbstbewusster die angestammte Position des Platzhirschen beziehen, bestärkt durch Zurufe approbierter Teilnehmer der hiesigen Öffentlichkeit (besorgte Altpolitiker, Bischöfe, Gewerkschafter, Künstler, etc).

Der kontrollierte Diskurs wird sich schließlich zu einem langen, faden Dramolett auswachsen, ähnlich wie es die SPD derzeit in Deutschland gibt.

Die Sozialdemokraten unseres großen Nachbarstaats müssen dieses Drama aufführen um klarzumachen, dass sie nun doch, unabweisbar und alternativlos, genötigt sind, mit der CDU zu koalieren - gegen ihren Willen, den des deutschen Elektorats und entgegen ihren eigenen Aussagen vom Wahlabend.

Denn “die europäischen Partner”, behauptet Schulz, drängen!

Mit Brechts Bettlerkönig Peachum seufzt die alte Tante SPD der Oppositionsrolle nach:

Wir wären gut – anstatt so roh/doch die Verhältnisse, sie sind nicht so.”

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Der vorsichtige Aussagemodus, der in Österreich noch auf der Tagesordnung steht, zeigt sich in folgender von orf.at online gestellten APA-Meldung:

Zwei Abgeordnete der künftigen Regierungsparteien besuchten diese Woche die Schweiz, um mehr über die direkte Demokratie zu erfahren. Österreich könne von der Schweiz lernen, deren Erfahrungen aber nicht 1:1 übernehmen, waren sich Reinhold Lopatka (ÖVP) und Reinhard-Eugen Bösch (FPÖ) einig. Doch während Bösch ein EU-Austrittsreferendum zuließe, will Lopatka keine Volksvoten über EU-Verträge. Bösch sagte dagegen, dass auch eine Abstimmung über einen EU-Austritt ‘möglich gemacht’ werden müsse.”

Die ÖVP deponiert aus dem Mund ihres ehemaligen Klubobmanns, was sie immer wieder erklärt hat und wovon auch der künftige Kanzler nie abgerückt ist (insofern ist die Basti-Täuschung eine Selbsttäuschung der österreichischen Wahlbürger gewesen):

Wir sind für diese EUum jeden Preis, auch um den der Volkssouveränität.”

Die FPÖ hat sich nie derart eindeutig positioniert, weder in die eine noch in die andere Richtung.

Sie hat aber in Person ihres früheren Präsidentschaftskandidaten wiederholt versprochen, in nationalen Schicksalsfragen das Stimmmvolk direkt zu Wort kommen zu lassen.

Das eröffnet einen unversöhnlichen Widerspruch, den die angeblich bereits fixierte schwarz-blaue Koalition auflösen muss.

Dies ist etwas, das keine “halbe Lösung” erlaubt.

Hier also heißt es: Entweder kein EU-Referendum, weil “kulturfremd”, “populistisch”, “plebiszitär” etc., oder: Volksabstimmung – hier und auch über alle anderen Themen und Verträge von großem Gewichttertium non datur.

Ein scharfer Blick auf die APA-Meldung zeigt freilich, dass die Weichen schon gestellt sind – und eine Vorentscheidung gefallen ist.

Die ÖVP beharrt nämlich darauf, dass eine “Allparteieneinigung, mindestens aber eine Verfassungsmehrheit” Bedingungen für ein EU-Referendum darstellten.

Das ist lächerlich. Genauso gut könnte man formulieren: “unter keinen Umständen”.

Die FPÖ wiederum ziert sich noch ostentativ. Sie hat das Ablehnungsprinzip politische Kultur jedoch bereits anerkannt.

Die direkte Demokratie sei in der Schweiz über 150 Jahre ‘Schritt für Schritt gewachsen, und wir werden das nicht eins zu eins ohne zu überlegen übernehmen können’, sagte der Vorarlberger FPÖ-Nationalratsabgeordnete.”

Die Bösch-FPÖ übernimmt die Letztbegründung für ein Nein zu einem Referendum und hat das notwendig gewordene großflächige Wendemanöver eingeleitet – vorerst ohne Hofer desavouieren zu müssen (das kommt noch).

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Um nicht missverstanden zu werden: Dieser Blogger tritt für einen gemeinsamen Markt der EU-28 und die weitgehende politische Kooperation selbstständiger Staaten ein.

Aber das, was sich Volkspartei und Sozialdemokraten seit 1995 in Sachen verdeckte staatliche Selbstabschaffung geleistet haben, ist viel mehr als schlichte Arbeitsverweigerung.

Es ist ein verdammter Skandal.

Bild: EU2017 EE Estonian Presidency  [CC BY 2.0], via Wikimedia Commons

Unabhängiger Journalist

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