MH 17: Klare Desinfo aus Natostan – Wie, warum taktiert Almaz-Antey?

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Simulation DSB

Das Urteil, das diverse Sub-Öffentlichkeiten über den Abschlussbericht des MH 17-Abschusses fällen, ist einheitlich negativ. Ob Piloten, Techniker oder andere Kenner - alle jammern: Am Dienstag wurde ein politisches Papier veröffentlicht, das keinerlei Aufklärungsabsicht hat. Aber wie ist das Agieren des russischen Rüstungskonzerns Almaz-Antey zu erklären, des Herstellers der Tatwaffe? NB zum Thema Abschuss aus der Luft/vom Boden.

Natostan und seine Schoßhündchen haben eine einfache Erklärung, warum Almaz-Antey bei MH 17 nicht die Wahrheit spricht: Es darf gar nicht. Es handle sich um einen russischen Staatskonzern, der aufgrund einer politischen Weisung verschleiern müsse, dass ethnische Russen und (verdeckte) Verbündete Moskaus für den Abschuss verantwortlich sind.

Nun ist das insofern pikant, als unsere privaten, scheinbar unabhängigen Sprechwerkzeuge der NATO dieser keineswegs kritischer gegenüberstehen als ein russischer Staatskonzern dem Kreml (dies nur nebenher). Grundsätzlich ist das aber durchaus richtig: Konzerne, die im öffentlichen Eigentum stehen, legen nirgendwo auf der Welt besondere Tapferkeit gegenüber ihren Eigentümervertretern an den Tag.

Es gibt freilich noch zwei weitere Varianten.

Es ist erstens immerhin möglich, dass Techniker des Buk-Herstellers ohne Hin- und Rücksicherln zu ihren Schlüssen gekommen sind. Die zweite Variante ist, dass die Version von Almaz-Antey sehr wohl eine politisch erwünschte Wahrheit ist, dass diese aber einem anderen als dem vermuteten Zweck dient; nämlich der Fabrikation eines Ost-West-Konsenses über den Hergang der Katastrophe. Eines Konsenses, der auch die andere tatverdächtige Seite vom Haken lässt: Kiew und seine (ehemaligen) Verbündeten.

Sollte es z.B. im russischen Militär schlagende Indizien dafür geben, dass es sich um einen westlichen false flag-Anschlag gehandelt hat, könnte dieses Wissen hinter gepolsterten Türen nutzbringender und risikoloser verwendet werden als durch eine versuchte Entlarvung in der Medienöffentlichkeit.

Putin spricht nicht umsonst immer von seinen Partnern im Westen. Er meint jene Mitspieler, die am gleichen Pokertisch sitzen und die ohne Wenn und Aber zu zahlen haben, wenn eine Partie verloren geht. Almaz-Anteys Agieren könnte dazu angetan sein, diese Bonität überhaupt erst zu ermöglichen. Putin ist ein verlierender (und zahlender) Partner lieber als ein toter, nicht zahlender Partner.

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Woher kommt nun der Verdacht gegen Almaz-Antey? Es ist der Umstand, dass AA die These vom Abschuss durch eine Boden-Luft-Rakete rückhaltlos zu unterstützen und auch eine Kombi-Variante Buk und Jagdflieger auszuschließen scheint. Diese Festlegung birgt einen für die Ukraine äußerst günstigen Aspekt: Sie lässt die Möglichkeit offen, dass neurussische Milizen den Vogel vom Himmel geholt haben – im Alleingang und auch, wenn sie nur über eine vereinzelte Raketen-Batterie verfügten. Jede Variante, in der ein (nicht-russisches) Jagdflugzeug eine Rolle spielt, wäre für Kiew fatal – denn nur die Ukraine (und ihre Verbündeten) haben (militärisch) im fraglichen Luftraum  operiert.

Es gibt aber gewichtige Hinweise, dass ein oder mehrere Jagdflieger den Absturz mit ausgelöst haben (freilich kein konsistentes Szenario dazu).

Eine solche Variante wird nach wie vor vom pensionierten Piloten Peter Haisenko favorisiert (und nicht nur von diesem) – siehe hier.

Haisenko macht u.a. geltend, dass die Teilchen aus einem Buk-warhead keine Rußspuren hinterlassen, wie sie im Endbericht erwähnt werden – vor allem aber, dass die Außenhaut um das Cockpit und am vorderen Rumpf runde Einschusslöcher aufweist, wie sie für Bordkanonen von Militärjets charakteristisch sind (es gibt freilich zahlreiche Perforationen, die eigentlich nur eine Raketen-Schlussfolgerung zulassen).

Auch die vom russischen Militär kurz nach dem Absturz vorgelegten Radarbilder zeigen ein Jagdflugzeug in der Nähe der Boeing (dessen Typus freilich nicht ideal für einen Abschuss gewesen wäre). Das sind (primäre) Daten, die die Ukraine nicht vorgelegt hat – ebensowenig wie die Originalaufnahmen des Funkverkehrs mit dem Tower Dnjepropetrowsk. Das ukrainische Militär begründet das Nichtvorhandensein eigener Radardaten übrigens mit der Erklärung, dass kein Militärjet in der Nähe des Unglücksorts gewesen sei.

