Neocons für Hillary, Kriegstreiber gg. Donald – Über US-Außenpolitik

Donald_Trump_August_19,_2015_(cropped2)Acht Monate vor den Präsidentschaftswahlen finden in den USA Dinge statt, die den Schluss nahelegen, dass der Donald dem Militärisch-Industriellen Komplex tatsächlich ein Dorn im Auge ist – so sehr, dass ein Kolumnist die Frage stellt, ob Trump um sein Leben fürchten müsse. Die Neocons, die Bushs Chaoskriege von Afghanistan bis Syrien (sic) gefingert haben, laufen zu Hillary Clinton über. Hillary_Clinton_by_Gage_Skidmore_2

Man kann das auch umgekehrt sehen. Hillary Rodham Clinton (HRC) war immer schon eine der Ihren, halt mit einem demokratischen Parteibuch. Blickt man länger als 50 Jahre zurück, ist nicht einmal das besonders bemerkenswert. Auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs waren die Vorläufer der “Neocons” Demokraten, etwa Scoop Jackson, dem z.B. Richard Perle und Paul Wolfowitz in jungen Jahren zugearbeitet haben. NB, 22.3.2016: “Trump ist weder libertär noch konservativ.”

Ursprünglich waren viele der nachmaligen Neokonservativen Trotzkisten, Intellektuelle jüdischer Herkunft, die von ihrem Antistalinismus in das Lager der  US-amerikanischen Kalten Krieger geführt wurden. Ein Teil dieses Milieus schloss sich schon bald Ronald Reagan an.

Jüngere, wie die damalige Jus-Studentin Hillary wurden in den 1960ern in Yale radikalisiert und gingen zu den Demokraten.

Vom Parteibuch abgesehen, unterscheidet die Clinton nicht viel von den Neocons – weder die bedingungslose Unterstützung Israels noch die Wirtschaftsphilosophie. Neocons sind in der Regel Etatisten und nicht besonders an einem ausgeglichenen Budget interessiert (“Deficits don’t matter”).

Kaum, dass ihr Mann das Präsidentenamt abgab, war die Clinton schon Senatorin und bereits in ihrer ersten Amtsperiode Mitglied des prestigeträchtigen Armed Services Committee (was kaum jemals vorkommt). Schreibt Bernstein (Woman in Charge, p. 721, eigene Übersetzung):

Aus den Gesprächen mit ihren Beratern wird klar, dass die Mitgliedschaft im Armed Services-Komitee das zentrale Stück ihrer neuen Referenzen für die Präsidentschaft werden sollte. Sie sollte Verteidigungs-Intellektuelle werden, muskulös in der Herangehensweise, eine Meisterin der politischen Arena, der Bewaffnung und der Strategie. Das sollte ihr gegebenenfalls helfen die Ängste der Wähler zu zerstreuen, dass eine Frau Oberkommandantin des Militärs wird.”

Als First Lady steht die Clinton zu den außenpolitischen Entscheidungen Bills wie z.B. der völkerrechtswidrigen Bombardierung Serbiens 1999. Als Senatorin

  • stimmte sie u.a. für die Irak-Resolution des Repräsentantenhauses – und erklärte sich schließlich für getäuscht, nachdem das Fiasko der Irak-Politik offenbar geworden war.
  • 2008 unterliegt sie in den primaries dem innerparteilichen Gegner Barack Obama, dessen Außenministerin sie allerdings wird (bis 2013).
  • 2011 orchestriert sie (zusammen mit Obama) die Beseitigung des libyschen Diktators Gaddafi, wobei es ihr gelingt “kaum eine Spur zu hinterlassen” und zwei kriegsgeilen europäischen Mächten (Frankreich, Großbritannien) die Hauptrollen zu überlassen. Für die Zeit danach deutet viel darauf hin, dass sie zusammen mit der CIA eine Schmuggelaktion libyscher Waffen nach Syrien initiieren ließ, siehe z.B. hier. 

Das Konsulat in Benghazi diente offenbar allein diesem Zweck. Bei dieser Operation ist aber irgendetwas schief gelaufen. Die Vertretung wurde von Verbündeten der Waffenabnehmer überfallen, die dabei den US-Geschäftsträger töteten. Obama ordnete daraufhin die Beendigung der Aktion an – der Austausch ging aber munter weiter. Die Geschichte hängt Hillary Clinton bis heute nach und die Politikerin agiert dabei wie eine Person, die eine Menge zu verbergen hat.

