Energie: “Gaslighting” in Österreich

Der “unabhängige” österreichische Energieregulator hat am Montag Abend Wiener Journos zu einem “Roundtable” zusammengerufen um dem ohnedies skeptisch gewordenen Trüppchen zu erklären, dass sich die Verkehrsleistung verbessern werde, wenn grenzüberschreitende Autobahnen für Fußmarode gebaut würden (was bereits passiert ist oder demnächst geschehen soll). Hofrat Beschwichtel und eine beigezogene, zweifellos zuständige Ministerialrätin versicherten, dass genug Suppe … äh: Gas für zwei kalte Winter da sein werde – was eigentlich alles ist, was die hiesige Journaille hören wollte (“Keine Details, welches Stück!?”). Dieser Blogger, ein “Einzelkämpfer”, hat zwar etliche Berichte zu diesem seltsamen Hintergrundgespräch gelesen, sieht sich wegen Arbeitsüberlastung aber außerstande, das Vorgebrachte Punkt für Punkt zu zerpflücken. Drum soll es hier mit a) einer eigenständigen Charakterisierung der Beschwichtel-Aussagen (“Framing”), b) dem Hinweis auf die jüngsten Storage-Rückgänge in AGSI-Europa sowie c) einer Analyse postrussischer Hoffnungsträger sein Bewenden haben.

Also, was die Aussagen von Alfons E. Neumann betrifft, ist dieser Blogger ein wenig ratlos, weil er nicht weiß, wo er anfangen soll (und die Journo-Elaborate dazu “naturgemäß” – wie Th. Bernhard sagen würde – lückenhaft sind).

Es ist aber schon ziemlich aussagekräftig, wenn Transportkapazitäten mit realem Gasfluss, “liquide” Zocker-Papierl mit auf den Zertifikaten als möglich vermerktem “delivery” und temporäre Speicherstände mit Versorgungssicherheit gleichgesetzt werden.

Was soll man dazu sagen, außer:

Leute dieses Zuschnitts glauben – sofern sie bona fide argumentieren – auch an die Einlagensicherung, sollten sich z.B. bevorrangte Gläubiger von Bank Austria und Erste der Mittel ‘kleiner Einleger’ bemächtigen, darauf verweisend, dass diese Absicherung bei der kleinen Riegerbank anno Schnee ja auch funktioniert habe (oder sie stellen es als Errungenschaft dar, wenn die Einleger zu Aktionären einer wertlosen Bank geworden sind).”

Keine Rolle scheinen jedenfalls die – ohnedies nur begrenzt aussagekräftigen – Speicherstände bei GIE-AGSI gespielt zu haben – oder nur insofern, dass sie vor kurzem angeblich beruhigende “mehr als 90 Prozent” ausgemacht haben

(nachdem sie kurz davor noch fast 100 Prozent ausgemacht hatten).

Wäre man von Beschwichtel-Seite zu sehr auf dem Füllstand herumgeritten, wäre ein Teilnehmer der Tafelrunde womöglich auf die Idee gekommen zu fragen, wie sich dieser seit 1. November denn entwickelt habe und wenigstens die Ministerialrätin hätte darauf antworten müssen:

Naja, die ‘österreichischen Speicher’ haben seit 1. November fast 6 TWh und 6 Prozentpunkte verloren, die deutschen fast 20 TWh oder 8 Prozentpunkte, die italienischen fast 18 TWh und 9 Prozentpunkte und die der AGSI-EU 121 TWh oder 10,5 Prozentpunkte.”

Und damit unsere Russenfreunde nicht allzusehr frohlocken, sei hier noch hinzugefügt:

Und die Ungarn haben 7,4 TWh oder 10,9 Prozentpunkte verloren”,

was in den Augen dieses Bloggers zeigt, dass Moskau den angeblichen oder wirklichen Ober-Putiniden im “Westen” auch nicht helfen kann.

Die E-Control scheint jedenfalls der Meinung zu sein, dass sie auf die in und um Haidach gebunkerten Mengen zugreifen kann,

dass danach aber die deutschen, italienischen, und hinter diesen die norwegischen und US-amerikanischen Ritter zu Hilfe galoppieren werden.

Aber nicht alles ist Gold, was glänzt – was auch einer unabhängigen Behörde wie der E-Control nicht verborgen geblieben sein kann

(die sich, sofern sie nicht bessere Informationen hat, bei Bruegels frei zugänglichem “Natural Gas Import Tracker” bedienen kann.)

