Einige Probleme mit Hr. Janeks tönender Österreicher-Schau

cover_resizedEin in Alabama lehrender Historiker hat eine Intellektuelle Geschichte der Österreichischen Schule der Nationalökonomie verfasst, deren größtes Verdienst es ist mit dem Mythos aufzuräumen, Hayek&Co. seien die Drahtzieher der realen Globalisierung Ende des 20. Jahrhunderts – ein auch in der Academia salonfähiger Topos, der mitunter in echte Verschörungstheorie” mündet (“Mont Pelerin Society”). Ja, “die Österreicher” waren  wirtschaftliche Globalisten und etliche wurden von der Rockefeller-Stiftung ausgehalten, aber die Ansicht, sie hätten eine globale neoliberale Konspiration organisiert, ist schwer haltbar. Nicht umsonst bezeichnet Wasserman sie als “Marginale ( = marginalisierte) Revolutionäre”.

Der Titel des Buchs ist natürlich doppeldeutig, ein Wortspiel um die Grenznutzenlehre des “Schulgründers” Carl Menger (der Herr mit dem Dschihadistenbart am Cover rechts unten).

Diesem und z.B. Eugen Böhm Ritter von Bawerk sind die beiden ersten Kapitel des Texts gewidmet. Diese beschäftigen sich mit dem Wien des Fin de Siècle bzw. den “Gründervätern” der damaligen wirtschaftsliberalen Lehrmeinung.

Diese Leute waren in den letzten Lebensjahren der Habsburger-Monarchie tatsächlich “gut vernetzt” – der eine Privatlehrer von Kronprinz Rudolf und der andere gleich mehrfach Finanzminister.

Mehr lässt sich aber schon an dieser Stelle nicht mehr behaupten. Menger & Böhm sind damals nicht einmal im deutschsprachigen Raum Ton angebend gewesen, weil sie sich ständig mit ihren staatsfetischistischen deutschen Kollegen kloppten (natürlich nur verbal).

Der nasenlose Herr links von Menger ist Ludwig von Mises und dieser sieht bereits schwer nach bürgerlichem 20. Jahrhundert aus (Scheitel und Schnurrbart).

“Neue Weltordnung, die Erste” nach 1918

Mises ist schon “die nächste Generation”. Er hat zwar noch in der Monarchie studiert und sich dort die ersten Sporen verdient und war in ihr ins Berufsleben eingestiegen (als Angestellter der Wiener Wirtschaftskammer);

seine “Hauptschaffensperiode” lag aber bereits in der Ersten Republik, in der er das Ohr des angeblich gnadenlosen christlichsozialen Kanzlers Ignaz Seipel hatte (“The Reinvention of the Austrian School in a New World Order”).

Einer von Seipels Nachfolgern namens Dollfuss regierte nach der sogenannten “Selbstausschaltung des Parlaments” 1933 ohne frei gewählte Abgeordnetenkammer und ließ einen Aufstand von roten Sozialisten niederschlagen ehe er in einem ebensolchen von braunen Sozis umkam.

Die Zentralfigur der Österreichischen Schule, die übrigens aus einer jüdischen Familie stammte, goutierte Dollfuss’ Niederschlagung der Sozialdemokraten, war aber mit dem etatistischen “austrofaschistischen Wirtschaftsmodell” nicht einverstanden und haute 1934 nach Genf ab (kam bis 1938  aber immer wieder zu Besuch nach Wien).

Von Mises wohl brilliantester Student war Friedrich August von Hayek, der bereits im Alter von 32 Jahren an die London School of Economics berufen wurde, sozusagen ins erweiterte Heimat-Stadion des John Maynard Keynes, der seit 1920 in Cambridge dozierte.

Hayek nimmt am Buchumschlag die linke obere Position ein (neben Murray Rothbard, der US-Bürger und “nur metaphorisch” Österreicher war).

Die zehn Jahre nach 1931 und das (nicht wirklich stattgefunden habende) Duell zwischen Keynes & Hayek wären der weltgeschichtlich wohl relevanteste Teil der Saga, der von Wasserman freilich als irrelevant abgetan wird – unverständlicherweise.

Vielleicht dachte der Autor ja auch nur, dass eh schon alle Wapshotts “The Clash that defined Modern Economics” gelesen hätten und war es leid die Chose wieder zu käuen.

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Wie auch immer – die letzten drei regulären Kapitel von Wassermans Buch widmen sich den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg (neue Neue Weltordnung) sowie der Frage, wie um alles in der Welt man noch von einer Österreichischen Schule reden konnte, wenn deren Mitglieder überall nur nicht in Österreich “lebten & arbeiteten”.

In der Conclusio wird auf das Schicksal der Theorie(n) nach dem Tod der letzten wirklich in Mitteleuropa geborenen Gattungsexemplare eingegangen (noch neuere Neue Weltordnung)

und beklagt, dass die “zeitgenössischen Österreicher” zu einem Haufen rassistischer & populistischer alt right-Figuren verkommen seien (künftige Neue Weltordnung).

Das artet manchmal in haarsträubenden Unsinn aus – “FP-Politikerin Barbara Kolm” und “Richard Spencer Basti” lassen grüßen.

***

Der Text löste u.a. ein paar übel gelaunte Besprechungen von US-amerikanischen (Post-)Österreichern aus, die sich schon seit ein paar Jahrzehnten mit der Materie beschäftigen und die es prinzipiell zwar gut finden, dass sich endlich jemand “von draußen” des Themas annimmt,

sonst aber der Meinung sind,

dass Wasserman, allgemein gesprochen, keine Ahnung von Tuten und Blasen hat und Mises a) weder gelesen noch b) verstanden hat (oder umgekehrt).

Durchaus zutreffend wird festgestellt, dass Janek W. sein “Gegenwarts-Narrativ” gemäß dem noch immer herrschenden keynesianischen Zeitgeist framt und (implizit) mit sozialdemokratischen Akzenten versieht,

weswegen Zweifel auch an der ehrlichen Behandlung der “historischen Passagen” angebracht seien.

Grundsätzlich, meint hinwiederum dieser Blogger, legt Wassermsan aber sehr wohl “einen Finger in die demokratiepolitische Wunde des Lehrgebäudes” – dahingehend, dass es ganz objektiv ein Spannungsverhältnis zwischen “wirtschaftlicher Freiheit der Leistungsträger” und “demokratischem Umverteilungsstaat der Leistungsempfänger” gibt.

Die “Österreicher” versuchen dies üblicherweise zu verschwurbeln, vielleicht mit Ausnahme von Typen wie Hans-Hermann Hoppe.

Das tun aber auch deren Kritiker von der Linken, die den Hauptbefund von Hayeks Road to Serfdom nicht wahr haben wollen, nämlich dass sich Planwirtschaft – auch verdeckte, monetäre – und “westliche Demokratie” auch nicht vertragen.

Die heute Ton angebenden “etatistischen Linksliberalen” scheinen nur besser heucheln zu können.

Ceterum censeo, dass

  • dieser Blogger wirklich und gerne mit allem PiPaPo gewusst hätte, warum Hayek in den 1930ern so gegen Keynes abgestunken ist, zumindest in den Augen der “jungen Fachöffentlichkeit” und dass
  • die Geschichte beileibe noch nicht aus ist und das dicke Ende von Lord Keynes ff. erst kommt. Auch wenn heute alle der Meinung anhängen, die Geschichte habe “belegt”, dass der Engländer (bzw. dessen Theorie) “recht gehabt hätten”.

Janek Wasserman, The Marginal Revolutionaries. How Austrian Economists Fought the War of Ideas. 2019

Unabhängiger Journalist

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