Die USA müssten wenigstens Satellitenaufnahmen der Situation haben, rücken diese aber nicht heraus.

(Grundsätzlich gilt für die Amerikaner spiegelgleich, was für Moskau gilt: Sie könnten im Besitz eines Beweisstücks sein, das die ostukrainischen Rebellen mit einem rauchenden Colt zeigt – es aber vorziehen, dieses bestmöglich hinter den Kulissen zu verwenden; oder ihr Material zeigt, dass die Wahrheit noch ein Stück komplizierter ist  – wie das beispielsweise von Wolfgang Eggert erklärt wird, siehe hier und hier.)

Hersteller ignoriert

Welche Version auch bevorzugt werden mag – seriöserweise kommt man an der Position des Herstellers der (angeblichen) Tatwaffe nicht so einfach vorbei. Man kann diese auch quellenkritisch würdigen – aber man kann sie nicht einfach ignorieren oder an abgelegener Stelle, unter einem Wust abgeleiteter Daten begraben. Wer das tut, disqualifiziert sich selbst.

Genau so ist das niederländisch geführte Untersuchungsteam aber vorgegangen. Es hat Kalkulationen von AA selektiv genutzt, um Modellsimulationen des Niederländischen Luft und Raumfahrtzentrums (NLR) sowie des Kiewer Forschungsinstituts für Forensische Expertise zu validieren (Bericht S. 145 – 147). Die Meinung von AA, dass ein anderer Gefechtskopf verwendet wurde und dass die Rakete nicht südöstlich von Hrabove abgefeuert wurde, wurde schlicht und einfach ignoriert.

Ein nicht naturwissenschaftlich geschulter Nicht-Raketentechniker ist mit der Beurteilung z.B. der Frage, ob durchsiebte Alu-Überbleibsel tatsächlich (eindeutig) schmetterlingsförmige impacts in ausreichender Anzahl aufweisen, schlicht und einfach überfordert. Das DSB sagt ja, Almaz-Antey nein.

Letztlich hängt die Entscheidung für die eine oder andere Version wohl davon ab, wen man für “vertrauenswürdiger” ( = weniger verlogen) hält. Letztlich könnte es in beiden Fällen um die Fabrikation und Durchsetzung einer nur für die naive, allgemeine Öffentlichkeit bestimmten Wahrheit gehen.

Wem hat es genutzt?

Die Frage des cui bono ist leichter zu beantworten. Der Abschuss durch prorussische Rebellen wurde von den Medien sofort als selbstverständlich genommen und diente als Auslöser für die (Verschärfung der) westlichen Sanktionen gegen Russland. Im Juli 2014 war klar, dass Russland weder die Krim zurück- noch dass die neurussischen Milizen einfach aufgeben würden. Die Eskalation des Bürgerkriegs stand unmittelbar bevor.

Und schließlich hatten die BRICS gerade Beschlüsse gefaßt, die auf eine Ablöse des US-Dollar als Weltreservewährung hinausliefen – alles Kandidaten für eine Gegenstrategie der Spannung.

Die Neurussen haben keine vergleichbar klare Motivationslage (nicht einmal Moskau selbst). Sie konnten sich keine Hoffnung machen, von einer Strategie der Spannung profitieren zu können. Wenn diese Seite die MH 17 abgeschossen hat, dann irrtümlich oder weil sie in eine Falle gelockt worden ist.

Foto: youtube, Wikimedia commons, Dutch Safety Board, CC Lizenz

Nachbemerkung 1, 12.15 Uhr, 16.10.: Ich sehe, ehrlich gesagt, keine (rationale) Möglichkeit, das Ende der MH 17 allein auf Feuer mit der Bordkanone zurückzuführen. Ja, die Piloten können mit so etwas getötet und der Flieger kann im Lauf des eineinhalb Minuten dauernden Absturzes  irgendwie zerbrochen sein, aber: Die Fragment-Löcher in der Außenhaut legen zwingend die Beteiligung einer Rakete mit Gefechtskopf nahe.

Welche Rakete und woher diese abgeschossen wurde, ist eine andere Geschichte. Ich habe mich inzwischen überzeugen lassen, dass sich AA in der PK nicht auf eine Buk-SAM festgelegt hat, sondern sagt: Wenn diese Rakete verwendet wurde, kann es nur ein anderer Gefechtskopf gewesen sein. Prinzipiell müsste das Unternehmen die “Handschrift” dieser Waffe so gut kennen, dass eine Unsicherheit, ob es eine Buk war, nicht möglich ist.

Foto: Screenshot Youtube, Wikimedia Commons

Unabhängiger Journalist

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