Im US-Außenamt führte sie ähnlich wie für den Irak und Afghanistan die Linie von G.W. Bushs Neocon-Politikern fort. Das bedeutet im Fall Syriens: Destabilisierung des Damaszener Regimes u.a. durch Bewaffnung militanter sunnitisch-fundamentalistischer Gruppen. Das ist seit spätestens 2006 im Gang, wie ein 2015 erschienes Buch über Wikileaks/Cablegate dokumentiert. 

Beim “Rückzieher” Obamas in Syrien ( September 2013) ist sie nicht mehr im Amt, ebensowenig beim Atomdeal mit dem Iran 2015 (und auch nicht beim Ausbruch der “Ukrainekrise” 2014).

Vor allem die Letztere zeigt aber, dass die Neocon-Strukturen der US-Außenpolitik zum Teil noch intakt sind: Clintons frühere Sprecherin Victoria Nuland hat den dortigen Putsch gegen den gewählten Präsidenten Viktor Janukowitsch organisiert. “Fuck the EU”-Nuland ist die Ehefrau des prominenten neokonservativen Historikers Robert Kagan, eines bekennenden Hillary Clinton-Fans.

Die Clinton ist nicht einfach Teil des außenpolitischen Establishments von Washington, sie ist die Personifizierung einer bestimmten Spielart davon; der neokonservativen Spielart, wie sich erst vor ein paar Wochen wieder gezeigt hat, als republikanische Neokonservative dem immer näher an die Kandidatur rückenden Trump den Krieg erklärten und ein Überlaufen zu HRC in den Raum stellten.

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Das ist schon deswegen nicht verwunderlich, weil The Donald in populistischer Art auf allem herumtrampelt, worauf diese Leute Wert legen: auf dem Irak-Krieg Bushs des Jüngeren, auf der Libyen-Intervention 2011 und der Politik der Zerschlagung Syriens. Putin hält er für einen Politiker, mit dem er glaubt als Präsident auskommen zu können. 

Trump bekennt sich zwar dazu, das US-Militär stärken zu wollen, kündigt aber an, sich ggf. aus regionalen Konflikten stärker herauszuhalten.

Das ist für Neocons richtig unerträglich.

Nicht so für die bewusste anti war-Fraktion der Libertären.

Der taugt das.

Vor ein paar Tagen hat ein Urgestein der Bewegung die Aktionsgruppe Libertarians for Trump ins Leben gerufen – obwohl des Milliardärs protektionistische Vorstellungen so gar nicht in dieses Konzept passen wollen.

Trump-Befürworter Block erklärte, der Donald sei zwar bei weitem nicht so rein wie der pensionierte Ron Paul – aber wenn er zwischen einem Gefängnisaufseher wählen müsse, der ihn einmal pro Woche und einem, der ihn einmal im Monat schlägt, würde er sich Letzteren aussuchen.

Block ist “innerparteilich” damit sofort auf Widerstand gestoßen (die Haltung der libertären community in Bezug auf die Immigrationsthematik dürfte fast noch heterogener sein).

Um die Sache noch etwas komplizierter zu machen, suchen manche Anhänger des “demokratischen Sozialisten” Bernie Sanders, der der Clinton in den demokratischen primaries unterlegen ist, nach einer Alternative zu Hillary.

Die Abscheu dieser Linken gegen HRC, die sie als reine Gehilfin des Finanzkapitals empfinden, geht so weit, dass sie sich ernsthaft überlegen, am kommenden 8. November für “den rassistischen Milliardär Trump” zu stimmen. Die Welt ist kompliziert.

NB, 22.3.2016: Es “gibt keine ‘Libertären für Donald Trump’ – und Trump ist weder libertär, noch konservativ”, meint Barbara Kolm, zweifache Österreicherin und Chefin des Hayek-Instituts/Austrian Economics Centers. Während die free market roadshow der Organisation bisher nur in Europa stattgefunden hat, gibt es ab nächster Woche erstmals Veranstaltungen in den USA (Chicago).

Trump sei nichts als ein Showman. Die Spitze der Republikaner arbeite fieberhaft an Möglichkeiten, dem Populisten den Weg zur Präsidentschaftskandidatur für die Republikaner zu versperren. Selbst wenn das gelinge, werfe das aber ein großes Problem auf, meinte Kolm: Wenn Trump dann als unabhängiger Kandidat antrete, würden sich die Stimmen der GOP aufteilen und Hillary Clinton wahrscheinlich als Siegerin hervorgehen.  

Literatur:

Carl Bernstein, A Woman in Charge, 2007

Keff Gerth, Don Van Natta Jr., Her Way, 2007

Julian Assange, The WikiLeaks Files. The World According to US Empire, 2015

Foto: Michael Vadon, CC BY-SA 2.0, Gage Skidmore, CC BY-SA 3.0, Wikimedia Commons

Unabhängiger Journalist

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