Der Peakoil-Theorie lastet man an, ein bis heute nicht eingetretenes Fördermaximum vorausgesagt zu haben (woraus mitunter abgeleitet wird, dass Öl “nie zu Ende gehen würde”) – oft durch Kritiker, die das Kritisierte a) nie gelesen haben oder denen b) wichtige Voraussetzungen geologischer und statistisch-klassifikatorischer Natur fehlen. Ein Bick auf Robert Hirsch, den Lead-Autor eines 2005 erschienenen “alarmistischen Reports”, lässt eine Mischung aus Missverständnis, stärker werdender Schweigespirale und echten Fehleinschätzungen erkennen.
Hirsch war (ist) ein seit den 1970ern im staatlichen und privaten Bereich tätiger Energiespezialist, der im Februar 2005 den Bericht Peaking of World Oil Production: Impacts, Mitigation & Risk Management vorlegte.
Auftraggeber des sogenannten Hirsch-Reports war das US-Energieministerium.
Im Text bezeichneten Bob Hirsch und sein Team das ihrer Meinung nach bevorstehende Fördermaximum als historisch noch nie dagewesenes Weltproblem, das bei entsprechender Vorlaufzeit allerdings wesentlich abgemildert (“mitigated”) werden könne.
Hirsch schlug Washington dazu eine Reihe “technischer Maßnahmen” vor,
von mehr Enhanced Oil Recovery über Fördermaßnahmen für Heavy Oil bis zur Verflüssigung von Kohle und der Entwicklung anderer Substitute.
Er legte sich aber nicht fest, wann der Peak erreicht sein würde und verwies auf eine Reihe von Geologen-Schätzungen.
Diese erwarteten damals das Einsetzen des Fördermaximums zwischen 2006 und 2025.
Der ursprüngliche Report
Jedenfalls, erklärten Hirsch und sein Team, werde der Wendepunkt abrupt und von großen Preissteigerungen begleitet sein.
Die Reaktionen auf den Bericht erfolgten dagegen “abgestuft”.
In einer ersten Welle der Kritik wurde der Lead-Autor – ohne triftige Gründe – lächerlich gemacht, ähnlich wie Matt Simmons.
Von seinen Auftraggebern wurde “signalisiert”:
Zu diesem Zeitpunkt hatte die PO-Theorie freilich bereits Fahrt aufgenommen und die Preisentwicklung bis Mitte 2008 schien die Vorhersagen Hirschs zu bestätigen.
Öl kletterte in einer exponenziellen Kurve auf über 140 Dollar
(um kurz danach, in der Krise, auf fast 30 Dollar abzustürzen. Danach war die anfängliche “Bestätigung” nichts mehr wert. Die Erklärung lautete: Wie der Markt “bewiesen” hatte, hat es sich dabei um irrational exuberance gehandelt).
Wenig überraschend deckten sich die nach 2008/09 verbleibenden PO-Verfechter weitgehend mit resilient-grünen, “postkarbonistischen” und/oder tiefenökologisch orientierten Ideologen, die sich der Kohlendioxid-Religion und diversen Wunschträumen von Erneuerbarer Energie verschrieben hatten.
Hirsch legt nach
Diesen Anhängern teilten Hirsch & seine Co-Autoren (dieselben wie 2005) in einem neu erschienenen Buch (“The Impending World Energy Mess”) mit, dass “die Welt von renewable energy besoffen” und dass die Global Warming-Theorie ein einziges Durcheinander und wissenschaftlich höchst problematisch sei.
Damit fiel 2010 auch Hirschs letzte Zuhörergruppe weg und man hat seit diesem Zeitpunkt nichts mehr über den Mann gehört (vielleicht ist er ja auch nur dement – sollte er noch leben).
Jedenfalls präzisierte Hirsch 2010 noch einmal seine urprüngliche Analyse von 2005, indem er meinte,
er sei sich sicher, dass in den nächsten ein bis zwei Jahren die Produktion von Öl (eigentlich “all liquids”) anfangen werde zurückzugehen.
Das entpuppte sich in den Folgejahren nun abermals als eine, diesmal explizite, Fehlprognose – zumindest im buchstäblichen, statistisch-klassifikatorischen Sinn.
“All Liquids” gingen nämlich nicht zurück, sie legten zu, ab 2014 sogar stark.
Das war, wie mittlerweile leicht nachzuweisen ist, eine Folge
- der starken Zunahme von flüssigen Beiprodukten der Gas-Erzeugung, die als Öl eingestuft wurden sowie der
- Schieferöl-Revolution in den USA, eines wohl nicht lange durchhaltbaren Strohfeuers – siehe z.B. hier und hier.
Praktisch der gesamte Produktionszuwachs seit 2005 ist auf dieses “definitorische Öl” zurückzuführen, siehe z.B. hier.
Mischung aus Irrtum und Demagogie
Das bedeutet aber auch, dass
- es seit 2005 keinen (weltweiten) Produktionszuwachs von “Erdöl im alten Sinn” gegeben hat - aber auch keinen Rückgang, wie man ev. mit Blick auf die “organische Erschöpfung” von bestehenden Feldern vermuten könnte.
Die Hirsch-Theorie ist damit keineswegs kategorisch widerlegt, wie das manchmal dargestellt wird.
Sie muss jedoch in bestimmten Aspekten modifiziert werden, denn
- es hat sozusagen “im Talon” Statistikspielereien und “echte Technologien” gegeben, durch die die pro forma-Erzeugung seit 2008 um 14 Prozent gesteigert werden konnte (siehe BP-Statistics 2019, S. 16). Von einem Fortbestand von bzw. einer Nachfolge dazu kann man nicht ausgehen.
- die Annahme eines “spitzen Peaks” kann nicht gehalten werden (obwohl das eine graduelle Sache ist und von der Skala auf der Abszisse abhängt – je geringer die zeitlichen Abstände, desto “spitzer” der Peak).
- Es ist nicht unvernünftig, beim konventionellen Öl von einem 10 bis 15 Jahre andauernden “undulating plateau” auszugehen – einer Hochebene, auf der sich kontingente Zuwächse und ebensolche Reduktionen ausbalancieren, und wo jedenfalls noch kein sichtbares Gefälle besteht. Konkret: Während große Produzenten wie Mexiko und Venezuela bereits scharf abgetaucht sind, erschienen anderswo starke Zuwächse – beispielsweise gut 2 mb/d im Irak.
- Diese Zuwächse werden über kurz oder lang freilich ausgereizt sein und auch Shale und Gas Liquids werden in absehbarer Zeit wohl den Rückwärtsgang einlegen.
Hirsch kann “materiell” also durchaus recht gehabt haben, er hat offenbar aber die Möglichkeiten unterschätzt
die von ihm prognostizierte Entwicklung zu verzögern – durch Datenmassage, EOR und durch das “Entkorken der Shale-Bouteille” in den USA (Technik und geologische Vorkommen sind schon länger bekannt).
Hirsch scheint auch nicht bewusst gewesen zu sein, dass der CO2-Warmismus eine Art “Cover-Story” für das Ende des Ölzeitalters bilden würde.
Grafik: Pline [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)] via WikimediaCommons
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