Wenn dieser Blogger richtig addiert hat, haben die Russen gemäß den dortigen Zahlen (Fig.5) 2021 noch 157 Mrd. Kubik Erdgas in die EU geliefert,

was bis 2023 auf 45 Mrd. Kubik zusammengeschnurrt ist. Seither kam es zu einer Erholung auf tiefem Niveau, sodass in den ersten drei Quartalen 2024 erneut 40 Mrd. m3 aus der RF geliefert wurden

(Das könnte sich 2025 wieder ändern,

vor allem, wenn die “Lieferleistung des südlichen Arms” über Baumgarten nächstes Jahr um weitere 14 Milliarden schrumpft.)

Im “Buch dieses Bloggers” werden gut 100 Mrd. Kubikmeter p.a. weniger jedenfalls als “veritables europäisches Problem” angesehen,

vor allem, wenn die Performance der für die Russen Einzuspringenden eine überschaubare ist.

Relativ wacker schlagen sich noch die Norweger, die jedes Jahr insgesamt gut 100 Milliarden Kubikmeter ausführen, das meiste davon nach Kontinentaleuropa (via Pipelines). Die Norweger, die im Wasser “vertikal bohren”,  führen einen zähen Kampf gegen die Depletion und haben 2024 in den ersten drei Quartalen um etwa 3,3 Mrd. Kubik Gas mehr in die EU geliefert als im Jahr davor (1-9).

Bereits 2023 konnten die “West-Wikinger” ein wenig mehr ausführen als im Jahr davor,

aber diese Zuwächse im einstelligen Milliardenbereich machen das sprichwörtliche Kraut nicht fett.

Dazu kommt US-LNG, das von 2021 auf 2022 tatsächlich einen riesigen “Hupfer nach oben” machte. 2023 flachte das Wachstum dann aber ab und 2024 lieferten die USA in den ersten drei Quartalen um etwa 7 Mrd. Kubikmeter weniger in die EU als im Jahr davor.

Andere “postrussische” LNG-Lieferanten haben die in sie gesetzten hoch gesteckten Erwartungen noch weniger erfüllt.

Algerien wiederum produziert fast so viel Erdgas wie Norwegen, hat aber mehr als acht mal so viele Einwohner.

Deswegen liefert der nordafrikanische Staat jährlich nur an die 50 Mrd. Kubik hauptsächlich an Spanien und Italien, mit denen A. durch unterseeische Pipelines verbunden ist.

Wenn Madrid Algier verstimmt (z.B. “wg. Polisario”), geht im Rahmen von Algiers Ermessensspielraum halt mehr Gas nach Italien, aber an seiner Gesamt-Exportmenge nach Europa hat sich in den vergangenen Jahren nicht viel verändert. Ausweislich der Bruegel-Zahlen sind in den ersten drei Quartalen ’24 die algerischen EU-Ausfuhren sogar leicht gesunken.

Kurz: Weit und breit ist nichts von alternativen Anbietern zu sehen, die die “Russenlücke stopfen könnten”.

Rechnet man den US-amerikanischen “Hupfer” 2021/22 und die moderaten Zuwächse der Norweger ein, konnte schon bisher nur etwa die Hälfte der Russenlücke kompensiert werden

und die letztlich nur geringfügigen Erhöhungen des TTF-Derivativpreises bei Gas sind wohl einer – “nicht nachhaltigen” – Finanz-Alchemie geschuldet.

Trotz des verdeckten Kurs-Managements sind die doch erhöhten TTF-Futures “Benchmark-Preise”, die in Europa Verbraucherpreisinflation und Deindustrialisierung vorantreiben,

ungeachtet der tapferen Miene, die Alfons E. Neumann und seine Auftraggeber aufsetzen (“What, me worry?”).

Nicht einmal das rohstoffreiche Russland entkommt letztlich seinem Depletions-Schicksal und das rohstoffarme Westeuropa, das fast alle seine Ressourçen importieren muss, noch viel weniger.

Was das Erdgas betrifft, bleibt nach Abzug der Produktion in Norwegen, dem UK und der Ukraine nicht mehr viel an Eigenproduktion in “Total Europe” übrig, siehe Statistical Review  ’24, Seite 37

- und die E-Control weiß das natürlich.

Ebenso wie dass die bisherige Verbrauchsreduktion von gut 20 Prozent hauptsächlich auf zwei milde Winter und stetige Deindustrialisierung und Gewerbe-Schließungen zurückzuführen ist.

Unabhängiger Journalist

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