Erdgas/Ö: Ruhiger November, bäriger Erdgasverbrauch

Nach Darstellung der hiesigen Journaille bzw. der hinter dieser stehenden offiziellen Informationsgeber hat es auch heuer einen überdurchschnittlich warmen Herbst sowie einen ruhigen November gegeben – ein G’schichterl, das der Medienkonsumenteinfach so” schlucken soll. An anderer Stelle tischt dieselbe Journaille eine beruhigende Rosinenpicker-Story über fast volle lokale Gas-Speicher auf und natürlich soll auch diese geglaubt werden. Kratzt man nur die Oberfläche jedes dieser G’schichterln an, wird schnell klar, dass beide wahrscheinlich nicht stimmen.

Das G’schichterl-Ankratzen kann beispielsweise durch ein – zugegebenermaßen mühsames – Vergleichen der historischen Werte der GIE-AGSI-Datenbank erfolgen,

wie in der folgenden Tabelle für den elften Monat (jeweils 1. bis 30.11) für “Österreich” – also inklusive Haidach – passiert.

Die zweite Spalte zeigt den Rückgang des Füllstandes in Prozentpunkten (“full in %”),  die dritte die jeweilige Entnahme (“withdrawal”) in Terawattstunden und die vierte Spalte den Füllstand in Prozent, jeweils am 30. November.

Für etwaige Übertragungs- oder Rechenfehler ist, wie üblich, dieser Blogger allein verantwortlich.

Füllstand, Entnahme & Storage in Österreich
δ “full in %” Withdrawal in TWh “full in %”,   30.11.
2024  -5,35%  5,8  89,1%
2023  -2,65%  3,3  96,9%
2022  +0,73%  2,2  93,9%
2021  -10,01%  10,3  46,1%
2020  -2,72%  5,8  87,9%
2019  -0,50%  2,7  98.9%

An dieser Tabelle ist dreierlei auffällig:

  • Zunächst einmal der deutlich stärkere “Aderlass”, den die “österreichischen Speicher” im vergangenen November gegenüber den beiden vorangegangenen Jahren zu verbuchen hatten – was wohl hauptsächlich auf das frühe Einsetzen der Heizperiode zurückzuführen ist. Das war offenkundig kein österreichisches Spezifikum, sondern korrespondiert mit den Werten der AGSI-EU, die im vergangenen November fast 10 Prozentpunkte “Füllstand” verloren hat und 120,33 TWh “Storage”, siehe auch hier. Diese Einschätzung schlägt sich freilich mit der oben verlinkten, von der ZAMG inspirierten “Business as Usual”-Meldung von orf.at.
  • Die zweite Auffälligkeit ist eine gewisse Ähnlichkeit des vergangenen Novembers mit jenem des Jahres 2020 in Bezug auf die Entnahme und den “Füllstand” zu Ende der Periode. Absolut nicht dazu passt der vergleichsweise geringe Rückgang des “Füllstands” im Jahr 2020, der nur etwa die Hälfte des Rückgangs während des Novembers 2024  ausmachte. Das lässt sich als Folge eines reduzierten Zuflusses von Russen-Gas in “österreichische Speicher” interpretieren. Dieser Zufluss scheint Mitte des vergangenen Monats tatsächlich zum Erliegen gekommen sein, nachdem die OMV versucht hatte, ein vor einem Schweizer Schiedsgericht gegen die Gasprom erstrittenes Guthaben als Zahlung für aktuelle Gaslieferungen zu verwenden. Die medial beschworene “Umlenkung” der früheren Gasmengen für die OMV an eine “lokale Börse” hat zumindest bisher keinen Niederschlag in den österreichischen Storage-Werten gefunden.
  • Besonders augenfällig scheint der eben geschilderte Mechanismus im Jahr 2021 geworden sein, in dem freillich weitere unbekannte Sonderfaktoren eine Rolle gespielt haben müssen. 2021, vor dem Beginn des Ukraine-Kriegs, gingen die hiesigen Speicher aus unbekannten Gründen mit einem minimalen Füllstand von nur 46 Prozent in die Heizsaison 2021/22 (per 30.11.). Diese fand Ende Februar 2022 ihren (Storage-)Tiefpunkt, woraufhin eine rapide Wiederbefülling der hiesigen Speicher begann. Es dürfte damals ziemlich knapp geworden sein, aber Versorgungsengpässe wurden keine bekannt. Die Wiederbefüllung ist anscheinend durch russisches Erdgas erfolgt. Dieses Beispiel legt nahe, dass selbst eine minimale Befüllung der Speicher zu Beginn einer Heizsaison nicht zwingend zu Versorgungsunterbrechungen führen muss; 

Umgekehrt nutzt der höchste Storage-Wert im November nichts, wenn der folgende Winter lang und kalt ausfällt und/oder nicht rechtzeitig Nachschub eintrifft. Die Nagelprobe dafür wird in der Alpenrepublik wohl der kommende Winter liefern, der zeigen wird, inwieweit sich Ersatz für ausfallende russische Erdgas-Lieferungen mobilisieren lässt.

Unabhängiger Journalist

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