Europa und der Islam – Also ich weiß nicht, Herr Kaplan…

Robert_D._Kaplan
Ein Blick über den Großen Teich

Der US-amerikanische Geostratege Robert Kaplan hat in Atlantic über Europa und den Islam nachgedacht und herausgekommen ist ein Stück, in dem sich überzeugende geostrategische Einsichten mit Oberflächlichkeiten mischen, die manchmal in äüßerst eigentümliche Feststellungen münden.

Schon der Titel des Atlantic-Stücks ist ein Beispiel für die Mischung aus Fact und (Intellektuellen-)Fiction. Er lautet

Wie der Islam Europa schuf”

Nun sieht Kaplan richtig, dass sowohl das feudale als auch das neuzeitliche Europa in Reaktionen auf “Herausforderungen” durch mohammedanische Reiche entstanden.

Er bemüht für seine These von der Europa-Genese durch den Islam auch weder Aladins Lampe noch die Alhambra in Granada.

Kaplan sagt nur, dass

  • “der Islam” seit dem 7. Jahrhundert das römisch-imperiale, danach christlich gewordene Europa von Süden her bedrängt und dadurch geographisch definiert habe sowie dass
  • “der Westen” im Norden entstand, in Nordeuropa. Ferner legt er nahe,
  • dass sich durch “Terrorismus und Migration” eine “klassische Geographie auf organische Weise wieder herstellt”, indem besagte Kräfte “das Mittemeerbecken wieder vereinen”.

Amerikanische Europa-Vorstellungen

Also mit Letzterem tue ich mir schon deswegen schwer, weil das nicht ist, was heute zu beobachten ist. Der geschilderte Druck mag die Mittelmeerstaaten zuerst erreichen, aber von einer “(Wieder)Vereinigung” mit Levante und Maghreb unter islamischen Vorzeichen lässt sich (derzeit noch) nicht viel sehen.

Die Flüchtlinge wollen nach Mitteleuropa, wo ihnen die angeblich demokratischen Politicos und Beamten sowie die hiesige angeblich demokratische Öffentlichkeit freundlicher gesinnt sind (was schon damit beginnt, dass alle Migranten par ordre du mufti Flüchtlinge genannt werden). Griechenland und Italien sind Sonderfälle, die freilich auch nicht in das von Kaplan angedeutete Szenario passen.

Dass der Westen in Nordeuropa entstanden ist, darüber lässt sich eventuell diskutieren, obwohl das so klingt, als ob der Westen in Brüssel entstanden sei und über diese Idee könnte ich stundenlang lästern, ehrlich.

Kaplans Kurz-Genese der slawischen Herrschaftsverbände Osteuropas (und Ungarns) riecht noch etwas fischiger und man hat den Eindruck, dass der gute Mann a.) ein paar Jahrhunderte verwechselt und dass er b) bei diesem Prozess das (neuzeitliche) Russland ab Iwan dem Schrecklichen vergisst.

Aber gut ! Das kann bei einem Parforceritt durch 20 Jahrhunderte schon mal passieren.

Bleibt die Ansicht, dass “der Islam” quasi als Gegenentwurf, “das Andere” funktioniert habe und dadurch zur Selbstfindung Europas beigetragen habe.

Das ist keinesfalls falsch, obwohl man auch das missverständlich ausdrücken kann, nämlich “Wie der Islam Europa schuf”. Das ist als würde man sagen: “Wie Dschingis Khan der moderne Russland schuf”.

Zwei islamische Exkursionen nach Europa

Historisches Faktum ist, dass es in den vergangenen 1.500 Jahren zwei einigermaßen haltbare Exkursionen islamischer Reiche auf (heute) europäischen Boden gegeben hat.

Das war zuerst das Kalifat von Cordoba. Die dort erfolgte Reconquista beschäftigte Westeuropa während des Miittelalters. Es war ein Unternehmen christlich-feudaler Herrschaftsverbände.

Zweitens geht es um die türkische Eroberung Griechenlands und des Balkan.

Das begann zwar schon im Mittelalter, mit den Siegen der Seldschuken gegen Byzanz. Es war im Wesentlichen aber ein neuzeitlicher Vorgang, in dem sich das noch heute erkennbare Europa der absoluten Fürsten und der Nationalstaaten herauskristallisierte.

In gewisser Weise wurde der Ansturm der Sultane vom jetzt verteufelten Staatensystem des Westfälischen Friedens gestoppt – einem System, das angeblich historisch überholt ist und zu dem es kein Zurück mehr geben darf, wie auch Kaplan meint (“not without courting disaster”).

Woher die Schnapsidee kommt, dass dessen Nachfolgestaaten eine kulturelle Reinheit anstrebten, die im 21. Jahrhundert nicht mehr machbar sei, weiß ich nicht.

Dieses Mem wird auch von unseren EU-Kommissaren verwendet, siehe hier. Dabei handelt es sich aber eher um die wirre Herrschaftsideologie eines Globalisten, der nicht aussprechen möchte, dass er keine europäische Agenda hat.

Bild:Rosalie Bolender, Wikimedia Commons, CC BY 2.0

Unabhängiger Journalist

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